Gericht

Lügen und ein gemeinsames Kind: Stieftochter jahrelang missbraucht?


Symbolbild Justiz

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Von kö

"Wir hatten immer ein gutes Verhältnis." Wenn es mal Ärger gegeben habe, so Bernd K., dann wegen der Lügengeschichten, die seine Stieftochter gerne erzählt habe.

Als Lügen tat der 59-jährige Staplerfahrer aus dem nördlichen Landkreis gestern vor der vierten Strafkammer des Landgerichts auch die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft ab, die heute 28 Jahre alte Frau 14 Jahre lang sexuell missbraucht zu haben. Dass er der Vater des Kindes ist, das seine Stieftochter 2015 auf die Welt gebracht hat, bestritt K. allerdings nicht: Man habe ein paar Mal Sex gehabt, aber einvernehmlich, und beim ersten Mal sei seine Stieftochter bereits 19 gewesen.

Die von Staatsanwältin Anna Holzer vertretene Anklage legt Bernd K. Vergewaltigung in 78 tatmehrheitlichen Fällen in Tatmehrheit mit sexueller Nötigung in 76 tatmehrheitlichen Fällen in Tatmehrheit mit vorsätzlicher Körperverletzung zur Last. K. hatte vor 20 Jahren die Mutter der mutmaßlichen Geschädigten geheiratet, die neben dem Mädchen noch zwei Söhne mit in die Ehe brachte. Der erste Übergriff soll im Dezember 2001 stattgefunden haben, als der gebürtige Nordrhein-Westfale neben seiner damals 14-jährigen Stieftochter auf der Wohnzimmercouch saß. K. soll einen Arm um das Mädchen gelegt und begonnen haben, es zunächst über, dann unter Kleidung im Brust- und Intimbereich anzufassen. Seine Stieftochter soll sich sowohl verbal als auch körperlich gegen den Angriff gewehrt haben - letztlich jedoch vergebens: Bernd K. soll schließlich den ungeschützten, vaginalen Geschlechtsverkehr mit ihr vollzogen haben.

Ab dem 1. Januar 2002 bis zum 26. September 2014 soll K. dann mindestens einmal im Monat, laut Anklage somit in mindestens 152 weiteren Fällen, sexuelle Handlungen von seiner Stieftochter erzwungen haben. In mindestens 76 der Fälle geht die Staatsanwaltschaft von vaginalem Geschlechtsverkehr aus; in weiteren 76 Fällen soll der 59-Jährige erzwungen haben, dass seine Stieftochter ihn mit der Hand befriedigte. In den ersten drei bis vier Jahren soll sich das Mädchen noch gewehrt und gedroht haben, alles ihrer Mutter zu erzählen, doch nachdem sie dem Angeklagten körperlich nicht gewachsen war und dieser ihr drohte, wenn sie etwas sage, werde er ihr oder ihrer Mutter etwas antun, erduldete sie die folgenden sexuellen Übergriffe allesamt. "Da habe ich es über mich ergehen lassen", sagte die 28-Jährige gestern vor Gericht - und bestätigte die Vorwürfe gegen ihren Stiefvater größtenteils.

Die Mutter der Geschädigten erfuhr dann doch bereits unmittelbar nach dem ersten Vorfall von dem sexuellen Übergriff durch eine Bekannte der Familie, der sich das Mädchen anvertraut hatte. Statt ihrer Tochter zu glauben, erteilte sie ihr jedoch Hausarrest. Der letzte Übergriff soll am 30. Juni 2015 nach Beendigung der Schwangerschaft stattgefunden haben. K. soll seiner Stieftochter gesagt haben, er wolle wieder mit ihr Schlafen, da sie ohnehin wegen der Schwangerschaft lang genug Ruhe gehabt habe.

Die Vaterschaft von Bernd K. ist durch einen Test erwiesen. Kurz vor seiner Verhaftung vor mehr als einem Jahr habe er seine Ehefrau, die er vor 20 Jahren geheiratet habe, darüber informiert. "Ich habe ihr da nichts verheimlicht." Dass er mit seiner Stieftochter mehrmals einvernehmlichen Sex gehabt habe, bezeichnete der 59-Jährige als Fehler. Es sei nicht richtig gewesen, habe sich aber "so ergeben". Alles andere seien Lügen seiner Stieftochter. Auch die Glaubwürdigkeit der Bekannten der Familie, die mit dem Vorwurf damals zu ihm und seiner Frau gekommen sei, sei fraglich: "Eine nette Person, aber nur am Saufen." Er sei mit seiner Frau, der Stieftochter und jener Bekannten sofort zu einer Frauenärztin gefahren, um sich die Jungfräulichkeit der 14-Jährigen bestätigen zu lassen. Damit sei das Thema bis zur Schwangerschaft seiner Stieftochter dann vom Tisch gewesen.

Von Vorsitzendem Richter nach dem möglichen Grund für die damalige Anschuldigung befragt, mutmaßte K., das Mädchen habe austesten wollen, ob es seine Mutter gegen ihn ausspielen könne. Er habe sich ja immer bewusst von dem Mädchen ferngehalten, nachdem er vom Sozialamt erfahren habe, dass es sich im Alter von fünf, sechs Jahren "immer gerne" an fremde Männer geklammert habe. Und noch eine Auffälligkeit an seiner Stieftochter wusste Bernd K. zu berichten: Als sie neun Jahre alt gewesen sei, seien seine Frau und er von der Lehrerin in die Schule einbestellt worden, weil diese mehrmals beobachtet habe, wie das Mädchen sich während des Unterrichts selbst befriedigt hatte.

# Der Prozess wird am Donnerstag fortgesetzt.