Wüst: Keine halben Sachen

Corona-Gipfel berät über strengere Regeln


Von mit Material der dpa

Bund und Länder haben einen umfangreichen Instrumentenkasten, um das Coronavirus einzubremsen. Nun wollen Bund und Länder beschließen, welche Werkzeuge in diesem Winter tatsächlich zum Einsatz kommen.

NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) hat vor der Bund-Länder-Runde an diesem Donnerstag ab 11 Uhr konsequente Entscheidungen im Kampf gegen die dramatisch hohen Corona-Zahlen verlangt. "Wir dürfen heute in der Ministerpräsidentenkonferenz keine halben Sachen machen, sondern müssen die vierte Welle entschlossen brechen", sagte der aktuelle Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.

"Die Länder brauchen dazu den bewährten Instrumentenkasten der Pandemiebekämpfung." Er sei auch dankbar, dass der voraussichtliche Nachfolger von Angela Merkel (CDU) im Kanzleramt, Olaf Scholz (SPD), zugesagt habe, das Infektionsschutzgesetz erneut spürbar nachzubessern. "Das muss jetzt aber auch konsequent geschehen", betonte Wüst.

Bereits am Dienstag hatten Bund und Länder sich grundsätzlich auf strengere Corona-Regeln geeinigt, nun wollen Merkel, Scholz und die 16 Ministerpräsidenten die bisherigen Maßnahmen verschärfen, um die stark steigenden Infektionszahlen in den Griff zu bekommen. Dabei liegt eine Reihe von Vorschlägen auf dem Tisch.

Die Vorschläge im Überblick

  • Einkaufen: Weitgehende Einigkeit herrscht über eine Ausweitung der 2G-Regel auf den Einzelhandel. Zutritt zu den Läden hätten dann nur noch Geimpfte und Genesene. Ausnahmen sind nur für Läden des täglichen Bedarfs wie Supermärkte, Drogerien und Apotheken vorgesehen.
  • Lockdown: Für Regionen mit einer hohen Inzidenz zeichnet sich die Schließung von Clubs und Diskotheken ab, weil dort die Ansteckungsgefahr als besonders groß gilt. Restaurants bleiben wohl vorerst offen, aber auch hier ist die Möglichkeit von regionalen Schließungen im Gespräch.
  • Stadion: Die zulässige Teilnehmerzahl bei Großveranstaltungen soll stark begrenzt werden. Das gilt vor allem auch für Fußballspiele. Volle Bundesligastadien soll es bis auf Weiteres nicht mehr geben. Unklar ist, ob man generell auf "Geisterspiele" setzt. In Sachsen wird das schon praktiziert, Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hat ähnliche Pläne. Fraglich ist, ob Bundesländer mit geringeren Infektionszahlen mitziehen.
  • Impfungen: Bis Weihnachten sollen 30 Millionen Erst-, Zweit- und Booster-Impfungen durchgeführt werden. Dafür sollen mehr Berufsgruppen als bisher zur Impfung berechtigt sein, vor allem Apotheker und Zahnärzte. Da der Impfschutz nach einer gewissen Zeit nachlässt, wird auch eine Regelung erwogen, wonach Geimpfte ihren Impfstatus nach einer gewissen Zeit wieder verlieren.
  • Kontaktbeschränkungen: Ungeimpfte sollen sich mit möglichst wenig Menschen treffen, um niemanden anzustecken. Details dazu sind noch unklar. Möglich ist etwa, dass sich nur maximal fünf ungeimpfte Personen aus zwei Hausständen treffen dürfen oder dass Treffen, an denen Ungeimpfte teilnehmen, grundsätzlich auf den eigenen Haushalt sowie zwei Personen eines anderen Haushalts beschränkt werden.
  • Impfpflicht: Um Alte und Kranke vor einer Ansteckung zu schützen, sollen die Beschäftigten in Kliniken und Pflegeheimen zur Corona-Impfung verpflichtet werden. Eine solche Regelung könnte relativ rasch kommen. Erst für Februar oder März wird eine allgemeine Impfpflicht angepeilt, der Bundestag soll darüber entscheiden. Ein rascher Effekt auf Impfquote und Infektionsgeschehen ist also nicht zu erwarten.

Scholz plädiert dafür, die Impfung gegen Covid-19 verpflichtend zu machen. Einen Fraktionszwang soll es im Bundestag bei der Abstimmung nicht geben. Scholz rief am Mittwochabend eindringlich zum Impfen auf. "Nur das hilft", sagte der SPD-Politiker in der ProSieben-Sendung "Joko und Klaas 15 Minuten live". Die beiden Entertainer haben viele Schüler und Studenten unter ihren Fans.

Scholz sagte weiter: "Neu in dieser vierten Welle ist: Die Linie zwischen denen, die nach einer Covid-Erkrankung einen milden oder einen sehr schweren Verlauf haben, geht nicht mehr zwischen Alten und Jungen, sondern zwischen Geimpften und Ungeimpften. Und dabei muss jeder wissen: Wer sich nicht impfen lässt, gefährdet sich selbst, gefährdet Kinder und alle seine Mitmenschen, die sich aufgrund von Vorerkrankungen nicht impfen lassen können."

Nicht jeder von Impfpflicht überzeugt

Eine allgemeine Impfpflicht bleibt unterdessen umstritten. Der CDU-Vorsitzkandidat Norberg Röttgen sagte am Mittwochabend bei einer CDU-Veranstaltung, er habe sich zu einer Impfpflicht durchgerungen. Unionsfraktionsvize Carsten Linnemann betonte dagegen im "Bild"-Talk "Viertel nach Acht": "Ich finde, die Debatte kommt zur Unzeit, und ich bin selbst davon nicht überzeugt."

FDP-Fraktionsvize Michael Theurer wandte sich in der "Augsburger Allgemeinen" (Donnerstag) ebenfalls gegen eine Impfpflicht. In der FDP-Fraktion gibt es auch andere Ansichten. Aus Sicht des SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach sollten Kinder bei einer Impfpflicht außen vor bleiben, wie er bei RTL/ntv betonte.

Patientenschützer rechnen mit Milliardenkosten bei Umsetzung einer Impfpflicht. Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, sagte der dpa mit Blick auf Booster-Impfungen, es brauchte dann eine Infrastruktur, die allein 2022 halbjährlich Impfungen für Millionen Menschen gewährleiste. Das könnten die Hausärzte nicht zusätzlich leisten. Nötig wäre der Aufbau von mindestens 400 Impfzentren.

Der Handelsverband Deutschland befürchtet durch 2G-Regeln Umsatzverluste von bis zu 50 Prozent für die betroffenen Firmen. "Das ist nach den ohnehin schon kräftezehrenden Lockdowns der vergangenen Monate für viele nicht zu verkraften", sagte Hauptgeschäftsführer Stefan Genth der Funke Mediengruppe. Lauterbach verteidigte in der "Rheinischen Post" 2G-Regeln für das öffentliche Leben, auch im Handel. Für die Gastronomie sollte sogar 2G plus gelten, forderte er. Damit bräuchten Geimpfte und Genesene zusätzlich einen negativen Corona-Test.