Handelsverband Bayern

„50 Prozent weniger Laufkundschaft unterwegs“


Bernd Ohlmann vom Handelsverband Bayern spricht von einem Kaltstart des Handels.

Bernd Ohlmann vom Handelsverband Bayern spricht von einem Kaltstart des Handels.

Wie ist das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtes vom Montag einzuschätzen? Wie lief der erste Tag im Einzelhandel? Was sind die kurzfristigen Perspektiven? Bernd Ohlmann, Sprecher des Handelsverbands Bayern, gibt Antworten.

Herr Ohlmann, wie bewerten Sie das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes vom Montag, wonach das Verkaufsverbot für große Geschäfte verfassungswidrig ist? Das Gericht hat zwar so geurteilt, die Vorschrift wegen der aktuellen Notlage aber nicht außer Kraft gesetzt.

Bernd Ohlmann: Das Urteil ist ein Muster ohne Wert, das muss man ganz klar sagen. Es wurde entschieden, dass die 800 Quadratmeter-Regelung verfassungswidrig ist, das hat aber keine praktischen Auswirkungen. Zunächst bis zum 3. Mai, muss man dazu sagen. Die großen Händler, also diejenigen über 800 Quadratmeter, müssen erst noch geschlossen bleiben.

Welche Bedeutung hat die Entscheidung für den Handel dann über das Symbolische hinaus?

Ohlmann: Markus Söder hat ja nun schon gesagt, dass er darauf reagieren wird. Aber in dieser Woche noch nicht. Ich bin gespannt, was dann kommt. Für den bayerischen Einzelhandel wird sich vermutlich dann in der nächsten Woche etwas ändern. In jedem Fall hat das Gericht die Unrechtsbehandlung moniert. Es gilt das Gleichheitsgebot nach dem Grundgesetz. Weshalb soll ein 10.000 Quadratmeter Möbler nicht genauso die Hygiene- und Abstandsregelungen einhalten können, wie ein 100 Quadratmeter Betrieb? [Anm. d. Red.: Nach dem Interview gab die Staatsregierung bekannt, dass größere Läden auch öffnen dürfen, wenn sie ihre Verkaufsfläche begrenzen. Inwiefern große Geschäfte diese Möglichkeit wahrnehmen, bleibt abzuwarten]

Gab es Probleme bei der Wiedereröffnung der Läden am Montag?

Ohlmann: Laut Rückmeldung von Betrieben in Niederbayern und der Oberpfalz hat es keine nennenswerten Probleme gegeben. Die Kunden haben sich daran gehalten, sie waren mit Masken unterwegs. Die Händler haben sich gut vorbereitet. Es gab ja auch schon im Lebensmitteleinzelhandel kaum Probleme, abgesehen von einigen schwarzen Schafen. Wenn der Handel alles an Maßnahmen gut mitträgt und einhält was Maskenpflicht und Hygiene- und Abstandregeln betrifft, dann haben wir gute Gründe gegenüber der bayerischen Staatsregierung, dass die Großen auch öffnen können. Wenn der bayerische Ministerpräsident sieht, dass es gut läuft und dass es keine Probleme gibt, dann haben wir einige Trumpfkarten.

Wie bewerten Sie den Auftakt von der wirtschaftlichen Seite her?

Ohlmann: Es war kein Massenandrang, aber damit haben wir gerechnet. Wie soll jemand in der jetzigen Situation in Shopping-Laune kommen. Es war ein Kaltstart sowohl für den Handel, als auch für den Kunden. Es ist aber wieder ein kleines Stück mehr Normalität. In den Fußgängerzonen war geschätzt 50 Prozent weniger Laufkundschaft unterwegs, als an einem normalen Montag. Umsatzmäßig liegt man bei einem Anteil von 40 bis 60 Prozent im Vergleich zu einem normalen Montag. Aber das variiert natürlich sehr stark von Geschäft zu Geschäft. Und es gestaltet sich in Großstädten wie Regensburg, Augsburg oder München anders als in kleineren Kommunen. In den Großstädten lebt der Handel auch sehr stark von den Touristen. Insgesamt gab es in jedem Fall keinen großen Andrang. Es hat natürlich auch keine Gastronomie geöffnet - mit der Frau zwischendurch einen Cappuccino trinken oder ein Bier - das fällt derzeit noch alles flach. Unser Wunsch ist, dass sich jetzt alles ein Stück weit normalisiert. Wir kucken jetzt mit großer Spannung und Erwartung auf den kommenden Samstag - also auf den ersten Haupteinkaufstag in der Corona-Krise. Es ist auch ein Tag nach einem Feiertag.

