Einfach erklärt

Allergie - Fehlalarm im Körper


Dr. Ulrich Caroli ist Facharzt für Hautkrankheiten in Straubing. Als Allergologe weiß er, warum unser Körper bei manchen Stoffen überreagiert.

Dr. Ulrich Caroli ist Facharzt für Hautkrankheiten in Straubing. Als Allergologe weiß er, warum unser Körper bei manchen Stoffen überreagiert.

Von Tanja Pfeffer

Unser Immunsystem ist ständig auf Streife. Es sucht nach Feinden in unserem Körper. Manchmal trifft es auf Unschuldige und sieht eigentlich harmlose Stoffe als schädlich an. Der Angriff beginnt - dabei kämpft unser Körper nur gegen sich selbst.

Die Nase läuft, Haut und Ohren jucken, Augen tränen, ein Dauer-Niesen begleitet durch den Tag. Wer diese Symptome kennt, hat ein fleißiges Immunsystem - das sich gerade gewaltig täuscht. Denn bei einer Allergie bekämpft der Körper nichts weiter als sich selbst. "Wir reagieren auf einen Stoff aus unserer Umwelt, der eigentlich ungefährlich ist. Unser Immunsystem ordnet diesen Stoff aber als schädlich ein - und will ihn loswerden", erklärt Dr. Ulrich Caroli, Facharzt für Hautkrankheiten aus Straubing. Das Immunsystem brauchen wir, um nicht krank zu werden. Es ist die Schutzpolizei in unserem Organismus. "Bei einer Allergie reagiert diese Polizei aber über. Es macht einen Fehler", so der Facharzt weiter. Dabei kann der Körper auf verschiedene Weise reagieren: juckende und tränende Augen, häufiges Niesen, laufende Nase, juckende Ohren, juckende Hautstellen, Husten bis hin zum allergischen Asthma. Diese Beschwerden können einzeln, aber auch gleichzeitig auftreten. Oft treten erste Anzeichen an den Augen und in der Nase auf, erst später verlagern sich die allergischen Reaktionen auch auf die Bronchien. Experten sprechen dann von einem Etagenwechsel, also von der oberen Etage wie Augen, Ohren und Nase in die untere Etage zum Hustenreiz. "Dann sollte man dringend handeln, um ein allergisches Asthma zu verhindern", rät Dr. Ulrich Caroli.

Die Körperpolizei kann wegen verschiedener Stoffe Alarm schlagen. Der deutsche Allergie- und Asthmabund kennt bis zu 20.000 unterschiedliche Auslöser. Das können Pollen sein, eine bestimmte Creme, Tierhaare oder Pflasterkleber. Aber auch bestimmte Medikamente oder Insektengift können als Feinde im Körper erkannt werden. "Diese Allergien sind besonders gefährlich, sie können sogar lebensbedrohlich sein", warnt der Facharzt. Hier müssen Betroffene besonders aufpassen. "Das Medikament darf nicht mehr eingenommen werden und Insektenstiche dürfen nicht verharmlost werden. Bei einer solchen Allergie fährt der Körper seine schlimmsten Waffen auf. Wichtige Organsysteme wie das Herz-Kreislaufsystem, die Verdauung oder auch die Atmung können dadurch erkranken. Das nennt man auch einen allergischen Schock."

Auf einmal legt sich ein Schalter um

Warum unser Körper auf einmal einen Stoff als Feind einstuft, der ihm früher nicht aufgefallen ist, hat die Wissenschaft noch nicht geklärt. "Es gibt mehrere Theorien dazu. Einige Forscher meinen, dass es mehr Allergien gibt, seit mehr Rußpartikel in der Luft sind. Andere denken, es liege an der stärkeren Hygiene unserer Zeit. Früher kamen die Kinder mehr mit Dreck und Schmutz in Berührung. Wieder andere schieben es auf das veränderte Familienbild von heute. Früher musste man in Großfamilien noch eine bessere Immunabwehr haben, weil immer jemand krank war", führt der Experte einige mögliche Gründe an. All das alleine könne Allergien jedoch nicht hervorrufen, sondern nur verstärken. Es sei vielmehr so, dass sich im Körper von einen Tag auf den anderen ein Schalter umlege und dieser Stoff von nun an bekämpft werde.

