Jahn-Geschäftsführer im Interview - Teil 1

Christian Keller: Das begeistert mich mehr als Platz fünf in der 2. Liga


"Wir haben damals zentrale Eckpfeiler für die Kernsanierung und Neuausrichtung des Jahn eingerammt, die den Jahn wieder auf den richtigen Weg gebracht haben und von denen wir heute massiv profitieren", sagt Christian Keller über die Zeit rund um den Drittliga-Abstieg 2015.

"Wir haben damals zentrale Eckpfeiler für die Kernsanierung und Neuausrichtung des Jahn eingerammt, die den Jahn wieder auf den richtigen Weg gebracht haben und von denen wir heute massiv profitieren", sagt Christian Keller über die Zeit rund um den Drittliga-Abstieg 2015.

Im ersten Teil des dreiteiligen Interviews spricht Geschäftsführer Christian Keller über den Abstieg des SSV Jahn Regensburg 2015 in die Regionalliga.

Vor nicht einmal vier Jahren ist der SSV Jahn Regensburg in die Regionalliga abgestiegen und lag in der öffentlichen Wahrnehmung am Boden. Was folgte, war eine einzigartige Erfolgsgeschichte. Im Eiltempo ging es in die 2. Bundesliga, wo sich die Jahnelf auch im zweiten Jahr anschickt, den Klassenerhalt zu realisieren. In einem dreiteiligen Interview mit Geschäftsführer Christian Keller (40) blickt idowa zurück auf die Entwicklung der vergangenen Jahre. In Teil eins spricht er über das Frühjahr 2015 und den Abstieg aus der 3. Liga.

Herr Keller, wie oft denken Sie noch an das Frühjahr 2015 zurück?
Christian Keller: Ich denke schon ab und an daran zurück. Ich sehe den Abstieg als Mahnmal im positiven Sinne. Wir dürfen nicht vergessen, was uns damals unter den komplett anderen, in vielerlei Hinsicht wesentlich schwierigeren Voraussetzungen ausgemacht hat. Gleichzeitig sehe ich den Abstieg als Teil des Weges, den ich allerdings allen gerne erspart hätte, denen der Jahn am Herzen liegt. Wichtig ist für uns, dass wir die innere Haltung, die wir damals schon hatten, auch jetzt in besseren Zeiten bewahren.

Ist es auch in Ihrer Wahrnehmung verrückt, dass dieser Abstieg noch nicht einmal vier Jahre zurückliegt?
Keller: Ja. Wir hatten vergangene Saison noch neun Spieler aus der Abstiegssaison in unserem Kader, davon waren mehrere Stammspieler. Es ist irgendwie paradox, dass wir am vermeintlich größten Tiefpunkt der neueren Jahn-Zeit schon ein relativ starkes Kollektiv hatten, das später auch beim größten Erfolg der gesamten Jahn-Geschichte, dem erstmaligen Klassenerhalt in der 2. Bundesliga, mitgewirkt hat.

Wie haben Sie die Abstiegssaison aufgearbeitet?
Keller: Wir trennen im Innenverhältnis immer Leistung von Ergebnis. Sicherlich waren in der Abstiegssaison einige falsche Personalentscheidungen von mir im sportlichen Bereich dabei, die neben anderen Gründen dazu beigetragen haben, dass es nicht funktioniert hat. Auch heute treffe ich nicht nur richtige Entscheidungen. Das gehört zum Führen dazu, dass man auch ab und an falsch liegt. In Bezug auf meine ersten beiden Jahre beim Jahn kann ich aber trotzdem sagen, dass wir mehrheitlich richtige Entscheidungen getroffen haben. Wir haben damals zentrale Eckpfeiler für die Kernsanierung und Neuausrichtung des Jahn eingerammt, die den Jahn wieder auf den richtigen Weg gebracht haben und von denen wir heute massiv profitieren. Dass es dann so kerzengerade nach oben ging, war natürlich nicht zu erwarten. Aber wenn es vier Saisons hintereinander sehr gut läuft, dann kann es kein Zufall mehr sein.