Was erwarten Sie für den Samstag?

Ohlmann: Ich möchte nicht zu pessimistisch sein, aber auch nicht zu große Erwartungen schüren. Die Erfahrung aus den anderen Bundesländern, die uns eine Woche voraus sind, zeigen, dass die Frequenzen bei weitem nicht das normale Niveau erreicht haben. Und auch die Umsätze nicht. Aber: Besser wenig Umsatz, als gar kein Umsatz. Vielen steht ja das Wasser bis zum Hals. Da kommt es auf jeden Cent an. (…) Wir waren etwas enttäuscht, dass die bayerische Staatsregierung im Gegensatz zu den anderen Bundesländern das Ganze eine Woche später gemacht hat. Aber gut, es gibt Gründe - man ist am meisten betroffen, hat die höchsten Infektionszahlen.

Die Krise hat unter anderem aufgezeigt, dass vielfach noch Handlungsbedarf im digitalen Raum bei den Handelsunternehmen besteht? Sehen Sie aktuell, dass die Betriebe investieren, um diesen Bereich entsprechend zukunftsfähig zu gestalten?

Ohlmann: Wenn die Corona-Krise für den Einzelhandel überhaupt irgendetwas Positives hätte, dann wäre es, dass viele aufgewacht sind, die vorher eine Online-Allergie hatten. Viele haben in der Corona-Krise versucht, schnell nachzurüsten, teilweise auch überstürzt. Gerade auch kleinere Händler haben gemerkt: Online ist ja nicht nur eine Bedrohung, sondern online ist ja auch eine Chance. Insofern hat sich hier etwas getan. 80 Prozent der Händler haben eine eigene Website, 30 Prozent verkaufen auch über das Internet. Die letztere Zahl steigt leicht. Allerdings bedeutet das nicht, dass diese 30 Prozent eigene Webshops haben. Das Ganze muss bezahlbar sein, es kostet Manpower. Online-Verkaufen bedeutet etwa über die großen Marketplace wie ebay und amazon. Aktuell denken Unternehmen über Online-Lösungen nach, für die das bis vor fünfeinhalb Wochen kein Thema war. Allerdings muss man das auch nach diesem Betriebsausfall erst einmal stemmen können.

Mit was rechnen Sie in den nächsten Wochen? Grundsätzlich mit einer schnellen Erholung des Handels oder rechnen Sie mit einer Insolvenzwelle?

Ohlmann: Es kann sowohl das eine, als auch das andere kommen. Es wird sicher leider den einen oder anderen Betrieb treffen, der diese Durststrecke nicht überstehen kann. In welchem Ausmaß, das kann ich nicht sagen. Vielleicht kam für viele die Öffnung gerade noch in letzter Minute, sodass es jetzt wieder bergauf geht. Es kommt alles darauf an, wie es weitergeht. Ganz entscheidend ist, dass die größeren Geschäfte auch nachziehen können - und das nicht nur für sie selbst, denn die größeren Geschäfte sind Frequenzmagneten. Wo ein Großer auf hat und vielleicht andere drum herum sind, zieht das Kunden an. Der Handel hatte täglich einen Ausfall in Höhe von 185 Millionen Euro bis zu dem Zeitpunkt, als die Gartenmärkte wieder aufgemacht haben. Diese Wochen werden wir auf das Jahr gesehen nicht mehr aufholen. Wir hatten immer gesagt, dass wir in Bayern ein Plus von drei Prozent erzielen in diesem Jahr. Das ist Stand jetzt nicht zu erreichen. (…) Das alles entscheidende Kriterium ist: Wie entwickeln sich die Fallzahlen? Die Hiobsbotschaften drücken auf die Verbraucherstimmung. In welche Richtung die Entwicklung geht, ob das eine oder das andere kommt, das kann man jetzt noch nicht sagen.