Expertin im Interview

Burnout! Und was Zynismus damit zu tun hat


Volkskrankheit Burnout. Was sind die Ursachen? Was kann man dagegen tun? An der Universität Regensburg soll hierzu nun ein Studienprojekt starten. (Symbolbild)

Volkskrankheit Burnout. Was sind die Ursachen? Was kann man dagegen tun? An der Universität Regensburg soll hierzu nun ein Studienprojekt starten. (Symbolbild)

Von Redaktion idowa

Volkskrankheit Burnout! Das Resultat unserer schnelllebigen Gesellschaft? Schätzungen der Krankenkassen zufolge leiden aktuell etwa neun Millionen Deutsche an dieser Erkrankung. Doch was genau versteht man unter einem Burnout-Syndrom? Was kann man dagegen tun? Und worin unterscheidet sich ein Burnout von einer Depression? Antworten auf diese Fragen liefert Prof. Dr. Brigitte Kudielka im Interview mit idowa. Sie ist Dekanin der Fakultät für Humanwissenschaften am Institut für Psychologie der Universität Regensburg.

Frau Prof. Dr. Kudielka, der Begriff Burnout ist ja seit einigen Jahren in aller Munde und wird mitunter sehr leichtfertig verwendet. Was versteht man nun also aus medizinischer Sicht genau unter einem Burnout-Syndrom?

Prof. Dr. Brigitte Kudielka: Burnout oder auch das "Ausgebranntsein" wird als potentielle Folge berufsbedingter starker Belastung und chronischem Arbeitsstress verstanden. Als Symptomkomplex umfasst Burnout emotionale, kognitive, verhaltensorientierte und körperliche Reaktionen auf chronischen Stress.

Stress scheint demnach der Hauptauslöser zu sein. Welche Beschwerden gehen denn damit einher?

Kudielka: Das können vielfältige psychische und somatische Beschwerden sein, wie beispielsweise kognitive Einbußen, Schlafstörungen oder Herzkreislauf-, hormonelle, metabolische, Muskelskelettal- und auch allergische Erkrankungen. Daher wird eine stark ausgeprägte Burnout-Symptomatik auch im Sinne einer unspezifischen Stresserkrankung oder Stressfolgekrankheit verstanden.

Promis machten Burnout erst salonfähig

Bei derart breit gefächerten Symptomen, ist es da aus medizinischer Sicht nicht unglaublich schwer, einen Burnout zu diagnostizieren?

Kudielka: Da sich bisher keine standardisierte, allgemein und international gültige Definition durchgesetzt hat, erfolgt die Feststellung von Burnout oft nach klinischem Ermessen anhand von Leitsymptomen. Die am weitesten verbreitete Messung von Burnout per Fragebogen erfasst einen Zustand von emotionaler Erschöpfung, reduzierter Leistungsfähigkeit und Depersonalisation, beziehungsweise Zynismus.

Ist eine ausgeprägte Form des Zynismus demnach gleichbedeutend mit ersten Anzeichen für einen Burnout?

Kudielka: Nein, das kann man so nicht sagen. Menschen können auch aus ganz anderen Gründen starken Zynismus zeigen, ohne eine Burnout-Problematik zu haben. Außerdem gilt die emotionale Erschöpfung als Kernsymptom. Es wird zum Beispiel auch argumentiert, dass zu einer ausgeprägten emotionalen Erschöpfung nur eines der beiden anderen Kriterien noch zusätzlich vorhanden sein müsste, um von einem Burnout zu sprechen. Wieder andere sehen allein die emotionale Erschöpfung als ausreichend an.

Prof. Dr. Brigitte Kudielka arbeitet am Institut für Psychologie der Universität Regensburg. Sie sagt, dass das Thema Burnout in der Gesellschaft noch stärker enttabuisiert werden müsste.

Prof. Dr. Brigitte Kudielka arbeitet am Institut für Psychologie der Universität Regensburg. Sie sagt, dass das Thema Burnout in der Gesellschaft noch stärker enttabuisiert werden müsste.

Seit wann existiert der Begriff Burnout eigentlich?

