Geste von Polizisten in Köln

Kniefall-Bilder entfesseln Debatte über Neutralitätsgebot


Die Bilder aus Köln haben vor allem in sozialen Medien eine Kontroverse ausgelöst.

Die Bilder aus Köln haben vor allem in sozialen Medien eine Kontroverse ausgelöst.

Kleine Geste, große Wirkung - anders allerdings, als es sich die Beteiligten wohl vorgestellt hatten. Polizeibeamte haben auf einer Black-Lives-Matter-Kundgebung in Köln den symbolischen Kniefall des American-Football-Spielers Colin Kaepernick gemacht. Tagelang brandeten daraufhin Wellen von Bewunderung und Befürwortung in den sozialen Netzwerken auf, aber auch von Ablehnung. Es geht dabei um das Neutralitätsgebot der Polizei.

Hintergrund der Ereignisse ist eine Bilderserie, die am Rande der "Black-Lives-Matter"-Kundgebung in der Deutzer Werft in Köln am 6. Juni entstand. Hinter der Bühne war der Basketballprofi Ron Mvouika mit Polizisten ins Gespräch gekommen, die zur Sicherung der Kundgebung abkommandiert waren. Mvouika, der für die Bayer Giants Leverkusen spielt, war einer von rund 10.000 Menschen, die an diesem Tag an der Kundgebung unter dem Motto "America We See You" teilgenommen hatten. Anlass des Protests waren die Ereignisse um den gewaltsamen Tod des US-Amerikaners George Floyd bei dessen Festnahme durch Polizisten.

Aktion war "sehr emotional und spontan"

Die Bilder zeigen die Polizisten der Kölner Polizei, wie sie die Kniefall-Geste des American-Football-Spielers Colin Kaepernick machen. Bildausschnitt und Perspektive tun das Ihrige. Auf einigen Bildern sieht es so aus, als ob die Beamten vor Mvouika auf die Knie gehen. Die Bilder vom Kniefall der Staatsmacht gingen durch die sozialen Netzwerke. Für Aufsehen sorgte dabei unter anderem, dass der Basketballer ein T-Shirt mit dem Aufdruck "No Justice - no Peace" trug - ein Motto der "Black-Power"-Bewegung.

Unter anderem verbreitet die AfD-Politikerin Beatrix von Storch die Bilder, versehen mit der Forderung, die Polizei solle die Selbsterniedrigung beenden, wie sie es deutet. Mvouika selbst wie auch seine Fans sowie andere politische Vertreter sehen in dem Bild hingegen ein Zeichen der Solidarität und loben die Beamten für die Geste.

Wie aber kam es zu den Aufnahmen? Nach übereinstimmenden Medienberichten, die die Kölner Polizei auf idowa-Nachfrage bestätigte, hatte Ron Mvouika die Polizisten um die Geste gebeten. Dem vorausgegangen sein soll ein Gespräch über Polizeigewalt. "Jeder Polizeibeamter steht im Spannungsfeld zwischen seiner Menschlichkeit und seiner Pflicht", sagt Jana Schubert von der Polizei Köln. Unangemessene Härte bei Einsätzen sei ein Thema, mit dem sich Polizeibeamte auch in Deutschland auseinandersetzen.

Sie würden keine Toleranz für Gewalttäter in den eigenen Reihen hegen, sollen die Beamten in dem Gespräch gesagt haben. Daraufhin habe Mvouika die Polizisten aufgefordert, mit ihm niederzuknien. Gemeinsam? Tatsächlich entstanden Sekunden später einige Aufnahmen, bei denen der Basketballer neben den Beamten kniet. "Es war eine sehr emotionale, spontane Aktion", fügt Schubert hinzu.

Disziplinarverfahren möglich

Wie sind die Bilder nun zu bewerten? Dürfen sich die Beamten im Einsatz solidarisch mit den "Black-Lives-Matter"-Demonstranten zeigen? "Polizeibeamte haben, wie alle Beamten, bei politischer Betätigung Mäßigung und Zurückhaltung zu wahren. Dieses Mäßigungsgebot steht in engem Zusammenhang mit ihrer Neutralitätspflicht", erklärt Jürgen Köhnlein, der Landesvorsitzende Bayern der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG): "Unabhängig von der Motivationslage der auf dem Bild gezeigten Kollegen, wurde deren Geste mittlerweile für eine politische Diskussion herangezogen. Durch die dadurch entstandene Diskussion ist genau das eingetreten, was verhindert werden soll. Die Neutralität der Einsatzkräfte wird in Frage gestellt. Für mich ist somit ein kritischer Moment erreicht."

