Interview mit dem Pascha-Krimi-Autor

Su Turhan: "Ich habe hier ein Stück Heimat"


Su Turhan, der Autor der Krimis um den Münchner Ermittler Zeki Demirbilek, lebte in Straubing, bis er 18 war. Seine ersten beiden Romane wurden verfilmt und von der ARD ausgestrahlt.

Su Turhan, der Autor der Krimis um den Münchner Ermittler Zeki Demirbilek, lebte in Straubing, bis er 18 war. Seine ersten beiden Romane wurden verfilmt und von der ARD ausgestrahlt.

Der Autor der Pascha Krimis, Su Turhan, hat am Donnerstag bei Pustet in Straubing aus seinem aktuellen Roman, "Getürkt", gelesen. Seine beiden ersten Romane wurden verfilmt und im März bei der ARD ausgestrahlt. Der 1966 in Istanbul geborene Regisseur, Drehbuchautor und Schriftsteller ist im Alter von zwei Jahren zusammen mit seiner Familie nach Straubing gekommen. Bis er 18 war, lebte er in der Stadt an der Donau, dann ging er nach München. Im Interview mit idowa erzählt er von seinen Straubinger Wurzeln, von seiner unerfüllten Sehnsucht und seiner dunklen Schreibstube.

Sie kommen gerade aus München, Herr Turhan?

Su Turhan: So ist es.

Sie leben ja in München…

Ich lebe in Giesing! Giesing, das ist ein bisschen was Anderes als München. In Obergiesing lebe ich, um genau zu sein, seit vielen Jahren.

Wie ist es, wieder nach Straubing zu kommen?

Ich merke schon, weil alles so vertraut ist, dass hier meine Wurzeln sind. Ich war heute eingeladen in meinem alten Gymnasium, im Luggy, also im Ludwigsgymnasium. Ich habe mich dort im W-Seminar deutsch mit den angehenden Abiturienten über Kriminalromane unterhalten. Und da habe ich eben auch mein Abitur gemacht. Es kommen schon Gefühle hoch und Kindheitserinnerungen - vieles was man so an Schmarrn erlebt - und erledigt hat - als Jugendlicher. Ich habe von zwei bis knapp 18 hier gelebt - und das ist schon eine wichtige Zeit.

Was war dann als Sie 18 wurden?

Dann war ich ganz kurz in Regensburg und bin dann nach München zum Studieren an die LMU.

Wenn man nach längerer Zeit wieder zurückkommt und man so erfolgreich ist, wie Sie, dann ist das wahrscheinlich einfach toll, oder?

Ja, das ist schon eine tolle Sache. Und heute kommen ganz viele Menschen, die mich aus früheren Tagen kennen, und die verfolgt haben, wie es mir so erging. Sowas ist ja nicht planbar, so ein Erfolg. Ich merke auch, wie ehrlich die Freude der Leute ist. Viele, mit denen ich Abitur gemacht habe, sind da, meine Familie ist da. Es ist schon ein Stück weit ein Heimspiel, weil ich hier auch ein Stück Heimat habe.

Das heißt, es ist für Sie nicht so, dass schlagartig alles außer München provinziell wirkt?

Ich wohne ja in Giesing und das ist strukturell ähnlich. Man kann es natürlich nicht vergleichen mit Straubing, aber es ist auf jeden Fall auch ein relativ heimeliges, kuscheliges Viertel - obwohl wir derzeit auch stark gentrifiziert werden. Natürlich ist neben dran die U-Bahn, die Trambahn, die Großstadt. Aber in dem Viertel, in dem wir wohnen, ist es fast schon vergleichbar mit Straubing. Heute sind verschüttete Kindheitserinnerungen an meine Zeit hier hochgekommen. Von daher war der Tag für mich ganz spannend.

Diese verschütteten Kindheitserinnerungen waren dann?

Zum Beispiel sind wir damals heimlich auf den Sportplatz vom Lugi gegangen und haben da diverse Sachen gemacht, die nicht so viel mit Sport zu tun hatten. Mehr darf ich nicht erzählen. (lacht lang und herzhaft)

Ganz eigener Charakter

Sie haben mit ihrem Protagonisten, Kommissar Pascha, einen ganz eigenen Charakter geschaffen. Was macht ihn besonders, was macht ihn sozusagen zur Marke?

Ich glaube, es ist einfach diese Mischung aus dem Türkischen und dem Bayerischen, aus Bosporus und dem Millionendorf München. Es ist eine Mischung, die es ja tatsächlich auch gibt - in München und Straubing. Ich bin auch so einer. Es ist also einmal das Türkisch-Bayerische, und dann, dass er authentisch geblieben ist. Bei aller überhöhten Fiktion - Morde, viele Leichen - ist er trotzdem ein Mensch, der auf dem Boden ist. Er hat ein großes Herz, ist eckig und kantig, hat so ein Leck-mich-am-Arsch-Gefühl.

Stand Monaco Franze auch Pate. Oder ist das die falsche Assoziation?

Nein, überhaupt nicht. Ich habe mit dem Regisseur gesprochen, bevor die Verfilmungen losgingen, und habe zu ihm gesagt: ‚Mensch, denk doch mehr an Monaco Franze, als an irgendeinen Tatort-Cop.' Es ist schon dieses Nonchalante, dieses Münchnerische, das er in sich trägt. Also wenn man Vergleiche mit Monaco Franze zieht, dann freut mich das sehr.

Mit politischer Korrektheit hat er es nicht so sehr, ihr Protagonist…

Nein, damit hat er es nicht so sehr. Das gehört sich auch so für einen Münchner Ermittler.

Ist es schwierig, sowas im öffentlich-rechtlichen Fernsehen durchzukriegen?

