Interview mit 8 Lehrern

Weltlehrertag: Wie sie wurden was sie sind


Ein Schüler an einem Gymnasium meldet sich im Unterricht. Foto: Armin Weigel/Archiv

Ein Schüler an einem Gymnasium meldet sich im Unterricht. Foto: Armin Weigel/Archiv

Von Redaktion idowa

Am Samstag, 5. Oktober, ist Weltlehrertag. Wir haben einige Menschen, die der Spezies "Lehrer" angehören, getrennt voneinander befragt.

Wir wollten wissen, was sie zu ihrer Berufswahl bewegt hat, ob sich der Unterricht und die Anforderungen an Lehrer in den vergangenen Jahren verändert haben und an welche Momente aus ihrem Berufsleben sie sich immer erinnern werden. Die Antworten der Lehrer gibt es hier.

Florian Kopp (Deutsch, Latein, Geschichte, Sozialkunde) am Anton-Bruckner-Gymnasium in Straubing

"Ich bin seit 2010 Lehrkraft - einer meiner eigenen Lehrer hatte starke Vorbildwirkung für mich: Er hat in meinen Augen den Spagat zwischen der Vermittlung seiner Fächer und der Betreuung seiner Schüler perfekt gelöst, hat es immer geschafft, Faszination in den Schülern für seine Unterrichtsinhalte zu wecken und dabei trotz aller Tiefe in der Vermittlung nie seine Zielgruppe aus den Augen verloren. Diese besondere Mischung hat für mich den Ausschlag gegeben, den gleichen Weg einzuschlagen ..."

sized

Florian Kopp vom Anton-Bruckner-Gymnasium in Straubing ist überzeugt: "Schule ist ständig dazu aufgefordert, sich permanent neu zu denken und zu erfinden."

sized

Schwester Ursula, Leiterin der Ursulinen-Realschule in Straubing, hatte einfach das Gefühl, dass der Lehrerberuf das Richtige für sie ist.

sized

Eva Geppert, zweite Konrektorin der staatlichen Realschule in Landshut, möchte ihren Schülern auch "Pünktlichkeit, Offenheit und Toleranz" beibringen.

sized

Der Schulleiter des Hans-Carossa-Gymnasiums in Landshut, Markus Heber, stand einmal verblüfft vor einer gespaltenen Toilette. Zwei Schüler wollten sehen, was passiert, wenn sie einen Kracher hineinwerfen.

sized

Als Lehrer an der Johann-Brunner-Mittelschule in Cham ist sich Johann Pongratz sicher: "Lehrersein hält ziemlich jung."

sized

Uwe Misslinger leitet das Fraunhofer-Gymnasium in Cham und beobachtet ein gestiegenes "Hinterfragen von Noten und Lehrerverhalten".

"Schule ist ständig dazu aufgefordert, sich permanent neu zu denken und zu erfinden - ihre Zielgruppe - junge Menschen, ihre Lebenswelt und ihre Bedürfnisse - genau ins Auge zu fassen und sich in Abstimmung mit den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Lernen und Lehren immer wieder aufs Neue auf sie einzustellen. Im gleichen Tempo, wie sich also Lebens- u. Berufswelt unserer Schüler verändern, müssen wir das auch tun - hier Schritt zu halten, ist eine spannende und wichtige Herausforderung ..."

"Die Tätigkeit als Lehrer hält im sozialen Miteinander des Unterrichtsgeschehens Tag für Tag viele schöne und witzige Momente bereit - eine der vielen Umstände, die den Beruf auch so lohnenswert machen. Ein besonderer Moment ist für mich jedes Mal aufs Neue, wenn Schüler, die man bereits in der 5. Klasse unterrichtet hat, acht Jahre später als junge Erwachsene in Anzug/ Kleid im Rahmen ihrer Abiturentlassung sich anschicken, die Schule in Richtung Universität oder Beruf zu verlassen ..."

Schwester Ursula, Schulleiterin der Ursulinen-Realschule in Straubing

"Die Arbeit mit jungen Menschen hat mich schon immer gereizt und ich hatte einfach so ein Gefühl, dass es das Richtige ist."

"Die Anforderungen haben sich deutlich verändert, beispielsweise mit der Digitalisierung. Zudem sind die jungen Menschen von der Familie anders geprägt als noch vor 20 oder 25 Jahren. Der Blick richtet sich heutzutage stärker auf das Individuum und das müssen die Lehrer auch im Unterricht berücksichtigen. Das ist eine große Herausforderung, aber machbar."

