Erste Hilfe

So wirst du zum Held


Wir zeigen, wie du richtig reagierst, wenn auf einem Festival etwas passiert.

Wir zeigen, wie du richtig reagierst, wenn auf einem Festival etwas passiert.

Von Sandra Bauer/Anna-Lena Weber

Endlich ist es da, das langersehnte Festival-Wochenende! Alles ist vorbereitet. Zelt, Schlafsack und Camping-Grill sind im Auto. Regenponcho, Gummistiefel, Sonnencreme und Tickets im Rucksack. Aber hast du auch an ein Erste-Hilfe-Kit gedacht? Wärst du im Notfall in der Lage zu helfen?

Wir haben bei zwei Experten nachgefragt, woran du denken solltest und was im Fall der Fälle zu tun ist. Michael Roth ist Gesamt-Ausbildungsleiter beim Malteser Hilfsdienst Straubing, Susanna Gindler Leiterin der Breitenausbildung der Malteser Straubing.

Michael Roth und Susanna Gindler beantworten unsere Fragen, um die Verunsicherung beim Thema Erste Hilfe zu nehmen.

Muss ich überhaupt Erste Hilfe leisten?

Michael Roth: Grundsätzlich ist es in Deutschland so, dass ich verpflichtet bin, Erste Hilfe zu leisten. Ich muss mich aber dabei selbst nicht in Gefahr begeben. Ich muss auch nicht die Aufsichtspflicht gegenüber anderen vernachlässigen.

Susanna Gindler: Einen Notruf kann allerdings jeder absetzen und das gilt auch als Erste-Hilfe-Leistung.

Kann ich dabei etwas falsch machen?

Michael Roth: Falsch wäre, nichts zu tun. Und da man mit seiner Hilfeleistung ja niemandem schaden möchte, ist man rechtlich abgesichert.

Susanna Gindler: Am Besten einfach noch jemanden dazuholen. Das gibt einem mehr Sicherheit. Und einer weiß immer etwas, was man tun könnte.

Wo kann ich das Wichtigste lernen?

Michael Roth: In einem Erste-Hilfe-Kurs. Den kann man durchaus schon mit 12, 13 Jahren besuchen und ihn dann nochmal kurz vor dem Führerschein auffrischen.

So kannst du im Notfall helfen

HELD - Die Erste-Hilfe-Eselsbrücke

Sei ein HELD - so verhältst du dich im Notfall richtig:

H wie Hilfe holen: Bitte um Hilfe und wähle die 112, um einen Notruf abzusetzen.

E wie Ermutigen: Kümmere dich um die verletzte Person, tröste sie.

L wie Lebenswichtige Funktionen: Kontrolliere die Atmung.

D wie Decke: Decke die verletzte Person zu und lege eine Decke unter. Sie darf nicht auskühlen.

Erste-Hilfe-Kit

Diese 10 Dinge gehören in ein Erste-Hilfe-Kit:

1. Rettungsfolie

2. Wundpflaster

3. Rollenpflaster

4. Kompressen

5. Verbandtuch

6. Verbandpäckchen

7. Handschuhe

8. Verbandsschere

9. Dreieckstuch

10. Einmal-Kühlkissen

Vorbeugen:

Hier ein fünf Experten-Tipps, worauf du bei einem Festival-Besuch achten solltest:

1) Ausreichend trinken und essen. "Das ist meist der Grund, warum Jugendliche kollabieren", weiß Susanna Gindler.

2) Auch für schlechtes und kaltes Wetter gerüstet sein. "Vor allem nachts und wenn Alkohol im Spiel ist, ist die Gefahr einer Unterkühlung groß", sagt Michael Roth. "Notfalls die Rettungsdecke verwenden", rät Susanna Gindler.

3) Sonnenschutz auftragen und Kopfbedeckung tragen.

4) An Grill und Lagerfeuer keine Brandbeschleuniger benutzen.

5) Einschreiten. "Trau dich, was zu sagen, wenn es jemand übertreibt. Sei es in Sachen Alkohol oder Drogen und weil sich jemand unnötig in Gefahr begibt", rät Michael Roth.

Notruf:

Einen Notruf setzt du unter der 112 ab. Folgende Fragen solltest du dabei beantworten:

Wo ist das Unglück passiert?

Was ist geschehen?

Wie viele Personen sind betroffen?

Welche Verletzungen oder Symptome kannst du feststellen?

Aber am Wichtigsten: Auf Rückfragen warten!