Kudielka: Die erste Beschreibung von Burnout, so wie wir es heute kennen, stammt aus den 1970er Jahren. Der ausgewanderte Psychoanalytiker Freudenberger hat das Phänomen damals in New York beschrieben. Nachfolgend hat Prof. Christina Maslach von der Univesity of Berkeley in den USA das Thema wissenschaftlich bearbeitet und das Maslach Burnout Inventar zur Messung von Burnout erarbeitet. Besonders populär wurde der Begriff Burnout allerdings erst, als die Presse von berühmten Persönlichkeiten berichtete, die darunter litten. Das waren zum Beispiel Tim Mälzer, Eminem, Ottmar Hitzfeld oder Jürgen Klinsmann. Damit wurde das Thema quasi salonfähig.

Täuscht der Eindruck, dass mittlerweile immer mehr Menschen hierzulande von Burnout betroffen sind?

Kudielka: Nach Schätzungen der Betriebskrankenkassen liegt bei circa neun Millionen Deutschen ein sogenanntes Burnout-Syndrom vor. Nach dem DAK-Psychoreport aus dem Jahr 2015 lag der Höchststand an krankheitsbedingten Fehltagen durch Burnout in den Jahren 2011 und 2012. Während die Anzahl an Arbeitsunfähigkeitstagen in Zusammenhang mit Burnout inzwischen zurückgegangen ist, bleibt die Anzahl an Fällen jedoch unverändert hoch.

Das bedeutet im Umkehrschluss also, dass lediglich die öffentliche Wahrnehmung eine andere ist?

Kudielka: Entscheidend ist auch, dass man heutzutage viel offener darüber redet. Burnout ist nicht mehr so stark in der Tabu-Zone. Daher erscheint es so, als würden die Fallzahlen steigen. Es ist inzwischen einfach mehr präsent - sowohl medial als auch privat.

Burnout kann im Extremfall in eine klinische Depression gipfeln

Kann das gesellschaftliche System einen Beitrag dazu leisten, um drohenden Burnout-Erkrankungen entgegenzuwirken?

Kudielka: Hier gäbe es vor allem drei Möglichkeiten. Zum einen eine weitere Enttabuisierung von Burnouts, dann aber auch eine Veränderung der Arbeitsbedingungen. Zusätzlich sollten niedrigschwellige Beratungsangebote und psychotherapeutische Angebote vorhanden sein.

Wie kann man einen Burnout therapeutisch behandeln?

Kudielka: Hier gibt es Beratungsansätze, Stressbewältigungstrainings im eher niedrigschwelligen Bereich bis hin zu psychotherapeutischen Behandlungen. Inzwischen gibt es auch einige Kliniken, die sich auf Burnout spezialisiert haben.

Was sind denn so die drastischsten Auswirkungen, die ein Burnout bei Nichtbehandlung haben kann?

Kudielka: Befunde deuten in Einklang mit der Konzeptualisierung von Burnout als Risikozustand darauf hin, dass Burnout eine mögliche Entwicklungsstufe hin zur klinischen Depression sein kann.

Es gibt also einen Unterschied zwischen Burnout und Depression. Oftmals werden diese beiden Begriffe ja allzu sorglos in einen Topf geworfen…

Kudielka: Entscheidend ist hier die Frage nach möglichen Aktivitäten, wenn keine Erschöpfung vorhanden wäre. Wenn man Betroffene befragt, was sie sich an Aktivitäten vorstellen könnten, dann können Burnout-Betroffene durchaus noch schöne Aktivitäten nennen, denen sie nachgehen würden, wenn sie denn nicht so erschöpft wären. Depressions-Patienten dagegen haben Schwierigkeiten, überhaupt mögliche Aktivitäten zu nennen. Oftmals erhält man dann nur ein Schulterzucken als Antwort. In der Tat geht Depression oft mit Antriebslosigkeit einher.

Studie an der Uni Regensburg: Teilnehmer gesucht!

Info: Am Institut für Psychologie der Universität Regensburg soll demnächst ein Burnout-Projekt gestartet werden. Für diese Studie werden noch Teilnehmer mit oder ohne berufsbedingten Erschöpfungssymptomen gesucht. Weitere Informationen hierzu und Anmeldung zur Teilnahme unter: www.go.ur.de/burnout-studie oder per E-Mail an: burnout@ur.de