Jahn-Geschäftsführer im Interview

Christian Keller: "Nächste Saison wird ultrahart"


Christian Keller freut sich über den Neustart in der Bundesliga, steht mit dem SSV Jahn Regensburg aber auch vor großen Aufgaben.

Christian Keller freut sich über den Neustart in der Bundesliga, steht mit dem SSV Jahn Regensburg aber auch vor großen Aufgaben.

Die Bundesliga geht weiter. Ab 16. Mai darf in der 1. und 2. Liga wieder gespielt werden. Für den SSV Jahn geht es dann mit einem Heimspiel gegen Holstein Kiel weiter. Im idowa-Interview spricht Regensburgs Geschäftsführer Christian Keller über die Diskussionen um den Neustart, die Verantwortung des Fußballs und die Auswirkungen der Coronakrise auf den Jahn.

Herr Keller, seit Mittwoch steht fest: Die Bundesliga darf ab 16. Mai wieder spielen. Wie haben Sie die Entscheidung aufgefasst?
Christian Keller: Ich habe es von zwei Seiten betrachtet. Zum einen habe ich mich sehr gefreut und war auch erleichtert. Denn diese Entscheidung ist die Grundlage für eine positive Unternehmens-Fortführung sowie für die Sicherung vieler Arbeitsplätze. Ohne Spielbetrieb kann kein Fußball-Club auf Dauer überleben. Auf der anderen Seite ist das grüne Licht der Politik aber nur der Startschuss für den Saisonendspurt. Diesem Vertrauensvorschuss der Politik müssen wir jetzt alle gemeinsam gerecht werden.

Hatten Sie Zweifel, ob das Konzept von der Politik akzeptiert wird?
Keller: Ich war und bin von dem Konzept überzeugt. Es ist sehr rigide, um die Gefahr einer Ansteckung zu minimieren, ausschließen kann man diese ohnehin nie. Letztlich war es für die Politik eine Frage der Abwägung, sie haben viele Punkte in die Entscheidung einfließen lassen. Im Ergebnis ist so eine ausgewogene Entscheidung entstanden, von der ich überzeugt bin, dass sie richtig ist. Darin müssen wir die Politik nun bestätigen.

Als am Anfang der Woche das Video von Hertha BSC-Stürmer Salomon Kalou auftauchte: Hatten Sie Angst, alles könnte doch noch einmal ins Wanken geraten?
Keller: Nein, Angst hatte ich nicht. Es war irgendwo erwartbar, dass der eine oder andere ausschert. Mit einem so krassen Beispiel, für das einem die Worte fehlen, hatte ich allerdings nicht gerechnet. In allem kann man aber auch eine Chance sehen. Die Liga und Hertha BSC hatten die Möglichkeit, knallhart durchzugreifen. Alle Akteure im Profifußball müssen sich bewusst sein, dass eine ganze Nation auf uns schaut. Vielleicht war es insofern für den ein oder anderen ein Wachrüttler zur rechten Zeit.

Die Diskussionen um den Neustart wurden teils hitzig geführt. Haben Sie Verständnis dafür?
Keller: Definitiv, ich kann das sehr gut verstehen. Bei denjenigen, die das ablehnen, ist es vor allem eine emotionale Perspektive, aus zweierlei Gründen. Zum einen ist die Parallelwelt Fußball auf Spitzenniveau der Normalität längst entrückt. Es sind horrende Summen im Spiel, die viele Menschen nicht mehr nachvollziehen können. Hier muss man aber differenzieren, denn in der 2. Bundesliga sind wir von diesen Summen weit entfernt. Ein weiterer Punkt bei den Kritikern ist die Frage: Warum dürfen die und wir nicht? Diesen Punkt kann ich nicht nachvollziehen. Missgunst und Neid sind in einer solchen Krise aber schlechte Berater. Wenn man es ganz sachlich betrachtet, macht der Fußball nichts anderes als viele andere Branchen auch. Es wird alles versucht, um die Existenz der Clubs und damit verbunden tausender Arbeitsplätze zu sichern. Es ist unsere Pflicht, dafür alles zu versuchen. Es geht deshalb eben geradenicht um eine Sonderrolle, wie teilweise unterstellt wurde.

