Freischreiben

Freiraum: Autoren zum Thema „Neuanfänge“


Neues Jahr, neuer Anfang. Darum geht es im Januar bei "Freiraum".

Neues Jahr, neuer Anfang. Darum geht es im Januar bei "Freiraum".

Von Redaktion Freistunde

Freiraum - das Sprachrohr von Freischreiben. Neuanfänge, Freundschaft, Liebe, Politik, Umwelt und vieles mehr - ab sofort schreiben ausgewählte Freischreiben-Autoren am ersten Freitag im Monat zu einem vorgegebenen Thema.

Unter dem Titel "Freiraum" können sie sagen, was sie denken. Dabei sind ihnen keine Grenzen gesetzt: Ob sie sich mit einem Kommentar, einem Gedicht, einer Geschichte oder einem Interview daran beteiligen, ist ganz ihnen überlassen. In diesem Monat geht's um Neuanfänge. Einen Schritt ins Ungewisse wagen, dafür braucht es Mut. Darüber schreiben Rebecca Fisch und Ines Kiefl.

Selbst sagen, was man denkt

Du schreibst selbst gerne, willst Gehör finden und damit sogar etwas zu deinem Taschengeld dazuverdienen? Dann melde dich bei uns! Wir suchen immer motivierte Freischreiben-Autoren im Alter von 12 bis 27 Jahren. Dabei ist ganz egal, über welche Themen du schreiben willst. Hauptsache: Sie richten sich an junge Leser.

Wenn du dabei sein willst, schicke eine E-Mail an Freistunde-Redakteur David Voltz. Er betreut die Seite. Du erreichst ihn unter voltz.d@straubinger-tagblatt.de. Einfach sich selbst kurz in der E-Mail vorstellen, wenn vorhanden ein paar Schreibproben anhängen und gerne gleich auch ein paar Themenideen liefern. Vielleicht liest du dich dann bald in der Freistunde.

Leben umgekrempelt: Ines Kiefl über ihren neuen Lebensabschnitt in Jena

Drei Stunden Autofahrt trennen mich jetzt von daheim. Und nicht nur mein Studienort ist mir fremd, sondern mein ganzes Leben wurde umgekrempelt. Plötzlich kocht Mama nicht mehr, man muss selber Wäsche waschen, Putzen ist wieder mal angesagt und was hab ich für ein Glück, dass das Kaufland zu meiner Nachbarschaft zählt.

Der erste eigene Haushalt macht mir zu schaffen und braucht seine Zeit. Daneben soll man sich in einer fremden Stadt zurechtfinden - ausgerechnet ich mit meinem ach so ausgeprägten Orientierungssinn. Neue Freundschaften will man schließen, aber sich auch gleichzeitig auf die Uni konzentrieren. So ungefähr war auch mein Start ins Studium.

Ich habe mir die Stadt der Frühromantik ausgesucht, die für Goethe und Schiller bekannt ist - passend zu meinem Studiengang Germanistik, der viel Zeit fürs Lesen und Schreiben erfordert. Doch was mir am schwersten fällt, ist eindeutig das Hochdeutschsprechen. Obwohl ich mich ohnehin bemühe und früher dachte, dass ich perfekt Hochdeutsch sprechen kann, höre ich nicht gerade selten: "Kommst du aus der Schweiz?!". Doch anders als erwartet finden die meisten Mitstudenten meinen Dialekt "richtig süß".

Auch hätte ich nicht gedacht, dass so viele Studierende der Friedrich-Schiller-Uni gar nicht aus der Umgebung kommen. Mein neuer Freundeskreis setzt sich zusammen aus einer Hessin, Baden-Württembergerin, Bayerin (das bin ich), Sächsin und Inderin, die extrem gut Deutsch sprechen kann. Ich bin also nicht die einzige, die in einem anderen Bundesland studiert.

Hier mache ich jeden Tag neue Erfahrungen, beispielsweise dass man das Wort "heuer" (also dieses Jahr) hier nicht verwenden kann oder dass ein Butterbrot hier "Bemme" genannt wird. Die Thüringer Rostbratwurst lässt sich in Jena außerdem auch gut genießen und, dass alle zehn Minuten eine Straßenbahn geht, steht in keinem Verhältnis zu der raren Anzahl an Busfahrten in meiner Heimat. Trotzdem freue ich mich jedes Mal auf meine Familie und die vertraute Umgebung, die man meiner Meinung nach immer schätzen sollte, egal wo man sich gerade befindet.

Rebecca Fisch mit einem nachdenklichem Text über "Gehen oder bleiben"

Er hält ein Gänseblümchen in der Hand.

Gehen bleiben gehen bleiben gehen bleiben

Die letzten Blütenblätter

Gehen bleiben gehen

Gehen also

Das alles hier zurücklassen

Seine Freunde

Die, die noch am Leben und hiergeblieben sind

Seine Tanten, Onkeln und Cousinen,

Die er dann vielleicht nie wieder sehen könnte.

Seine Stadt, die einst so prächtigen Häuser,

Markthallen, Kopfsteinpflasterstraßen und die Moschee

Den Hügel, wo sie immer Drachen steigen ließen.

Alles also auf unbestimmte Zeit verlassen und auf unbestimmtem Weg

Zu einem unbestimmten Ziel aufbrechen. Wo es dann hoffentlich sicher ist.

Aber er weiß ja gar nicht, wohin er gehen soll. Er weiß doch nicht,

Was ihn in der Fremde erwartet. Und überhaupt, er, ganz allein? Wie soll er das denn schaffen?

Also bleiben?

Bei den schmerzlichen Erinnerungen an vergangenes Leid.

Nahe dem Hügel, wo jetzt nur noch Kugeln durch die Luft fliegen

In den Trümmern seiner Stadt zwischen Schutt und Asche leben

Ständig umgeben von Schüssen und Angst

Vor den Bomben, vor den Menschen.

Das Weiß des Gänseblümchens ist am Boden verstreut.

Er steht auf, klopft sich Blütenblätter und Staub von der Hose.

Dann geht er nach Hause, um seine Tasche zu packen.

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Ines Kiefl hat mit ihrem Studium in Jena neu angefangen.

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Neue Freunde - auch die hat Ines (2. v. l.) mit Beginn ihres neuen Lebensabschnittes gefunden.

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Rebecca Fisch (18) beteiligt sich mit einem nachdenklichen Text an der ersten "Freiraum"-Seite. Sie macht derzeit einen Freiwilligendienst in Bijeljina in Bosnien und Herzegowina.