Mobile Lebensretter:

Tipps zum Thema Erste Hilfe gibt es auch per App aufs Smartphone. Erste-Hilfe-Apps werden von verschiedenen Diensten, zum Beispiel von der Deutschen Herzstiftung, vom Roten Kreuz oder den Maltesern zum Download angeboten. Schritt für Schritt wird bei diesen mobilen Rettungsassistenten erklärt, was im Notfall zu tun ist.

Richtig reagieren bei einem Notfall auf dem Festival

Notfall "Knochenbruch"

Situation:

Endlich. Das erste Konzert. Die Stimmung ist so ausgelassen, so dass einer deiner Kumpels auf die Idee kommt, seine Freundin Huckepack zu nehmen. Dabei verliert er aber das Gleichgewicht. Die beiden stürzen. Danach hat er starke Schmerzen in der Hand. Ihr vermutet, dass sie gebrochen ist.

Maßnahmen:

"Wenn man was hat, kühlen", sagt Susanna Gindler. "Das lindert den Schmerz und verzögert die Schwellung." Gut geeignet sind dafür Einmal-Kühlkissen, weil sie nicht zu kalt sind. "Bei Sportverletzungen gibt es da eine Eselsbrücke, nämlich das Wort PECH", ergänzt Michael Roth. "P wie Pause, E wie Eis also Kühlen, C wie Compression also Verband und H wie Hochlagern." Generell gilt, wenn ein Knochenbruch vermutet wird: immer fachlichen Rat hinzuziehen.

Notfall "Blutung"

Situation:

Heute wollt ihr auf dem Campingplatz grillen. Der Salat ist fertig. Fehlt nur noch das Baguette. Deine Freundin schneidet sich mit dem Brotmesser so tief in den Finger, dass er stark blutet.

Maßnahmen:

"Bei einer leichten Schnittwunde, diese keimfrei verbinden und eventuell durch leichten Druck die Blutung stillen", sagt Susanna Gindler. "Ist die Wunde größer oder hört nicht auf zu bluten, schnell den Sanitätsdienst dazuholen. Die haben die richtige Ausrüstung." Grundsätzlich gilt: Die Wunde immer im Auge behalten, den Verband wechseln und gegebenenfalls, z.B. bei einer Rötung, den Sanitätsdienst oder einen Arzt aufsuchen.

Notfall "Verbrennung"

Situation:

Dein Kumpel kümmert sich ums Grillen. Als die Kohlen rot und heiß glühen, legt er Würstchen und Fleisch auf den Rost. Dabei passt er nicht richtig auf und verbrennt sich gleich mehrere Finger am Grill.

Maßnahmen:

"Jetzt heißt es kühlen", sagt Susanna Gindler, "aber moderat." Das heißt keine Eisbeutel direkt auf die Haut legen, sondern die Finger beispielsweise in ein Glas mit sauberem, lauwarmem Wasser halten. Etwa fünf bis zehn Minuten lang. Sind die Brandstellen klein und lediglich gerötet, wird das ausreichen. "Brandblasen bitte nicht öffnen", ergänzt Michael Roth. "Da besteht große Entzündungsgefahr. Sie sollten keimfrei abgedeckt werden." Seid ihr euch unsicher, ob ihr die Verbrennung richtig versorgt habt, schaut beim Sanitätsdienst vorbei. Bei größeren Verbrennungen ist das sowieso Pflicht, denn da kann es auch zum Schock kommen. Wenn andere Faktoren hinzu kommen, wie Hitze oder Alkohol, auch.

Notfall "Atemnot"

Situation:

Zu trinken habt ihr euch Spezi besorgt. Deine Freundin vergisst jedoch, den Verschluss wieder auf die Flasche zu drehen. Es dauert nicht lange, bis sich eine Biene in die Flasche verirrt hat. Deine Freundin bemerkt das aber nicht und verschluckt sie beim Trinken. Durch den Stich kommt es zu einer Schwellung im Hals. Deine Freundin droht zu ersticken.

Maßnahmen:

"Bei einem Insektenstich und bei Schwellungen der Atemwege muss gekühlt und der Notruf abgesetzt werden", betont Susanna Gindler. Eiswürfel lutschen oder von außen mit einem Einmal-Kühlkissen kühlen, wären eine Möglichkeit. "Bei Atemnot ist es grundsätzlich wichtig, den Oberkörper und den Kopf hoch zu lagern", betont Michael Roth. Auch frische Luft ist hilfreich. "Wenn jemand hyperventiliert, hilft es mit den Händen eine Höhle zu bilden und hineinzuatmen", erklären die Experten. Auch in diesem Fall auf jeden Fall Notarzt bzw. Sanitätsdienst hinzuziehen.

