Interview mit dem Wetterexperten

Martin Bohmann: „Die Wiesen verändern sich schon jetzt“


Martin Bohmann betreibt die private Wetterstation in Eggerszell und erforscht seit 2007 das Wetter im Donauraum.

Martin Bohmann betreibt die private Wetterstation in Eggerszell und erforscht seit 2007 das Wetter im Donauraum.

Der Mai war im Raum Straubing zu kalt. Genau genommen lag die Durchschnittstemperatur um 0,4 Grad unter dem langjährigen Mittel. Monate wie dieser sind laut Martin Bohmann aus Eggerszell selten geworden.

Für den Betreiber der privaten Wetterstation formt der Klimawandel in Ostbayern schon jetzt das Landschaftsbild um - Tier- und Pflanzenwelt verändern sich. Im Interview mit idowa spricht Bohmann über seine Beobachtungen - an der Wetterstation und in der Region.

Herr Bohmann, ist es in den letzten Jahren wärmer geworden in der Region?

Martin Bohmann: Definitiv. Dieser Prozess ist aber schon länger im Gange. Als ich 2007 mit meiner Wetterstation angefangen habe, war es bereits deutlich wärmer als im Durchschnitt der Jahre 1961 bis 1990 - das ist der Referenzwert, der vom Deutschen Wetterdienst verwendet wird. Die Jahre bis 2009 waren alle etwa 1,5 Grad über diesem Wert und galten als "zu warm". In der jüngeren Vergangenheit ist es aber Stück für Stück noch wärmer geworden. Das Jahrzehnt ab 2010 war das wärmste seit Messbeginn.

Also nimmt diese Entwicklung an Fahrt auf?

Bohmann: Früher war die Entwicklung kaum spürbar. Seit der Jahrtausendwende aber geht es, gemessen an normalen Klimaperioden, rasend schnell. Und keiner weiß, wo das Ende der Fahnenstange ist… 2014 war schon extrem warm, 2018 noch wärmer und 2019 hätte es um ein Haar noch einmal getoppt. Von den fünf wärmsten Jahren seit Beginn der Wetteraufzeichnungen liegen drei im Zeitraum der letzten fünf Jahre. Das Jahr 2020 schaut schon jetzt wieder deutlich zu warm aus. Die Frage ist nur, um wieviel über der Normaltemperatur wir sind.

"Dieser Mai gehört eigentlich fett im Kalender markiert"

Also muss man die Monate, die unterm Strich "zu kalt" sind, schon mit der Lupe suchen?

Bohmann: Kann man so sagen. Der zurückliegende Mai war bei mir an der Wetterstation in Eggerszell genau im Durchschnitt. An der Wetterstation Straubing lagen die Temperaturen sogar um 0,4 Grad darunter. Straubing dürfte aber deutschlandweit die einzige Station sein, an der es minimal zu kühl war. Es gibt fast keine zu kalten Monate mehr. So eine Beobachtung wie in Straubing gehört eigentlich fett im Kalender markiert.

Einige Wissenschaftler erwarten im Zusammenhang mit dem Klimawandel mehr Extremwetterlagen. Lässt sich das in der Region auch beobachten?

Bohmann: Nein. Wir hatten 2016 einen Sommer mit vielen Unwettern. Das war aber in der jüngeren Vergangenheit das einzige Jahr mit vielen Extremwetterlagen. Seitdem hat es das aber nicht mehr gegeben. Im Gegenteil: 2017 bis 2019 waren Dürresommer, da hätte man eigentlich sehnlichst auf Regen und Gewitter gewartet. Eine Häufung von Stürmen im Vergleich zu den Vorjahren wäre für unsere Region auch schwer nachzuweisen. Stürme hat es bei uns nämlich immer schon viele gegeben. Das ist überliefert, dass es früher auch viele Blitzeinschläge gegeben hat, bei denen Scheunen abgebrannt sind.

"In den Sommermonaten haben wir oft typisches Mittelmeer-Klima"

Das Wetter schaut also insgesamt stabiler aus. Wo ist das Problem?

Bohmann: Das liegt vor allem in der Trockenheit. Die Niederschläge fehlen, vor allem auch der Schnee im Winter. Die kommenden Jahre wird das schlimm werden. Meiner Einschätzung nach wird es ein großes Waldsterben geben. Klimawandel hat es schon immer gegeben, aber die letzten Jahre geht es einfach viel zu schnell. Die Natur kann sich null darauf einstellen. Die einheimischen Tiere und Pflanzen können sich bei so schnellen Entwicklungen kaum anpassen. Die Fichte wird sich wohl mittelfristig in die Hochlagen des Bayerischen Walds zurückziehen, wo es noch feucht genug ist. Unterhalb 1.000 Metern wird sie wohl kaum noch überleben können.

Welche Bäume werden die tieferen Lagen dann bevölkern?

Bohmann: Das, was im Augenblick in Italien oder Spanien wächst. Die Klimazonen verschieben sich nach Norden. In den vergangenen Jahren haben wir in den Sommermonaten bei uns mehr und mehr das typische Mittelmeer-Klima beobachten können. Es gab zeitweise kaum noch Tiefdruckwetter. Wenn es geregnet hat, dann oftmals in Form von lokalen Schauern und Gewittern. Das ist für unsere Flora und Fauna aber zu wenig.

Wie sehr wird sich die Landschaft dadurch verändern?

Bohmann: 2018 hat sich das schon angedeutet. Da war im Juli das ganze Gras um die Wetterstation verbrannt, da war kein grüner Halm mehr zu sehen. 2019 das Gleiche. Man sieht es am Gras. Die Wiesen verändern sich. Früher ist der Löwenzahn ganz dick auf den Wiesen gestanden. Heute ist der Anteil an Unkraut viel höher, von Pflanzen, die tiefer wurzeln, aber für die Bauern lang nicht so ertragreich sind. Etliche Grasarten packen die jetzigen klimatischen Bedingungen nicht mehr. Die Zusammensetzung der Wiesenpflanzen, die ich aus meiner Kindheit kenne, findet man heute allenfalls noch in Bachwiesen, direkt am Wasser.

Also hat Fridays for Future aus Sicht des Wetterexperten Recht?

Bohmann: In Teilen natürlich. Mir gefällt an der Bewegung nicht, dass sie oftmals die Generationen spaltet, dass die Jungen gegen die Alten aufgehetzt werden. Wenn man eine konstruktive Lösung haben will, müssen die Leute zusammenhalten. Die Alten können nämlich auch nichts dafür, dass die Verhältnisse früher anders waren.