Interview

Anton Hofreiter: "Dieseltechnologie hat keine große Zukunft


Grünen-Bundestagsfraktionsvorsitzender Anton Hofreiter fordert eine staatliche Mengenregulierung bei der Milchproduktion.

Grünen-Bundestagsfraktionsvorsitzender Anton Hofreiter fordert eine staatliche Mengenregulierung bei der Milchproduktion.

Von Jens Knüttel

Anton Hofreiter ist wegen seiner Forderungen nach einer Agrarwende beim Bauernverband zum Feindbild geworden. Der Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion plädiert für die Abkehr von der industriellen Massentierhaltung - und das innerhalb von 20 Jahren. "Am Ende werden die Bauern massiv profitieren, weil sie für ihre Arbeit wieder einen anständigen Preis kriegen", sagt Hofreiter im Interview mit unserer Zeitung.

Herr Hofreiter, für viele Bauern sind Sie mit Ihrer Forderung nach einer Agrarwende zum Feindbild geworden. Treibt Sie das bei Ihrem Einsatz für eine ökologische Landwirtschaft noch zusätzlich an?

Hofreiter: Wenn ich persönlich mit Bauern spreche, sagen ganz viele: "Sie haben recht. Wir müssen etwas ändern." Wie dringend das nötig ist, zeigt doch schon, dass der Milchpreis im Keller ist und die Bauern auch für ihre Schweine nicht mehr angemessen bezahlt werden. Viele Landwirte stimmen längst nicht mit den Ansichten der Lobbyorganisation Deutscher Bauernverband überein. Kein Wunder, denn der hat nur die Interessen der Agroindustrie im Auge.

Sie treten dafür ein, die Massentierhaltung in den nächsten 20 Jahren abzuschaffen. Wie soll das denn in dieser vergleichsweise kurzen Zeit funktionieren?

Hofreiter: Wir haben jährlich über fünf Milliarden Euro Steuergeld für die Landwirtschaft zur Verfügung - also in 20 Jahren 100 Milliarden Euro. Diese Gelder müssen wir gerechter verteilen, um den Bauern Anreize für den Ausstieg aus der industriellen Massentierhaltung zu bieten. Dann wird die Abkehr auch gelingen. Im Moment bekommen noch drei Prozent der größten Höfe 25 Prozent des Steuergeldes. Das darf so nicht weitergehen, eine Kappung ab einer bestimmten Betriebsgröße ist sinnvoll. Davon würden in Bayern gerade kleine und mittelständische Betriebe profitieren.

Was soll sich noch ändern?

Hofreiter: Darüber hinaus brauchen wir eine klare Kennzeichnung von Fleisch - ähnlich wie bei Eiern. Momentan erfolgt nur eine Differenzierung zwischen konventionellen Erzeugnissen und Bio-Produkten. Dabei halten auch viele konventionelle Landwirte ihre Tiere sehr anständig - ich will, dass der Verbraucher das auch erkennt, um bewusster einkaufen zu können.

Wollen die Grünen den Bauern damit nicht viel zu viel zumuten?

Hofreiter: In 20 Jahren ist die Abkehr von der industriellen Massentierhaltung durchaus realistisch. Am Ende werden die Bauern massiv profitieren, weil sie für ihre Arbeit wieder einen anständigen Preis kriegen.

Entscheidende Bedeutung für die Umsetzung einer Agrarwende kommt dem Verbraucher zu. Glauben Sie ernsthaft, dass breite Gesellschaftsteile künftig nur auf Premiumprodukte setzen werden? Immerhin greifen viele Bürger selbst nach Lebensmittelskandalen zu den Billigwaren im Regal.

Hofreiter: Das entscheidende Mittel ist eine klare Kennzeichnung: Stellen Sie sich vor, es liegen zwei Fleischstücke in der Theke, das eine kostet 3,99 Euro, das andere 4,99 Euro - und es ist auf den ersten Blick kein Qualitätsunterschied zu erkennen. Dann ist es nachvollziehbar, dass der Verbraucher zum billigeren Produkt greift. Im Moment wird bei konventionellem Fleisch leider so getan, als sei es zwar unterschiedlich teuer, aber eigentlich alles gleich gut. Das ist doch Quatsch. Offensichtlich ist auch, dass die Nachfrage nach Bioprodukten immer stärker anzieht.

