Monster in freier Wildbahn

Die Jagd beginnt: Pokémon Go ist in Deutschland für iOS und Android erhältlich


"Pokémon Go" bringt Spieler aus ihren Zockerstuben in die Stadt, um die kleinen Monster zu jagen.

"Pokémon Go" bringt Spieler aus ihren Zockerstuben in die Stadt, um die kleinen Monster zu jagen.

Von Valerie Neumaier

Nintendo hatte es nicht leicht in den vergangenen Jahren. Nachdem sich der Videospielgigant Ende der Achtziger mithilfe solider Game-Mechanik und einer ganzen Reihe an zeitlosen Maskottchen wie den Mario Bros., Link, Donkey Kong, Yoshi und Pikachu einen Namen gemacht hatte, trat er mit der Erfindung des GameBoys seinen Siegeszug an - bis nach fast zwanzig Jahren plötzlich ein Ernst zu nehmender Gegner die Handheld-Konsolen bedrohte: das Smartphone, das nicht für jedes einzelne Spiel teure Spielmodule benötigte.

Da Nintendo sich über Jahre hinweg strikt weigerte, sich dem Spielemarkt für Mobiltelefone unterzuordnen, machte das Unternehmen reihenweise Verluste. Dann starb am 18. Juli vergangenen Jahres auch noch Firmenchef Satoru Iwata, von Gamern auf der ganzen Welt wie ein Heiliger verehrt, mit nur 55 Jahren an Krebs. Iwata war, wie er selbst sagte, "auf der Visitenkarte ein Firmenchef, in Gedanken ein Spieleentwickler und im Herzen ein Gamer". Als solcher prägte er eine ganze Generation von Spielern - er schaffte es, den Quellcode von "Pokémon Gold" und "Silber" soweit zu komprimieren, dass die Kanto-Region aus den Vorgängern noch mit auf das kleine Gameboy-Modul passte, rettete vorher noch den RPG-Klassiker "Earthbound", in dem er den an den Ausmaßen des Spiels verzweifelnden Programmierern unter die Arme griff und schrieb später in nur einer Woche das Kampfsystem für "Pokémon Stadium". Es folgten "Starfox", "Metroid Prime", "Super Mario Sunshine", "Animal Crossing" und "The Legend of Zelda: Wind Waker". Selbst Ash, der Held aus der "Pokémon"-Animeserie, trägt ihm zu Ehren im japanischen Original den Namen "Satoru".

Nintendo ist aufgewacht

Der Schock um Iwatas frühen Tod scheint das jahrelang innovationslos dahintrottende Unternehmen wachgerüttelt zu haben. Jetzt, genau ein Jahr später, erobert Nintendo mit "Pokémon Go" den "Augmented Reality"-Markt. Die Idee: Die Realität zur Spielwelt zu machen - per Handykamera.

Das Schnitzeljagd-Prinzip bringt die Gamer aktiv dazu, nach draußen zu gehen und ihre Umgebung zu erkunden. Sogar Videospiel-Kommentatoren, durch ihr Naturell als Berufs-Gamer als eher lichtscheues Volk bekannt, wandern plötzlich kilometerweit, um neue Pokémon oder "PokéStops" aufzuspüren - meist an Sehenswürdigkeiten gelegenen Orten, an denen nützliche Items wie Tränke und Pokébälle zum Fangen der Geschöpfe zu finden sind.

Dabei laufen sich wildfremde Menschen über den Weg, erkennen einander an der virtuellen Spieler-Signatur als Pokémon-Trainer, tauschen Items oder tragen Kämpfe aus - in Fußgängerzonen und Einkaufszentren, auf Waldwegen und am Strand.

Diesen Grad an sozialer Interaktion konnten die Handheld-Vorgänger selbst mit dem globalen WiFi-Kampfsystem des Nintendo DS nicht erreichen. Ein wichtiges Feature der Serie fehlt "Go" bisher allerdings: Das Tauschen von Pokémon, das als Standardfunktion angekündigt wurde, aber bis jetzt nicht funktioniert.

Abgesehen von solchen Startschwierigkeiten birgt das Spiel auch neue Gefahren: Im US-Bundesstaat Missouri wurden vor kurzem "Pokémon Go"-Spieler von organisierten Banden ausgeraubt, die sich die GPS-Funktion des Spiels zunutze gemacht hatten, um gezielt Jagd auf einsame Trainer zu machen und ihnen Geld und Wertgegenstände abzunehmen. So häufen sich die Appelle, seine Umgebung nie außer Acht zu lassen, auch wenn man gerade ein seltenes Pokémon an einer Straßenkreuzung entdeckt hat.

Das Spiel an sich ist übrigens gratis und mittlerweile auch in Deutschland für iOS und Android verfügbar. Der geplante Release-Termin für Europa am 8. Juli musste zuerst verschoben werden - wegen hoffnungslos überlasteter Server. Deshalb warnten Sicherheitsexperten auch davor, sich aus Ungeduld auf Umwegen die App zu verschaffen. Wer sie am Google-Playstore vorbei auf sein Android-Smartphone lädt, laufe Gefahr, eine mit einem Trojaner verseuchte Software zu installieren, berichtete die Firma Proofpoint. iOS-Nutzer konnten sich das Spiel besorgen, indem sie sich einen Account im amerikanischen App-Store zulegten. Mittlerweile ist das aber nicht mehr nötig: "Pokémon Go" ist seit Mittwoch, 13. Juli, zum Download verfügbar.

Neue Unabhängigkeit

Nintendos neue Unabhängigkeit von Konsole und Betriebssystem treibt die Nachfrage der Spieler in die Höhe. Denn anders als Spielekonsolen wie 3DS und Co. hat inzwischen so gut wie jeder ein Smartphone. Nintendo ist in der Gegenwart angekommen - und orientiert sich weiterhin an Iwatas einfachem Erfolgs-Mantra: "Videospiele sollen nur eines tun: Spaß machen. Und zwar jedem."

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"Pokémon Go" bringt Spieler aus ihren Zockerstuben in die Stadt, um die kleinen Monster zu jagen.

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"Pokémon Go" bringt Spieler aus ihren Zockerstuben in die Stadt, um die kleinen Monster zu jagen.