Seit Donnerstag kann wieder normales Mannschaftstraining stattfinden, wenn man es denn so bezeichnen kann. Wie sind die Rückmeldungen von Trainer und Spielern?
Keller: Die sind alle total happy, dass sie wieder "normal" trainieren dürfen. Auch wenn das Drumherum nach wie vor abnormal ist, so ist zumindest das Training auf dem Platz wieder normal. Die Spieler waren darüber hinaus auch sichtlich erleichtert, nachdem sie zwei Monate lang alleine oder in Kleingruppen trainieren mussten. Fußball ist schließlich nicht nur ihr Beruf, sondern auch ihre Leidenschaft. Am Donnerstag war ich nicht vor Ort, aber unser Trainer Mersad Selimbegovic hat gesagt, es sei wie eine "Explosion" gewesen, es sei ein ganz hervorragendes Training gewesen. Am Freitag war ich dann selbst beim Training.

Und wie war der Eindruck?
Keller: Die Stimmung war analog zum Donnerstag bestens. Aus sportlicher Sicht muss man natürlich an den mannschaftstaktischen Abläufen wieder ein Stück weit feilen, nachdem acht Wochen nicht als Team trainiert werden konnte. Aber die Ausgangssituation ist für jeden gleich und es geht darum, das Beste daraus zu machen.

Wie sieht der Ablauf in den nächsten Tagen aus?
Keller: Mannschaft, Trainerteam und Betreuer werden ab Sonntag in ein Hotel in eine Art Trainingslager bzw. Quasi-Quarantäne gehen. Da gibt es dann nur noch: Trainieren, essen, schlafen. Das Training wird allerdings nicht so umfassend sein wie in einem Trainingslager in der Sommervorbereitung. Zwar ist die Matchfitness sicherlich noch nicht gleich wieder voll da, aber mit täglich zwei Trainings in der Woche vor dem ersten Spiel würden wir der Mannschaft mehr schaden als sie voranzubringen.

Sehen Sie aufgrund der kurzen Vorbereitung im Teamtraining ein erhöhtes Verletzungsrisiko?
Keller: Das sehe ich nur bedingt. Die Stimmen, die sich zwei, drei Wochen Vorbereitung gewünscht hätten, sind für mich zwar nachvollziehbar, denn dann könnte man die Spieler noch besser vorbereitet in die Saisonfortsetzung schicken. Andererseits waren die Spieler jetzt auch nicht acht Wochen im Urlaub, sondern es wurde intensiv gearbeitet. Die Spieler befinden sich in einem guten athletischen Zustand. Am Anfang kann es aber trotzdem sein, dass dem einen oder anderen Spieler während des Spiels die Körner ausgehen bis die Wettkampfhärte wieder erreicht sein wird.

Christian Keller über Geisterspiele und die finanziellen Auswirkungen auf den SSV Jahn

Stellen die Maßnahmen des DFL-Konzepts den Jahn vor Herausforderungen?
Keller: Das Konzept ist schon immens umfangreich. Es wurde wirklich an alles gedacht und fordert den Beteiligten sehr viel ab. Zum Beispiel ist sogar vorgeschrieben, dass die Balljungen den Ball während des Spiels immer wieder desinfizieren müssen. Der SSV Jahn wird alle Anforderungen umsetzen können.

Wie stellen Sie sich die Geisterspiele vor?
Keller: Wir hatten als Jahn Regensburg ja schon einmal eines, im Januar 2017 in Rostock. Dann spielst du in einem riesigen Stadion vor null Zuschauern. Die Emotionen von den Rängen fehlen, es ist nicht der Fußball, den wir uns wünschen. Aber momentan gibt es zu den Geisterspielen keine Alternative. Entscheidend ist deshalb die Haltung, die man einnimmt.

Wer sich früher mit der Situation anfreundet, hat also einen Vorteil?
Keller: Definitiv. Es ist eine Haltungsfrage. Es bringt ja nichts zu lamentieren. Die Auflagen sind rigide und vielleicht auch hemmend. Aber man muss die Situation annehmen wie sie ist, die Freude, wieder spielen zu dürfen, sollte klar überwiegen.

