Großbritannien

Was junge Leute über den Brexit denken


Wir haben mit jungen Menschen über den Brexit gesprochen.

Wir haben mit jungen Menschen über den Brexit gesprochen.

Von Redaktion Freistunde

Heute ist Brexit-Tag: Großbritannien verlässt die EU. Was zuerst mal recht weit weg klingt, hat für viele Briten Folgen, genauso wie für Iren und Deutsche, die in Großbritannien leben. Wir haben uns umgehört.

Ben White. Foto: privat

"A terrible shame"

Ben White ist Engländer, lebt mittlerweile aber in München. Der 29-Jährige ist Software-Entwickler.

"It is a terrible shame that we decided to leave the EU rather than stay and improve on the issues that we and other nations complain about. As a young person who benefited from working in London with its diverse, EU-centric economy I of course wanted to remain but I completely see how people living near my hometown in the north feel left behind by Europe and are desperate for any sort of change. To be honest, the only effect is that everyone in Germany asks me about Brexit instead of the Royal Family! Just generally being a bit uncertain of what the future looks like as non-EU citizen is the main worry."

Eine deutsche Übersetzung des Statements findest du hier.

"Benefit the richest"

Luise ist 27 Jahre alt und kommt ursprünglich aus Bayern. Vor einigen Jahren ist sie zum Studieren nach Edinburgh, Schottland, gezogen.

"In my opinion Brexit is a scam designed to avoid EU tax regulations and to benefit the richest of the rich. It already has and will continue to disempower the most vulnerable in our society while the political spectrum moves further to the far right. I am lucky enough to have lived in Britain for long enough, but I still worry that not being a British national will impact my chances in the job market and that health insurance fees will rise for immigrants like me. I have lived with a background anxiety ever since the referendum that never quite lets me feel at home. I have seriously considered leaving the country twice."

Eine deutsche Übersetzung des Statements findest du hier.

Magdalena Schmidbauer. Foto: privat

"Ein großer Fehler"

Magdalena Schmidbauer ist im September 2016 für ihr Studium nach London gezogen. Die 23-Jährige kommt aus Oberwalting bei Straubing.

"Persönlich halte ich den Brexit für einen großen Fehler. Ich kann den Grundgedanken dahinter zwar verstehen. Aber ich glaube, dass er am Ende für die meisten Menschen nichts Gutes bringen wird. Richtige Auswirkungen hat der Brexit auf mich noch nicht, aber die Ungewissheit spürt man überall. Es vergeht kein Tag, an dem er nicht in den Nachrichten erscheint oder darüber diskutiert wird. Der Brexit ist kein Event, sondern ein Prozess, der kein Ende zu finden scheint. Die Wahrheit ist: Ich habe keine Ahnung, was passieren wird. Ich hoffe natürlich, dass ich weiterhin hier leben kann und dass bald eine Lösung gefunden wird, aber bis dahin bleibt mir nichts anderes übrig, als auf die paar klugen Köpfe im Parlament zu vertrauen und zu warten."

Anthony Pollock. Foto: privat

"One of the worst decisions"

Anthony Pollock ist Ire und lebt in Dublin. Der 24-Jährige arbeitet bei einem Beratungsunternehmen.

"Brexit is one of the main topics in Irish news every day and it's become a rather tedious topic. As I'm from Ireland, Brexit will have a far greater impact on my EU country. Like almost all people here in Ireland, I think Brexit is one of the worst political decisions in the last number of decades. There are positive aspects of Brexit however: It gives hope of a unified Ireland in the future and a chance for Scotland to break free from the United Kingdom. Brexit may have an impact on my daily life for various reasons. Our economy will suffer. Food for example will rise in price, as Britain is Ireland's main trading partner. We export a large amount of meat to Britain. However Brexit will allow Britain to have new trade deals with USA, leaving Ireland in a difficult situation."

Eine deutsche Übersetzung des Statements findest du hier.

Saskia Schauhuber. Foto: privat

"Die Frustration ist spürbar"

Saskia Schauhuber ist Straubingerin und lebt in London. Die 24-Jährige arbeitet für einen großen Sportartikelhersteller.