Den Schalter wieder zurückzulegen, ist gar nicht so einfach. Wie beweist man der Polizei, dass der Stoff gar nicht so schlimm ist, also eigentlich unschuldig? Die Medizin hat dafür die Möglichkeit der Desensibilisierung entdeckt. Über einen längeren Zeitraum führt der Arzt dem Patienten immer wieder den Stoff zu, auf den er allergisch ist. "Man bietet dem Körper den Stoff in einer geringen Menge an, solange bis er sich daran gewöhnt", erklärt Dr. Ulrich Caroli. "Man will dem Körper zeigen, dass er gar nicht die vollen Geschütze auffahren muss, da der Stoff uns nicht schadet." Diese Methode sei vor allem bei einer Pollenallergie ein wirksames Instrument, es helfe bei bis zu 90 Prozent der Patienten. "Gegen eine Medikamentenallergie aber hilft diese Methode nicht. Das Medikament muss für diesen Patienten verboten werden", warnt Caroli. Betroffene haben dafür auch einen Allergieausweis.

Antihistaminika lindern die Beschwerden

Bei akuten allergischen Symptomen können Augentropfen, Nasensprays oder auch Asthmasprays helfen. Zudem gibt es Allergie-Tabletten, die gegen die Polizei im Körper arbeiten sollen. Diese Tabletten werden Antihistaminika genannt. Das Wort "anti" bedeutet "gegen" und Histamine sind ein Teil der Hormone, die bei einer Allergie ausgeschüttet werden. "Die Tabletten binden diese Hormone, also die Histamine, und lindern so die Allergie-Symptome", sagt Dr. Caroli. Ganz beschwerdefrei werde man aber nicht, da die Allergie noch andere Hormone im Körper bildet. Warum es auch Patienten gibt, bei denen die Allergietabletten gar nicht wirken, zeigt der Experte mit einem einfachen Bild: "Wenn in einer Ecke eines Raumes ein kleines Feuer brennt - das ist jetzt vergleichbar mit der laufenden Nase - können wir mit 100 Liter Wasser - das wären die Tabletten - viel erreichen und den Brand löschen. Die Allergie-Symptome sind also weg. Brennt aber das ganze Haus lichterloh - also alles juckt, tränt und läuft - kommen wir mit 100 Liter Wasser nicht mehr weit. Das Haus brennt weiter." Wer also zu spät zu den Tabletten greift, riskiert, dass sich der Brand, also die Allergie, schon zu weit ausgebreitet hat.

Dr. Caroli rät allen Allergie-Geplagten, deshalb nicht zu lange zu warten und die Tabletten schon bei den kleinsten Anzeichen zu nehmen. Sie können Feuer, das unsere Körperpolizei selbst legt, gut in Schach halten.


Häufige Arten von Allergien

Soforttyp-Allergie: Von einer solchen Allergie sprechen Experten, wenn der Körper innerhalb von 24 Stunden auf das Allergen reagiert. Meist treten die Beschwerden nach 15 Minuten auf. Zu dieser Sorte zählen zum Beispiel Pollen-, Hausstaub-, Tierhaar-, Insektengift- und Teile der Medikamentenallergie.

Spättyp-Allergie: Die Reaktionen des Abwehrsystems setzen erst zwei bis drei Tagen nach Kontakt mit dem Fremdkörper ein. Typisch dafür sind Allergene, die mit der Haut in Kontakt kommen, wie Duftstoffe, Konservierungsstoffe in Pflegeprodukten oder Pflasterkleber.

Sonderfall Pseudoallergien: Die Reaktionen auf Stoffe wie zum Beispiel in Nahrungsmittel sind allergieähnlich, das Immunsystem ist daran aber nicht beteiligt. Hier handelt es sich meist eher um Unverträglichkeiten.


Erkältung oder Allergie?

Oft ist es schwer, eine Allergie von einer Erkältung zu unterscheiden. Die Symptome wie eine laufende Nase, Husten oder ein müdes abgeschlagenes Gefühl sind erst mal gleich. Erst wenn tränende Augen oder juckende Ohren dazukommen, kann man eine Erkältung ausschließen. Auch die Art des Schnupfens kann ein Zeichen sein: Ist das Sekret klar, deutet das eher auf eine Allergie hin. Kommen aber Fieber und starke Gelenkschmerzen hinzu, hat man sich erkältet.


Eine Allergie kommt selten allein

Wer zum Beispiel gegen Birkenpollen allergisch ist, wird auch den herzhaften Biss in einen Apfel bald bereuen. Die Zunge kribbelt, der Hals wird leicht taub. Den Grund dafür sieht Facharzt Dr. Ulrich Caroli in der Ähnlichkeit der Stoffe: "Die Birkenpollen sehen für unseren Körper von ihrer Struktur her genauso aus wie ein Apfelstück. Essen wir also einen Apfel, verwechselt unser Abwehrsystem den Apfel mit den Birkenpollen - und reagiert allergisch." Diese Reaktion könne übrigens auch bei anderen Steinobstsorten wie Birnen, Kirschen oder Aprikosen passieren. Allergiker müssen aber nicht ganz auf das Obst verzichten: Erhitzt man die Früchte, zerstört man die Struktur und der Apfel sieht für unseren Körper anders aus.