Notfall "Bewusstlosigkeit"

Situation:

Du gehst gerade mit deinen Freunden nach dem Konzert zurück in Richtung Zelt. Da liegt plötzlich eine junge Frau vor eurem Zelt. Sie ist nicht ansprechbar und reagiert auch nicht, wenn man sie vorsichtig an den Schultern rüttelt. Sie ist bewusstlos.

Maßnahmen:

"Die Gründe für Bewusstlosigkeit können viele sein", weiß Susanna Gindler. "Hitze, Alkohol, Verletzungen, Überanstrengung." Findet man eine Person in einem solchen Zustand, heißt es erst einmal heraus finden, ob sie tatsächlich bewusstlos ist oder nur schläft. "Eine Gedankenstütze können hierbei die drei As sein: Anschauen, Ansprechen, Anfassen. Reagiert die Person nicht, ist sie bewusstlos." Jetzt heißt es: die Atmung kontrollieren. "Dazu den Kopf der bewusstlosen Person überstrecken und sich ganz nah über deren Gesicht beugen, mit Blick Richtung Brustraum. So kann man sehen, spüren oder hören, ob die Atmung vorhanden ist", erklärt Susanna Gindler. Ein Atemzug reicht dabei nicht aus. Die Atmung muss regelmäßig sein. Ist sie das, legt man den Bewusstlosen in die Seitenlage. Spätestens jetzt setzt man einen Notruf ab. Falls ihr zu mehreren seid, kann das schon vorher jemand übernehmen, während sich die anderen um die bewusstlose Person kümmern. "In der Seitenlage wird der Kopf überstreckt, so dass der Mund den tiefsten Punkt bildet", erinnert die Expertin. Die Atmung immer wieder kontrollieren, bis der Rettungsdienst eintrifft. "Einfach deinen Handrücken an die Nase halten oder den Rücken beobachten", rät Susanna Gindler. Ist die Atmung nicht vorhanden, muss wiederbelebt werden. "Aber um zu lernen, wie eine Wiederbelebung richtig durchgeführt wird, sollte man einen Erste-Hilfe-Kurs besuchen", betont Michael Roth. "Wichtig ist auch, bei einem solchen Notfall den Rettungsweg zu organisieren", ergänzt Susanna Gindler. Am Besten es postieren sich einige von euch am Eingang zum Festival-Gelände, um die Rettungskräfte dann zu lotsen.

Erfahrungen vom Erste-Hilfe-Kurs der Mittelschule Ulrich Schmidl

Die Klasse M9V der Mittelschule Ulrich Schmidl in Straubing hat an einem Erste-Hilfe-Kurs des Bayerischen Roten Kreuzes teilgenommen. Ihre Erfahrungen:

Jasmin Huber, 16 Jahre

"Unser Kursleiter vom Roten Kreuz hat uns alles sehr gut erklärt. Vorher hätte ich mich nicht immer getraut zu helfen. Jetzt weiß ich, wie ich in einer Gefahrensituation richtig reagieren kann."

Vanessa Brunz, 15 Jahre

"Besonders beeindruckt hat mich das Thema Reanimation. Ich fand es spannend zu erfahren, wie auch ich mit einem Defibrillator, die es ja zum Beispiel auch in Banken und Bahnhöfen gibt, einem Menschen das Leben retten kann."

Henry Diaz, 17 Jahre

"Ich fühle mich jetzt für eine Gefahrensituation gewappnet. Das Thema Erste Hilfe ist sehr spannend. Leider waren es ziemlich viele Infos auf einmal, deshalb würde ich den Kurs in ein paar Jahren noch einmal machen, um mein Wissen aufzufrischen."

Mohamad Alabdulla, 17 Jahre

"Der Erste Hilfe Kurs hat mir gezeigt, dass es wichtig ist, sich einfach zu trauen. Am schlimmsten ist es Nichts zu tun. Der Kurs hat mir gezeigt, wie einfach ich anderen helfen kann, wenn sie sich verletzt haben."

Dominik Meier, 16 Jahre

"Vor dem Kurs bin ich zum Glück noch nicht in die Lage gekommen, jemanden helfen zu müssen. Ich glaube ich wäre einfach nur im Weg gestanden und hätte nicht gewusst, wie ich reagieren soll. Das ist jetzt anders."

Selina Martin, 15 Jahre

"Ich weiß jetzt, wie man einen Schlaganfall erkennt. Das ist extrem spannend! Durch das, was ich in dem Kurs gelernt habe, kann ich mir sogar vorstellen, ein Praktikum in einem Krankenhaus oder beim Rettungsdienst zu machen."

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Susanna Gindler und Michael Roth.

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Jasmin Huber.

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Vanessa Brunz.

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Henry Diaz.

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Mohamad Alabdulla.

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Dominik Meier.

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Selina Martin.