"Es ist wie ein Gefängnis daheim"

Niederaichbacher Familie leidet mit lungenkranken Kindern


Die Geschwister Luna (17) und Leon (21) leiden an einer unheilbaren Lungenkrankheit. Das Coronavirus setzt die beiden einem enormen Risiko aus. Aber auch die Solidarität ihrer Mitmenschen würde schon helfen, sagt Mutter Tanja Braun-Reiß.

Die Geschwister Luna (17) und Leon (21) leiden an einer unheilbaren Lungenkrankheit. Das Coronavirus setzt die beiden einem enormen Risiko aus. Aber auch die Solidarität ihrer Mitmenschen würde schon helfen, sagt Mutter Tanja Braun-Reiß.

Von Maximilian J. Falk

Tanja Braun-Reiß aus Niederaichbach im Landkreis Landshut ist verzweifelt. Sie ist Mutter zweier unheilbar lungenkranker Kinder und ihre Familie gerät durch die Coronavirus-Krise zunehmend in Bedrängnis. Im Gespräch mit idowa richtet sie einen emotionalen Appell an die Politik - und an ihre Mitmenschen.

"Es ist schwierig für mich, darüber zu sprechen", sagt Tanja Braun-Reiß. Ihr 21-jähriger Sohn Leon und die 17-jährige Tochter Luna leiden seit ihrer Geburt an Mucoviscidose, einer unheilbaren, genetisch bedingten Lungenkrankheit, die auch den Verdauungstrakt befällt. "Wir stehen schon lange auf der Spenderliste für eine neue Lunge", sagt sie. Bisher allerdings müssten ihre beiden Kinder schlicht durchhalten. "Damit ist das Immunsystem ohnehin schon geschwächt, und wenn dann noch so ein Coronavirus daher kommt, ist das für die beiden hochgefährlich", betont die 38-Jährige.

"Es ist wie ein Gefängnis daheim"

Bereits im Januar war Familie Braun-Reiß gezwungen, drastische Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen. "Soziale Kontakte mussten wir stark einschränken", sagt die Familienmutter. "Keiner von uns ist mehr vor die Tür gegangen, außer zum Spazierengehen und Einkaufen. Fasching feiern war da natürlich auch nicht drin." Auch einfache, gerade für junge Menschen alltägliche Aktivitäten wie Kinobesuche seien weggefallen, was schwierig für ihre Kinder gewesen sei. Tanja Braun-Reiß: "Auch bei der Schule haben wir schon viel früher ausgesetzt." Denn: Sohn und Tochter sind zwar gegen Grippe geimpft und Desinfektionsmittel gehört bei Mucovisciose ohnehin zur Standard-Ausstattung. "Aber jetzt sind wir schon noch vorsichtiger", erklärt die 38-jährige Hausfrau. Sohn Leon muss auch zu Hause einen Mundschutz tragen, sobald jemand in seinem Zimmer ist. "Auch sterile Handschuhe und extreme Sauberkeit sind Alltag für ihn", sagt seine Mutter.

Seit mehreren Wochen kann die Familie nun aber eigentlich nichts mehr machen - sie ist faktisch in Quarantäne. "Wir haben keinen Kontakt mehr zu irgendwem, außer via Telefon und Internet", beschreibt Tanja Braun-Reiß die Lage. Ihr Mann hat seit Tagen Zahnweh, aber ein Zahnarztbesuch ist derzeit undenkbar. "Es ist wie ein Gefängnis daheim", sagt sie. Besonders schwer sei das für ihre Kinder: "Die können seit Monaten nirgends hin - und wenn die dann sehen, dass andere Jugendliche noch rausgehen und dies oder jenes unternehmen, ist das natürlich hart für sie."

"Wie es jetzt weitergeht, wissen wir nicht"

Lebensmittel sind für Familie Braun-Reiß in ihrer Quarantäne, zumindest vorerst, noch kein Problem. "Wir haben super Nachbarn, die bringen uns Einkäufe direkt an die Tür. Verhungern müssen wir also erstmal nicht", sagt Tanja Braun-Reiß. Angst vor dem Monatsende hat sie trotzdem - denn ihr Mann, der eigentlich im Maschinenbau arbeitet und die einzige Einkommensquelle ist, bleibt seit einiger Zeit auch zu Hause, um die Kinder zu schützen. "Wie es jetzt weitergeht, wissen wir nicht", sagt die 38-Jährige. Wie lang das Coronavirus wüten wird, sei ja bislang noch völlig unklar. "Und unsere laufenden Zahlungen werden deshalb ja nicht einfach gestoppt."

Das von der Politik angekündigte Kurzarbeitergeld kommt der Familie bislang nicht zugute. "Bis jetzt weiß noch niemand, wie das genau ausschauen soll", sagt Braun-Reiß. "Und wir sind ja auch nicht die einzigen Betroffenen."

Die Ungewissheit macht der 38-Jährigen sehr zu schaffen. "Momentan stehen wir einfach mit nix da", sagt sie, äußert aber auch Verständnis für die politische Situation: "Ein bisschen allein gelassen fühlen wir uns schon. Andererseits verstehe ich natürlich, dass die gerade eine totale Krise haben und alles total chaotisch ist."

"Wir können es uns nicht so einfach machen"

Von ihren Mitmenschen wünscht sich Tanja Braun-Reiß mehr Solidarität. "Ich würde mir mehr Menschen wünschen, die nicht sagen 'Ja mei, dann erwischt's mich halt mal und dann bin ich immun!'", sagt sie. "Das ist natürlich schön und das wünsche ich den Leuten auch, aber wir können es uns nicht so einfach machen." Außerdem werde so die Infektionskette nicht durchbrochen, so dass Risikopatienten wie ihre Kinder im Notfall keine Klinik-Plätze bekämen. "Wenn die Viruskette verlangsamt wird, würde uns das so sehr helfen", fügt sie an.

Eine generelle Ausgangssperre für ganz Bayern, wie sie Ministerpräsident Markus Söder (CSU) mittlerweile auch nicht mehr ausschließt, würde Tanja-Braun-Reiß sehr begrüßen. "Dafür hat er meine Unterstützung zu 100 Prozent", sagt sie.