Interview mit Regensburger Kardiologen

Darum gibt es mehr Herzoperationen als vor zehn Jahren


OP am Herz

OP am Herz

Das Statistische Bundesamt meldet aktuell, dass 2018 in Deutschland über 400.000 Herzoperationen durchgeführt wurden, das sind 23 Prozent mehr als noch 2008. Wie kommt es, dass es innerhalb von zehn Jahren so viel mehr Herzeingriffe gibt? idowa hat mit Prof. Dr. Lars Maier gesprochen, dem Leiter der Kardiologie am Universitätsklinikum Regensburg.

Herr Professor Maier, könnte es sein, dass auch die demographische Entwicklung in Deutschland mit diesen Daten zusammenhängt?

Prof. Dr. Lars Maier: Das ist sicherlich ein Punkt, der da mit reinspielt: Wir werden von Jahr zu Jahr älter. Schwerwiegende Erkrankungen können in jüngeren Jahren gut mit Medikamenten behandelt werden, da hat sich die Therapie deutlich verbessert. Im Alter braucht man dann oftmals eher operative Eingriffe.

...und immer mehr Menschen werden eben immer älter, oder?

Maier: Auf jeden Fall. Ich hatte vor kurzem einen 90-Jährigen hier, dem habe ich eine neue Herzklappe eingesetzt - aber eben nicht mit einem klassischen chirurgischen Eingriff, sondern in einem speziellen, "minimal-invasiven" Verfahren über die Leiste. Das bedeutet, dass es keinen großen Schnitt in die Brust braucht, so dass das wesentlich verträglicher ist und auch das Infektionsrisiko sinkt. Das hätte man vor fünf oder zehn Jahren so noch nicht machen können.

Bis zu 400 Herzeingriffe pro Jahr im Regensburger Klinikum

Also gibt es einfach bessere OP-Technik und Operationen werden dadurch einfacher?

Maier: So ist es. Wobei wir die Eingriffe gar nicht mehr wirklich "offene Operation" nennen, das sind zum großen Teil Prozeduren, die man über die Leiste machen kann. Bei einem 75- oder 80-Jährigen würde ich natürlich keine Herzklappe mehr in einer offenen Operation einsetzen, sondern eben mit dem neuen Verfahren. Die Patienten brauchen dann auch keine Herz-Lungen-Maschine und müssen danach nicht so lange im Krankenhaus bleiben wie früher. Wir hier im Regensburger Klinikum machen 350 bis 400 solcher Eingriffe pro Jahr. Das sind von Jahr zu Jahr mehr geworden, vor zehn Jahren sind wir mit genau einem gestartet.

Was genau wird denn bei diesem Eingriff gemacht?

Maier: Da wird die Hauptschlagaderklappe im Herzen, die sogenannte "Aortenklappe", bei überwiegend älteren Patienten über die Leiste eingesetzt. Wir nennen das minimal-inversiv oder auch "katheter-technisch". Dieses Verfahren kann so auch nur in ausgewählten, großen Zentren durchgeführt werden. Wir arbeiten darum mit Kardiologen aus anderen Krankenhäusern zusammen - unter anderem auch Prof. Dr. Christian Zugck aus Straubing. Der ist auf Herzmuskelschwäche spezialisiert, führt also die Untersuchungen durch und dann kommen die Leute für den Eingriff zu uns. Teilweise kommen auch Ärzte aus anderen Krankenhäusern zu uns und führen die Prozeduren durch.

Medizin war seit 2008 extrem innovativ

Schon 2006 entdeckten Maier (hinten) und seine Kollegen am "Herzzentrum Göttingen" Ursachen für Herzrhythmusstörungen.

Schon 2006 entdeckten Maier (hinten) und seine Kollegen am "Herzzentrum Göttingen" Ursachen für Herzrhythmusstörungen.

Gibt es denn noch weitere große technische Fortschritte, die Herz-Eingriffe einfacher machen als noch 2008?

Maier: Ja, es gibt spezielle neue Herzschrittmacher, die bei schwer herzkranken Patienten, zum Beispiel mit Herzmuskelschwäche, das Herz so positiv stimulieren können, dass die Menschen ein angenehmeres und auch längeres Leben führen können. Man nennt das "Resynchronisationsgeräte", die normalisieren quasi die Pumpkraft des Herzens wieder und bringen es zurück "in den Takt". Das ist auch eine neue, kathetertechnische Prozedur, die hier bei uns die "Rhythmusabteilung" durchführt.

Und außerdem implantieren wir erst seit drei Jahren auch kleine Herzschrittmacher, die nur so groß sind wie eine Tintenpatrone und keine Kabel haben. Die werden dann in das "rechte Herz" eingesetzt und das ist eben auch eine Innovation. Die Herzmedizin war allgemein in den letzten zehn Jahren ungemein innovativ und wir haben viel mehr Möglichkeiten, verschiedene Herzleiden zu behandeln.

Hat sich denn auch die Technik zur Diagnose so deutlich verbessert in den letzten zehn Jahren?

Maier: Ja, wir haben auch eine deutlich verbesserte Diagonistik, zum Beispiel durch Computer- und Magnetresonanztomographie, mit denen kann man viele Erkrankungen besser und auch früher erkennen. Vor zehn Jahren hatten wir dafür nur das Belastungs-EKG und das sogenannte "Stress-Echo", bei dem das Herz unter Belastung mit Ultraschall untersucht wird.

Statt Rauchen lieber Treppen steigen

Offenbar sind die Menschen also in guten Händen bei Ihnen, Herr Prof. Maier. Am besten ist es aber natürlich, wenn man Sie gar nicht erst braucht! Hätten Sie deshalb zuletzt noch einen Tipp für unsere Leser, was man tun kann, um das Herz gesund zu halten?

Maier: Da gibt es gar nicht so viel, was man machen muss. Das Wichtigste ist: Nicht rauchen! Das ist extrem schädlich und wir haben immer wieder Patienten mit Herzinfarkten, bei denen das Rauchen das einzige ist, was sie falsch machen für ihr Herz. Zweitens natürlich gesunde Ernährung. Also viel Gemüse, relativ wenig Fleisch und wenig Fette. "Mediterrane Kost", könnte man auch sagen. Zuletzt auf jeden Fall versuchen, nicht zu übergewichtig zu sein. Also sportlich betätigen, auch mal eine Treppe mehr gehen oder mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren. Und mit dem Hausarzt oder einem Kardiologen eng zusammenarbeiten, um mögliche Herzschäden frühzeitig erkennen und behandeln zu können.