Essenbach

Archäologische Funde auf Gelände des neuen Landratsamtes


Impressionen der archäologischen Ausgrabung in Essenbach 2019.

Impressionen der archäologischen Ausgrabung in Essenbach 2019.

Von Redaktion idowa

Archäologische Ausgrabungen am Gelände des neuen Landratsamtes in Essenbach haben überraschende Funde zu Tage gebracht. Bereits im vergangenen Jahr wurden dort erste bauvorgreifende archäologische Ausgrabungen durchgeführt, damit nach der Planungsphase bald die Bagger und Kräne anrollen können. Dabei zeigte sich, dass das Areal bereits vor mehr als 3.000 Jahren besiedelt war. Direkt neben der Musikschule stießen die Archäologen überraschend auf einen mehr als 4.200 Jahre alten Friedhof aus der Jungsteinzeit.

Da im Umfeld der der Baufläche zahlreiche Fundstellen bekannt sind, waren von Beginn an Ausgrabungen vorgesehen. Das teilte das Landratsamt Landshut am Mittwoch mit. Es wurde ein Konzept erstellt, um alle Bodendenkmäler noch während der Planungsphase freizulegen. Von Anfang Juli bis Mitte Oktober wurde auf einer Fläche von rund 20.000 Quadratmetern gegraben.

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Impressionen der archäologischen Ausgrabung in Essenbach 2019.

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Ein Grab des Friedhofes der Glockenbecherkultur während der Ausgrabung.

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Ein Grab des Friedhofes der Glockenbecherkultur während der Ausgrabung.

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Ausgrabung des Brunnens der frühen Eisenzeit.

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Foto der Vasenkopfnadel im noch unrestaurierten Zustand kurz nach ihrer Auffindung. Die Nadel befindet sich aktuell in der Restaurierung.

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Luftbild der Grabungsfläche während der Baggerarbeiten im Juli 2019.

Und die Kreisarchäologen sind fündig geworden: Wo einmal das neue Landratsamt stehen soll, fanden sich Siedlungsspuren der späten Bronzezeit (rund 1.300- 800 vor Christus), der frühen Eisenzeit (800- 475 von Christus) und ein kleiner Friedhof der ausgehenden Jungsteinzeit (2.600- 2.200 von Christus).

Die nahezu über die gesamte Grabungsfläche verteilten Siedlungsspuren der späten Bronze- und frühen Eisenzeit zeigen deutlich, dass das Grundstück mit mehreren Höfen besiedelt war. Neben den Resten der ehemaligen Häuser, deren Funktionsgebäuden und auch eines Brunnens fanden sich am Rand der Grabungsfläche, entlang der Straße nach Altheim zwei Abfallgruben deren Inhalt Rätsel aufgibt. Dort lagen kiloweise Keramikscherben.

Schönster Fund: Vasenkopfnadel

"Die Keramik war so dicht in die Grube gepackt, dass sich dazwischen kaum Erde befand. Teilweise handelte es sich um einst vollständige Gefäße, die erst in der Grube zerbrachen, teilweise um die Einzelteile bereits zerbrochener Gefäße. Alle Scherben haben aber gemeinsam, dass die Keramik kurz vor oder kurz nach ihrer Ablagerung in der Grube einem Feuer ausgesetzt gewesen sein muss", erklärt Kreisarchäologe Thomas Richter.

Auch der bisher schönste Fund, eine vollständig erhaltene sogenannte Vasenkopfnadel stammt aus einer dieser Gruben. Vasenkopfnadeln waren in der Zeit zwischen 1.300 und 1.000 vor Christus im Süddeutschen, Österreichischen und Schweizer Raum in Mode. Sie dienten zum Verschließen von Überhängen und Kleidern. Die Nadel war, wie auch die Keramik, bevor sie in der Grube entsorgt wurde, dem Feuer ausgesetzt.

Wurden Keramik und Nadel absichtlich verbrannt?

Bisher ist unklar, warum Keramik und Nadel verbrannt und anschließend in der Grube entsorgt wurden. Vergleiche mit ähnlichen Befunden aus anderen Ausgrabungen legen zwei Erklärungsansätze nahe: Bei der Keramik könnte es sich um Reste eines Geschirrsatzes handeln, der im Rahmen eines rituellen Festes genutzt wurde. Derartige Geschirrsätze wurden anschließend oft zerstört, damit sie nicht mehr verwendet werden konnten.

Wie aber die Gewandnadel mit dieser Erklärung in Zusammenhang zu bringen ist, das muss noch untersucht werden. Möglicherweise wurden aber auch in den Gruben der zerstörte Hausstand eines oder mehrerer abgebrannter Häuser entsorgt.

Tote in strengem Ritus beigesetzt

Rätselhaft ist auch die Kultur, aus der der kleine Friedhof neben der Musikschule stammt. Die Archäologen nennen sie Glockenbecherkultur (2.600- 2.200 vor Christus). Die Archäologie geht heute davon aus, dass es sich um eine neue Religion oder Ideologie handelte, die sich in Windeseile über Europa verbreitete.

Für diese Annahme spricht auch die Tatsache, dass die Toten in einem strengen Ritus beigesetzt wurden. Sie liegen stets in Embryonalstellung im Grab. Dabei bettete man die Frauen auf die rechte Körperseite, mit ihrem Kopf Richtung Süden, die Männer genau anders herum: auf die linke Seite, mit ihrem Kopf Richtung Norden. Häufig finden sich bei den Toten Keramikgefäße in Form einer Glocke, die der Kultur ihren Namen gaben.

Der Essenbacher Friedhof bestand aus sechs Gräbern. Beigaben fanden sich, mit Ausnahme einer Haarnadel aus Tierknochen, nicht. "Ob die zugehörige Siedlung an den Friedhof angrenzte, werden die Grabungen in diesem Jahr zeigen", erklärte der Kreisarchäologe. Das restliche Areal wird 2020 unter die Lupe genommen.