"Vor Jahren, als Eli Erl die Ausscheidung für "Deutschland sucht den Superstar" gewonnen hatte, wurde als Aprilscherz die Durchsage gemacht, dass Eli in der Pause im Hof des Gymnasiums ein Konzert gibt. So schnell liefen die Schülerinnen noch nie in die Pause. Zum "Trost" bekamen dann alle, die es wollten, eine Autogrammkarte von Eli."

Weltlehrertag: Wie sie wurden was sie sind (2)

Eva Geppert, zweite Konrektorin an der staatlichen Realschule Landshut

"Ich bin seit 2001 Lehrerin und seit 2011 auch in der Schulverwaltung tätig. Schon früher habe ich in der Schule immer gerne Klassenkameraden etwas erklärt, das hat mir einfach Spaß gemacht. Da lag der Lehrerberuf nahe."

"Grundsätzlich glaube ich nicht, dass sich etwas bei den Anforderungen verändert hat. Man muss eine Beziehung zu den Schülern aufbauen und für Fragen zur Verfügung stehen. Neben dem Fachlichen sollte man den Schülern auch Werte wie Pünktlichkeit, Offenheit und Toleranz beibringen."

"Einen bestimmten Moment gibt es eigentlich nicht. Jeden Tag gibt es Kleinigkeiten, die mich daran erinnern, warum ich den Beruf ergriffen habe. Es müssen nicht immer die großen Sachen sein."

Markus Heber, Schulleiter am Hans-Carossa-Gymnasium in Landshut

"Ich bin seit 1993 Lehrer. Ich bin am Dorf groß geworden und hatte dort schon immer mit jungen Menschen zu tun. Dann habe ich Griechisch, Latein und Deutsch studiert und stand vor der Frage, an der Universität zu bleiben oder mit Kindern zu arbeiten. Ich habe mich für die Kinder entschieden. Meine Entscheidung habe ich nie bereut, gerade weil man die Schüler in vielen Lebensphasen begleiten kann."

"Anspruchsvoll war der Beruf immer schon, aber die Schwerpunkte haben sich verlagert. Die Elternschaft ist kritischer geworden. Meine eigenen Eltern kamen noch eher selten in die Schule. Eltern hinterfragen heutzutage schulische Entscheidungen häufiger. Bei den Schülern ist zu beobachten, dass sie unruhiger sind und sich nicht mehr so lange konzentrieren können. Das liegt wohl an den digitalen Medien und der Vielfalt der Reize. Hier müssen die Lehrer für mehr Abwechslung sorgen. Grundsätzlich muss man als Lehrer Kinder und junge Menschen mögen. Das Pädagogische im Lehrerberuf wird oft unterschätzt."

"Das ist schon einige Jahre her. Zwei Schüler wollten sehen, was passiert, wenn man einen Kracher in die Toilette wirft. Dabei haben sie die physikalischen Gesetze unterschätzt. Sie haben sogar noch den Deckel geschlossen und beschwert, so dass sich der Druck nicht abbauen konnte. Als ich vor der mittig gespaltenen Toilettenschüssel stand, musste ich mir das Lachen verkneifen. Die Situation war einfach skurril. Hinterher hat es seitens der Schule auch geknallt, denn so etwas geht natürlich nicht."

Barbara Hofmockel-Nikola, Schulleiterin an der Mittelschule St. Nikola in Landshut

"Meine eigene Schulzeit war geprägt von guten Lehrerinnen und Lehrern und schon von daher hat mich dieser Beruf fasziniert. Und Kinder sind etwas Wunderbares."

"Lehrer müssen sich heute mit erheblich mehr mit Anforderungen aus der Gesellschaft auseinandersetzen. Gesunde Ernährung, Wertevermittlung und Erziehung, ausreichend Bewegung, sinnvoller Umgang mit Medien, Internet, "social media-Verwendung", Inklusion und Integration und vieles mehr, gehört heute, neben der Wissensvermittlung, zum Aufgabenbereich des Beruf."

"Besonders schön ist das erste Klassentreffen nach Jahren, wenn ehemalige Schüler sich gern an die gemeinsame Zeit erinnern und ihre beruflichen Erfolge auch auf ihre Schulzeit zurückführen."