"Der Brexit ist in den Medien allgegenwärtig und die Frustration im Land als Folge der end- und ergebnislos wirkenden Verhandlungen spürbar. Ich bin klarer Gegner des Austritts des Vereinigten Königreichs aus der EU, weil ich denke, dass dies erstens aus den falschen Gründen geschieht und zweitens aufgrund der Komplexität in solch kurzer Zeit kaum stemmbar ist. Den Briten wurden vor dem Referendum viele falsche Versprechungen gemacht. Beispielsweise dass Einsparungen in Höhe von 350 Millionen Pfund pro Woche, die durch den EU-Austritt vermeintlich entstehen, ins britische Gesundheitssystem gesteckt werden würden.

Dass die Wirtschaft jedoch erstmal stark unter dem EU-Austritt leiden wird und damit die Lebenshaltungskosten steigen, das Pfund geschwächt wird und viele weitere noch nicht vollständig messbare negative Folgen auf die Bevölkerung zukommen, wurde verschwiegen. Die gewünschte Autonomie hat seine Vorteile, klar. Und die Selbstregulierung des Landes könnte längerfristig zu einem höheren Wohlstand der Bevölkerung führen.

Viele Probleme, wie die Grenzregulierung zu Irland, sind noch ungeklärt. Da die Beziehung zwischen den beiden Ländern aufgrund historischer Ereignisse angespannt ist, könnte das zu erneuten Unruhen führen. Ob sich solche Schwierigkeiten bis Ende des Jahres lösen lassen, bleibt offen. Persönlich versuche ich, dem Thema soweit es geht aus dem Weg zu gehen. Es ist klar, dass bis zum endgültigen Deal eben nichts klar ist. Daher mache ich mir lieber erst Sorgen, wenn die Auswirkungen tatsächlich ersichtlich sind. Bis Ende 2020 habe ich Zeit, mich für den sogenannten "pre-settled Status" zu bewerben, was mir meinen weiteren Aufenthalt nach dem Brexit zusichern soll. Da ich einen permanenten Arbeitsvertrag habe und vor der ersten Brexit-Deadline im März 2019 nach England gezogen bin, sollte dies reibungslos funktionieren."

Wie es zum Brexit kam

+++ 2016 und 2017 +++

Am 23. Juni 2016 stimmen in einem Volksentscheid 51,9 Prozent für den EU-Austritt. Die Brexit-Befürworter glauben, dass ihr Land ohne die EU mehr Einfluss hat. Sie wollen nicht, dass sich die EU in Entscheidungen einmischt. Premierminister David Cameron tritt zurück, er wollte in der EU bleiben, Theresa May folgt ihm nach. Im März 2017 reicht Großbritannien den Austrittsantrag ein. Die Verhandlungen mit der EU über ein Abkommen starten.

+++ 2018 +++

Aus Protest gegen Theresa May verlassen fünf Minister die Regierung. Die EU veröffentlicht Pläne für einen Brexit ohne Abkommen.

+++ 2019 +++

Das Unterhaus, Teil des britischen Parlaments, lehnt Theresa Mays Abkommen ab. Sie verhandelt weiter, ihr neuer Entwurf scheitert zwei weitere Male. Der Brexit wird bis April, dann bis Oktober verschoben. Im Juli tritt Theresa May als Premierministerin zurück. Boris Johnson folgt ihr nach. Das Parlament beschließt im September ein Gesetz, das einen No-Deal-Brexit verhindern soll. Die EU und Großbritannien verhandeln weiter. Der Brexit wird bis 31. Januar 2020 verschoben. Bei Neuwahlen holt Boris Johnson die Mehrheit. Das Unterhaus stimmt seinem Austrittsvertrag zu.

+++ 2020 +++

Um 0 Uhr verlässt Großbritannien heute die EU. Eine Übergangsphase beginnt. Bis Dezember soll ein Freihandelsvertrag mit der EU geschlossen werden.