Interview

Thomas Oberst (TÜV SÜD): "Spannend sind neue Entwicklungen"


Gibt es Fahrgeschäfte, die auch einen routinierten TÜV-Prüfer nach Jahren noch faszinieren? Unter anderem darüber haben wir mit Dr. Thomas Oberst vom TÜV SÜD gesprochen.

Gibt es Fahrgeschäfte, die auch einen routinierten TÜV-Prüfer nach Jahren noch faszinieren? Unter anderem darüber haben wir mit Dr. Thomas Oberst vom TÜV SÜD gesprochen.

Von Stefan Karl

Rasante Fahrgeschäfte sind für viele Volksfest-Besucher das Größte - für manche sogar wichtiger als die Abende im Bierzelt. So ähnlich geht es den Sachverständigen beim TÜV SÜD, die für Freizeitanlagen und Fliegende Bauten zuständig sind.

Darüner, wie sie die Entstehung eines neuen Fahrgeschäfts vom ersten Entwurf bis zur Abnahme begleiten und warum viele von ihnen auch in der Freizeit an keinem Freizeitpark oder Volksfest vorbei gehen können, ohne ein paar Runden zu drehen, haben wir mit Dr. Thomas Oberst vom TÜV SÜD gesprochen.

Ein Fahrgeschäft legt einen langen Weg zurück. Vom Zeichentisch bis zum Volksfest, welche Stationen durchläuft so ein Fahrgeschäft?

Dr. Thomas Oberst: Die Erstabnahme beginnt eigentlich schon bevor das Fahrgeschäft steht. Zunächst werden die Konstruktionszeichnungen und die statischen Berechnungen überprüft, die ein Hersteller natürlich durchführt. Kontrollen finden auch in der Fertigung des Fahrgeschäftes statt. Anschließend wird die Anlage, wenn sie aufgebaut ist, intensiv geprüft. In erster Linie geht es darum, ob das was auf dem Papier steht, in der Realität auch tatsächlich eingehalten wird. Zwei Beispiele dafür: Bremsversuche mit leeren, als auch mit beladenen Fahrzeugen. Dafür werden natürlich keine Menschen, sondern Gewichte verwendet. Die Belastungen, die an jedem Punkt des Fahrgeschäfts auf den menschlichen Körper einwirken, werden ebenfalls überprüft. Dafür werden Sensoren installiert, die mitfahren. Die Messungen werden dann in einem speziellen Computerprogramm ausgewertet. Geprüft werden außerdem die tragenden Bauteile; da geht es um die Statik. Es sind hydraulische, pneumatische Einrichtungen, und es ist die gesamte Steuerungselektronik, die bei Fahrgeschäften immer wichtiger wird.

TÜV-Prüfer müsste man sein, dann könnte man den ganzen Tag Achterbahn fahren - das ist so also nicht ganz richtig?

Oberst: Nein, es ist viel Papierarbeit zu Beginn. In der Fertigungsüberwachung bin ich in der Produktionsstätte und schaue mir die einzelnen Bauteile an. Außerdem muss man einen sehr genauen Blick auf das Fahrgeschäft werfen. Die Fahrt gehört natürlich zur Erstabnahme dazu, wobei ich da eine oder wahrscheinlich mehrere Fahrten mache. Erstmal schau ich von außen, und bei der Fahrt selber achte ich darauf, wie ich die Fahrt wahrnehme. Ich weiß, dass viele unserer Prüfer sehr von der Arbeit fasziniert sind, und so beispielsweise im Urlaub, wenn sie in der Nähe eines Freizeitparks sind, diesen auch besuchen. So geht die Arbeit fließend in die Freizeitbeschäftigung über.

Ist die Verlängerungsprüfung dann ungefähr vergleichbar mit einem TÜV beim Auto?

Eine Verlängerungsprüfung ist im Grunde eine abgespeckte Erstabnahme. Ich schaue mir hier auch alle wichtigen statischen, tragende Teile an, die Verbindungsteile. Ich schau mir alles an, was in irgendeiner Art sicherheitsrelevant ist. Das betrifft unter anderem die Bremsen, die Rückhaltesysteme. Da wird wirklich Fahrzeug für Fahrzeug überprüft, ob jeder einzelne Bügel sicher funktioniert, ob die Rasterung funktioniert, und ob die Rückhaltesysteme die Gäste noch sicher an ihren Platz halten.

Welche Fahrgeschäfte TÜV-Prüfer auch nach Jahren noch faszinieren und ob es einen Bestandsschutz für ältere Fahrgeschäfte gibt, lesen Sie im zweiten Teil.

Neue Erkenntnisse - neue Normen

Gibt es bei den Prüfungen unterschiedliche "Gattungen" von Fahrgeschäften, wie zum Beispiel Achterbahnen, Karussells und so weiter?

Eigentlich nur bezüglich der Prüfintervalle. Das richtet sich nach der Größe und Geschwindigkeit des Fahrgeschäfts, beziehungsweise der dynamischen Beanspruchung der einzelnen Komponenten. Intervalle werden dann dementsprechend auf ein bis drei Jahre festgelegt.

Die Prüfkriterien ändern sich über die Zeit. Gibt es da für die älteren Fahrgeschäfte einen Bestandsschutz?

Im Baurecht gibt es keinen Bestandsschutz. Das Baurecht ist die Basis auf der der Betrieb der Fahrgeschäfte geregelt ist. Alle Fahrgeschäfte die in Betrieb sind, müssen die aktuellen Anforderungen erfüllen. Zum einen die Bauordnung, zum anderen eine europäische Norm. Werden die Normen strenger formuliert, müssen auch die Fahrgeschäfte erneut überprüft werden, ob sie den strengeren Anforderungen entsprechen. Bei Bedarf müssen sie dann nachgerüstet werden. Normen werden in der Regel dann geändert, wenn sich neue Erkenntnisse ergeben, beispielsweise bezüglich einer Materialermüdung. Man möchte alles für die Sicherheit der Fahrgeschäfte tun und die neuen Erkenntnisse einbringen.

Gibt es Fahrgeschäfte, die die TÜV-Prüfer besonders faszinieren?

Das ist sehr unterschiedlich, so wie die Menschen. Spannend ist es immer dort, wo Prüfer mit neuen Entwicklungen zu tun haben, auch mit neuen Bewegungsabläufen. Das macht dann Spaß zu sehen, was sich die Hersteller neues einfallen lassen.