Nein, überhaupt nicht. Es gibt natürlich eine redaktionelle Betreuung für die Drehbücher, die achten ein Bisschen darauf. Aber es könnte manchmal ruhig ein Bisschen mehr sein, finde ich. In den Romanen ist es auf jeden Fall so.

Sie haben einen filmischen Hintergrund…

Ich habe schon während des Germanistik-Studiums in München an Produktionen mitgearbeitet - an der Hochschule für Fernsehen und Film. Ich habe da bei kleinen und großen Produktionen mitgearbeitet, war Aufnahmeleitung, Komparse, und habe mir als Autodidakt das Handwerk so beigebracht.

Sind ihre Bücher dann filmisch aufgebaut?

Ich schreibe szenisch und filmisch, sagt man mir nach. Weil sozusagen der Film im Kopf abläuft. Mit dem Verfassen eines Drehbuches hat das aber gar nichts zu tun. Was ich schon versuche, das hat aber eher mit der griechischen Dramentheorie zu tun, ist, die Einheit von Zeit und Ort aufrechtzuerhalten. Ich springe nicht so. Und ich erzähle auch, wie die Menschen von a nach b kommen, und sage nicht: ‚Cut - drei Wochen später auf Corfu.' Meine Erzählweise ist schon sehr einheitlich, und das erinnert vielleicht ein bisschen an Film.

Sie haben den Einstieg in den Filmbereich über Kurzfilm genommen…

Genau, drei Kurzfilme habe ich gemacht.

Sie hatten dabei relativ schnell sehr bekannte Menschen, die Sie für Ihre Projekte begeistern konnten.

Das liegt auch daran, dass ich mit Herrn Michael Ballhaus, der kürzlich leider verstorben ist, einen Förderer und väterlichen Kameramann, weltberühmten Kameramann, an meiner Seite hatte. Das war natürlich schon der Türöffner für manche Schauspieler - auf jeden Fall beim ersten Film. Danach habe ich mir die Leute geholt, ohne zu sagen, dass ein gewisser Michael Ballhaus Kamera macht. Sie haben dann einfach mitgespielt, obwohl man kein Geld verdient mit Kurzfilmen. Die Gagen bei dem letzten Film, ‚Triell' hieß der, die wanderten schauspielerseitig in die Kaffeekasse, damit die Techniker ein bisschen Geld abbekommen.

Kaffee und Pfeife

Sie sind jemand, der zwei Kulturkreise in sich verbindet, so ein bisschen vielleicht wie ihr Protagonist? Der sehnt sich teils nach der Türkei. Wie ist es denn bei Ihnen selbst?

Es ist ähnlich. Tatsächlich ist es eine Sehnsucht, von der ich weiß, dass ich sie wahrscheinlich nicht erfüllen kann. Meine Heimat ist natürlich München - ich habe da Familie, zwei Kinder, Wohnung, den ganzen Alltag auch. Aber die Vorstellung, irgendwann mal nach Istanbul zu gehen, die ist schon da. Aber mehr wie eine mittelalterliche Minna, also eine unerfüllte Liebessehnsucht, die immer da ist und einen beschäftigt, obwohl man weiß, dass sie nie wirklich erfüllt werden wird. Was ich schon mache, ist, Istanbul immer wieder zu besuchen, so auch heuer. Meine Kinder sind mittlerweile groß genug, damit sie mitkommen können, und damit sie alles verstehen, was man ihnen zeigt.

Wo nehmen Sie denn die Inspirationen für Ihre Geschichten her?

Es kann ein Foto sein, es kann ein Gesicht sein - wenn ich krampfhaft suche nach Inspiration, dann kommt sie eh nicht. Es fliegt einem einfach zu. Und meist ist es nur ein Zipfelchen von einer Idee. Mehr ist es nicht. Und darum wird dann eine Geschichte gesponnen, die 350 Manuskriptseiten im Durchschnitt hat. Ich schreibe jeden Tag sechs bis acht Stunden.

Das heißt, dass man viel Disziplin beim Schreiben braucht…

Ja, auf jeden Fall. Aber das war bei mir eh noch nie das Problem. Bei Drehbüchern haben mich die Produzenten manchmal gefragt: ‚Was? Bist du schon fertig mit der neuen Fassung?' Dann habe ich gesagt: ‚Ja. Ich mache den ganzen Tag nichts Anderes.'

Das Klischee des Autors, bei dem Schlendrian zum Genius gehört, trifft also bei Ihnen nicht zu.

Das gibt es schon, es trifft aber bei mir nicht zu. Ich sitze auch nicht im Kaffeehaus sondern in meiner dunklen Schreibstube. Da sitze ich dann und rauche eine nach der anderen und trinke Kaffee - das ist dann schon wieder sehr klischeehaft. Ich rauche sogar Pfeife.

Kann man Erfolg als Krimiautor planen und marktgerecht schreiben?

Es wird versucht. Amazon hat zum Beispiel Analysetools, mit denen sie überprüfen können, was den Lesern gefällt und nicht gefällt. Und dann gibt es so Anleitungen für Self-Publisher, in denen steht, was sie schreiben sollen. Da bin ich allerdings nicht so ein Fan von. Ich schreibe das, was ich gut, seltsam, unterhaltsam, spannend finde. Wenn ich zu sehr den Leser dazu einlade, mitzuschreiben, wo lande ich dann? Ich kann das auf jeden Fall nicht.

Was sind denn Ihre nächsten Projekte?

Derzeit bin ich dabei, den sechsten Kommissar-Pascha-Roman zu schreiben, ‚Mordslust' heißt der. Momentan ist der Text im Lektorat, wenn alles wie geplant läuft, dann wird er im März 2018 rauskommen. Und dann werde ich, so wie ich mich kenne, den nächsten Roman angehen. Mir macht das Schreiben einfach viel Freude.