Was hat der Abstieg damals emotional mit Ihnen gemacht?
Keller: Ich glaube, dass ich heute nicht anders bin als vor der Abstiegssaison und der "Keller-Hetze". Hier kommt mir zugute, dass ich schon immer eine kritische Distanz zu diesem Geschäft und seinen Mechanismen hatte. Es kann ja nicht sein, dass du heute hochgejubelt wirst und morgen gar nichts mehr kannst oder andersherum. Man muss für sich selbst einen Mittelweg finden, damit umzugehen. Ich persönlich nehme Kritik genauso zur Kenntnis wie Lob, mein Verhalten richtet sich aber weder nach dem einen noch nach dem anderen aus.

In der Abstiegssaison wurde Christian Keller von vielen Jahn-Fans kritisch gesehen. (Foto: imago)

In der Abstiegssaison wurde Christian Keller von vielen Jahn-Fans kritisch gesehen. (Foto: imago)

Aber kalt hat es Sie nicht gelassen, als viele im Stadion "Keller raus" geschrien haben?
Keller: Natürlich nicht. Aber es ist auch nicht so, dass ich dann weinend nach Hause gegangen bin. Natürlich fand ich das nicht schön. Aber dann bin ich Laufen gegangen, um den Kopf freizubekommen - und ich wusste um meine Vorbildfunktion. Wenn ich da immer wie ein Häufchen Elend ausgesehen hätte, dann hätte ich den Club nicht vernünftig führen können. Ich musste den Mitarbeitern schon symbolisieren, dass wir einen klaren Plan haben und dass wir diesen Weg auch relativ unbeirrt gehen. Nicht stur, aber grundsätzlich immer mit dem Blick nach vorne. Ich wollte ja auch erreichen, dass alle unabhängig von Sieg oder Niederlage funktionieren.

Gab es dennoch einen Zeitpunkt, an dem Sie daran gedacht haben hinzuschmeißen?
Keller: Aus voller Überzeugung nein. Ich hatte hier ja eine Verantwortung. Es ist kein Geheimnis, dass es uns damals wirtschaftlich nicht allzu gut ging. Von den wenigen Geldströmen, die wir generieren konnten, waren etliche mehr oder weniger direkt mit meiner Person verbunden. Es gab Unternehmer, die gesehen haben, dass unsere Grundrichtung stimmt und die das nicht mehr unterstützt hätten, wenn ich nicht mehr da gewesen wäre. Emotional wäre es wahrscheinlich für fast alle ein Befreiungsschlag gewesen, wenn ich von Bord gegangen wäre. Aber es wäre eben nur ein emotionaler Befreiungsschlag gewesen. Ich wurde ja eine Zeit lang als "Totengräber" des Jahn bezeichnet. Wenn ich damals gegangen wäre, dann wäre ich zurecht so bezeichnet worden. Denn dann hätten wir tatsächlich zum Amtsgericht laufen und Insolvenz anmelden müssen. Deswegen ist es für mich nicht in Frage gekommen zu gehen, nur weil ich öffentlich-medial beschimpft werde. Und ganz ehrlich: Dafür bin ich auch zu ehrgeizig. Mich mit einer solchen Kanterniederlage zu verabschieden, das hätte mein Ego nicht zugelassen (lacht).

Gerade im aufgeregten Geschäft Profifußball hätten nach einem solchen Abstieg viele Vereine vieles über den Haufen geworfen. Wie viel innere Stärke hat es gebraucht, das als Jahn nicht zu machen?
Keller: Es braucht Mitstreiter, die von der gleichen Idee überzeugt sind. Wie damals in der Übergangsphase zwischen Abstieg und Regionalliga sowie dem Umzug ins neue Stadion alle Mitarbeiter zusammengehalten und gearbeitet haben, das begeistert mich heute noch mehr wie ein fünfter Platz in der 2. Bundesliga. Trotz größter öffentlicher und medialer Tristesse ist kein wesentlicher Mitstreiter gegangen. Auch viele Spieler sind geblieben wie Marvin Knoll, Andi Geipl, Oli Hein, Markus Palionis oder Sebastian Nachreiner. Die hätten auch etwas anderes machen können. Aber sie wollten das so nicht stehen lassen und wollten das wieder ausbügeln. Dieses Gefühl, dass damals alle in einer schweren Zeit loyal und integer zusammengehalten haben, ist bis dato meine schönste Jahn-Erinnerung.

In Teil zwei des Interviews spricht der Jahn-Geschäftsführer über die Regionalliga-Saison und über Stolpersteine auf dem Weg in die 2. Bundesliga.

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