Ohne Zuschauer fehlen die Ticketingeinnahmen von noch fünf Heimspielen, dazu gibt es Sponsorenleistungen, die nicht komplett erfüllt werden können. Wie schwer trifft das den Jahn finanziell?
Keller: Wäre diese Saison abgebrochen worden, hätten wir einen Umsatzausfall von 30 Prozent gehabt, das ist bei 25 Millionen Euro angestrebtem Umsatz schon erheblich. Es kann auch immer noch passieren, dass die Saison abgebrochen wird. Wir dürfen jetzt an die Startlinie und loslaufen, müssen aber auch neun Etappen schaffen. Mit Geisterspielen ist es wirtschaftlich viel besser als gar nicht zu spielen. So könnte es noch zu einem Umsatzausfall von bis zu 15 Prozent kommen, vielleicht aber auch weniger. Das hängt auch von den Partnern ab.

Wie sind hier die Rückmeldungen?
Keller: Wir haben fast 400 Sponsoren und bei etwa 300 davon sind die Rechte betroffen, mal mehr, mal weniger. Wir sind aktuell also viel im Dialog mit den Partnern. Im Regelfall sind das erfreuliche Gespräche, auch wenn viele Unternehmen aus unserem Netzwerk ja auch ums Überleben kämpfen. Mit sehr vielen haben wir sehr gute Lösungen gefunden und uns bereits auf attraktive alternative Leistungen für sie einigen können. Es gibt aber auch Partner, bei denen das aus unterschiedlichen Gründen schwieriger ist. Auch diejenigen, die weniger kompromissbereit sind, obwohl ihnen das Wasser nicht bis zum Hals steht. Das sind dann die grundlos unangenehmen Gespräche.

Sie sprechen es an: Manche Firmen müssen ebenfalls ums Überleben kämpfen. Wird sich das auf die nächste Saison auswirken?
Keller: Diese Saison ist schwierig, die ganz große Herausforderung kommt aber erst nächste Saison auf uns zu. Die nächste Saison wird ultrahart. Es wird erst in ein paar Wochen oder Monaten deutlich werden, zu welchen Kollateralschäden die aktuellen politischen Entscheidungen geführt haben. Eine genaue Prognose kann man noch nicht abgeben, das wäre ein Blick in die Glaskugel. Es könnte im positiven Fall auch sein, dass die Öffnungen weitergehen und sich alles schneller normalisiert als gedacht.

Es ist aber denkbar, dass es auch in der kommenden Saison zunächst keine Zuschauer im Stadion geben wird. Wie planen Sie hier?
Keller: Wir haben alle möglichen Szenarien durchgerechnet. Den Fall, dass wir das erste Halbjahr ohne Zuschauer spielen müssten genauso wie den, dass wir die komplette Saison 2020/21 ohne Zuschauer spielen. Das heißt nicht, dass wir davon ausgehen. Aber es ist immer besser, einen Plan zu haben und vorbereitet zu sein, anstatt überrascht zu werden.

Viele Vereine wären ohne Spiele schnell in Existenznot gekommen. Glauben Sie, dass der Fußball aus der aktuellen Situation lernen wird?
Keller: Hier muss man differenzieren. Klar sind die Umsätze in den letzten Jahren immer größer geworden und der Fußball ist permanent gewachsen. Da hätte es möglich sein sollen, etwas auf die Seite zu legen. Aber es geht ja nicht nur dem Fußball so, auch andere Branchen sind betroffen. Nehmen wir das Beispiel Lufthansa. Da steht nun eine Milliarden-Unterstützung vom Staat im Raum. Es gibt einfach einen Fixkosten-Apparat und wenn die Geschäftsgrundlage längere Zeit komplett wegbricht, wird es in jeder Branche schwierig. Ich hoffe aber, dass alle 36 Clubs der 1. und 2. Bundesliga gut durch die Krise kommen. Denn die Bundesliga ist ein Gemeinschaftsprodukt. Es gibt deshalb gerade auch eine große Solidarität und einen guten Austausch unter den Clubs.

Am 16. Mai geht es mit dem Heimspiel gegen Holstein Kiel los. Wie blicken Sie darauf voraus?
Keller: Trotz aller ungewissen Rahmenbedingungen habe ich schon jetzt eine große Vorfreude in mir. Wir stehen in den Startlöchern und wollen jetzt auch endlich loslaufen.