Weltlehrertag: Wie sie wurden was sie sind (3)

Josef Maier, Schulleiter der Maristen- und Gerhardinger-Realschulen in Cham

"Ich habe 1982 mit dem Referendariat begonnen. Ich war selber an der Realschule. Dort hat es mir so gefallen, dass ich als Lehrer weitermachen wollte. Nach der mittleren Reife besuchte ich deshalb die Anschlussklasse und holte das Abitur nach."

"Da sind immer neue Lehrpläne herausgekommen. Jetzt ist Kompetenzleistung gefragt. Da ist nicht mehr entscheidend, eine Fülle von Wissen zu vermitteln. Heute ist der Knackpunkt, dass Schüler das vermittelte Wissen verstehen. Es geht auch darum, Techniken zu entwickeln, um mit der Informationsfülle zurechtzukommen und der Lehrer muss auf die sich daraus ergebenden Erfordernisse vorbereiten."

"Da war zum Beispiel eine recht witzige Sache. Ich war als Referendar im Religionsunterricht für eine 10. Mädchenklasse. Da stand eine Stegreifaufgabe an und an der Tafel stand noch vom vorherigen Unterricht etwas in Steno. Ich wollte es wegwischen lassen, doch die Mädls meinten, sie wollten erst die Ex schreiben. Ich wollte dann meine Steno-Kenntnisse aus der Realschule testen und erkenne an der Tafel den abgeschriebenen Hefteintrag. Da habe ich die Ex eingesammelt und später eine andere geschrieben."

Johann Pongratz, Lehrer an der Johann-Brunner-Mittelschule in Cham:

"Ich bin Lehrer seit Februar 1984. Ich mag den Umgang mit Menschen und außerdem bin ich auch selber gerne zur Schule gegangen. Mir kam zu Pass, dass damals die Umstellung von der pädagogischen Schule auf Uni stattfand und man Fächerkombinationen studieren konnte. Für mich war das perfekt und ich bereue nichts. Lehrersein hält ziemlich jung."

"Die Umwelt belastet Schüler weit mehr als früher. Damals saß ein Schüler vielleicht mal zu lange vor dem Fernseher, heute sind die elektronischen Medien vielfältiger und verlangen Aufmerksamkeit. Geändert haben sich auch die Anforderungen fürs Berufsleben, die sind größer geworden. Was aber in etwa gleich geblieben ist, ist der Prozentsatz schwieriger Schüler und das Leistungsvermögen der Schüler."

"Ja mei. Da müsste ich eine Liste machen. Ehrlich gesagt, erwischen Sie mich da auf dem kalten Fuß. Kuriose Ereignisse gab's viele, da bin ich überfragt, welche ich nehmen soll. Was allerdings schön ist: Bei Klassentreffen zu sehen, wie sich die ehemaligen Schüler entwickelt haben."

Uwe Mißlinger, Schulleiter am Fraunhofer-Gymnasium in Cham:

"Ich bin Lehrer seit 1999. Ich wollte unbedingt Sport studieren und nachdem ich vom Verein komme und früh Trainererfahrung sammelte, war das der Weg hin zum Lehrer."

"Ich glaube, man muss Unterschiede zwischen ländlichem Raum und Ballungszentren machen. Im Ballungsraum ist der Autoritätsverlust ernstzunehmender. Bei uns ist es noch gut, aber es das Hinterfragen von Noten und Lehrerverhalten ist mehr geworden. Und das ist gut so, weil so auch Defizite verbessert werden konnten. Lehrer sind inzwischen im Unterricht auch mehr geworden. Tafelanschrift und Overheadfolien auflegen, langt nicht mehr. Beim Unterrichten muss man auf Höhe der Zeit sein, um bei den Schülern anzukommen - und nicht beim Umgang mit digitalen Medien ins Schleudern kommen, weil dann erntet man ein Augenrollen."

"Definitiv. Das sind gar nicht so wenige. Aber was in meinem Fall immer zu kuriosen Verwicklungen führt, ist, dass ich in einer Stadt Lehrer und Schulleiter bin, wo ich schon immer lebte. Ein Schüler fragte mich in der fünften Klasse einmal ob er mich in der Schule Duzen oder Siezen solle (Anm. d. Redaktion: Mißlinger trainierte den Schüler im Fußball). Damit hätte er den Rahmen abstecken wollen, um nicht gleich irgendwie in Schwierigkeiten zu kommen. Wir einigten uns dann darauf, dass er mich an der Schule siezen solle - eigentlich war alles klar. Als er sich dann aber verabschiedete, fiel er trotzdem wieder ins "Du"."