Auf die Frage, ob er sich von bayerischen Polizeibeamten ähnliche Gesten der Solidarisierung auf Demos und Kundgebungen vorstellen könnte, sagt Köhnlein: "Auf eine neutrale Amtsführung wird in Bayern von Seiten der Dienstvorgesetzten sehr hoher Wert gelegt und die Beamten werden auch vor Einsätzen sensibilisiert. Im Einsatz müssen persönliche, weltanschauliche, religiöse Ansichten und Einstellungen der Einsatzkräfte zurückstehen." In Uniform sind Polizeibeamten politische Äußerungen streng verboten.

Die Bilder, die zum Social-Media-Hype wurden, könnten für die Kölner Polizeibeamten durchaus ein Nachspiel haben: "Von Seiten des Dienstherrn würden vermutlich Vorermittlungen geführt, um gegebenenfalls eine disziplinarrechtliche Würdigung durchzuführen", erklärt Polizei-Gewerkschafter Jürgen Köhnlein.

"Der Sachverhalt wird beim Polizeipräsidium Köln auch im Hinblick auf das Neutralitätsgebot der Polizei überprüft", heißt es vom Innenministerium Nordrhein-Westfalens. "Grundsätzlich legt die Polizei NRW großen Wert auf die Neutralität einschreitender Beamtinnen und Beamte und das in jeglicher Hinsicht. Dies gilt nicht nur für Versammlungen sondern für alle polizeilichen Eingriffsmaßnahmen", teilt ein Sprecher des Ministeriums mit.

Ob es zu einem Disziplinarverfahren gegen die Polizeibeamten auf den Bildern kommt, ließ die Kölner Polizei auf Nachfrage von idowa offen. "Wir werden Gespräche mit den betreffenden Beamten führen. Außerdem wollen wir unsere Beamten bei ähnlichen Einsätzen in Zukunft noch mehr für das Neutralitätsgebot sensibilisieren", sagt Jana Schubert von der Kölner Inspektion.

Zwischenzeitlich sind auch Bilder von niederknieenden Polizeibeamten von einer "Black-Lives-Matter"-Demo in Basel aufgetaucht. Welche Konsequenz die dortigen Behörden daraus ziehen, ist noch unklar.

Die Verantwortlichen der Polizeibehörden in Birmingham im Vereinigten Königreich bezeichnen es als "Gewissensentscheidung jedes einzelnen Polizisten", ob er auf den Veranstaltungen die Geste zeigen will oder nicht.

Welle der Solidarisierung in den USA

In den USA gab es dagegen seit Beginn der Proteste bereits eine Reihe von Solidaritätsbekundungen von Amtsträgern in Uniform, die ihre Haltung entsprechend ausgedrückt haben. So berichteten mehrere Medien etwa vom Kniefall von Andrew Mills, dem Polizeichef von Santa Cruz, in Polizeiuniform auf dem Bürgersteig. Auch andere Einsatzkräfte folgten dem Beispiel und erklärten sich solidarisch. Übereinstimmenden Berichten diverser Nachrichtenportale zufolge taten tausende Cops es dem Polizeichef von Santa Cruz gleich.

In den USA wird das "Taking a Knee" nicht in Bezug auf ein Neutralitätsgebot diskutiert. Ein solches ist für die mehr als 12.000 unabhängigen Polizeibehörden im Land ohnehin nicht einheitlich formuliert. Zudem sehen Polizisten wie Kim Tavares aus Boston darin kein vordergründig politisches Statement. Einem Reporter des Fernsehsenders WCVB Channel 5 sagte Tavares: "Das Leben Schwarzer zählt. Wenn so etwas passiert, muss man den Betroffenen Liebe zeigen.”

Kritik gibt es zwischenzeitlich nur an der Geste an sich: Die Sportjournalistin Sally Jenkins findet es problematisch, dass auch der zwischenzeitlich wegen Totschlags angeklagte Polizist eine ähnliche Pose gezeigt hat, als er George Floyd sein Knie in den Nacken drückte - und damit wohl seinen Tod herbeigeführt hat.