Ein massiver Absturz des Milchpreises hat Tausende Bauern in Bedrängnis gebracht. Wo sehen Sie den Ausweg aus der Misere?

Hofreiter: Wir brauchen eine staatliche Mengenregulation - aber nicht durch die alte, starre Milchquote. Wenn die Produktion zum Beispiel bei 104 Prozent liegt und damit höher als die Nachfrage ist, müssen wir einen Mechanismus einführen mit dessen Hilfe letztlich bei allen Produzenten die Menge um vier Prozent reduziert wird. Wir Politiker sprechen da von einem "atmenden Deckel". Der kann sich kurzzeitig mal heben, senkt sich aber dann auch rasch wieder. Der Effekt ist, dass sich automatisch der Preis stabilisiert und die Produktion ins Gleichgewicht kommt. Wie viel Milch eine Kuh gibt, ist relativ gut über die Futterart steuerbar.

Beim Deutschen Bauernverband dürfte die Vorstellung eines Agrarministers mit dem Namen Hofreiter für Entsetzen sorgen. Könnten Sie sich das Amt nach der Bundestagswahl 2017 dennoch vorstellen?

Hofreiter: Zunächst arbeite ich daran, dass wir Grüne 2017 möglichst stark werden, damit wir unsere Politik auch umsetzen können. Das ist das Entscheidende, nicht Posten. Agrarpolitik ist in meinen Augen ein ganz zentrales Thema: Es geht am Ende darum, wie wir Milliarden Menschen auf diesem Planeten ernähren können ohne gleichzeitig unsere Lebensgrundlagen zu zerstören. Wir Grünen wollen Agrarpolitik für die Menschen machen, für die Umwelt, für die Bauern und nicht für Lobbyverbände.

Vereinzelt haben Großstädte zuletzt Fahrverbote für besonders umweltschädliche Dieselautos ins Spiel gebracht. Reicht das Ihrer Meinung nach aus?

Hofreiter: Die Möglichkeit zur Einführung einer blauen Umweltplakette bei Dieselautos halte ich für sinnvoll. Wir müssen letztlich aber dafür sorgen, dass alle Fahrzeuge auf deutschen Straßen und nicht nur in abgegrenzten Innenstadtbereichen die Grenzwerte einhalten, um so die Gesundheit der Menschen zu schützen. Durch die Luftverschmutzung wird es wohl zu Tausenden vorzeitigen Todesfällen kommen. Daher muss man die Autoindustrie zur Einhaltung der Grenzwerte auch außerhalb der Labore zwingen. Da zeigt sich im Moment das krasse Versagen von Verkehrsminister Alexander Dobrindt.

Der Ruf des Diesels hat in letzter Zeit massiv gelitten, gerade für VW ist der Abgasskandal noch lange nicht ausgestanden. Welche Zukunft hat die Diesel-Technologie?

Hofreiter: Die Diesel-Technologie für den Pkw hat keine große Zukunft. Ich erwarte von der Autoindustrie, dass sie auf moderne Null-Emissions-Fahrzeuge setzt. Das ist ganz entscheidend für den Erhalt der Arbeitsplätze. Denn die Branche sollte nicht so enden wie die Energiekonzerne Eon oder RWE nach dem Atom-Ausstieg.

Das Interesse an der Kaufprämie für Elektroautos ist weiter verhalten. Geht die Maßnahme der Bundesregierung an den Anforderungen der Verbraucher vorbei?

Hofreiter: Die Maßnahme allein reicht nicht aus. Wir brauchen eine Mobilitätsstrategie, die Prämie kann da nur ein Baustein sein. Erforderlich sind vernünftige Car-Sharing-Angebote, eine ausreichende Ladeinfrastruktur und eine bessere Abstimmung von öffentlichen und privaten Verkehrsmitteln. Da hakt es momentan gewaltig.