Ein Jahr nach Kriegsbeginn

Ukrainische Sportstars: Helden, Botschafter, Kämpfer


Sammelt Spenden und organisiert Hilfsgüter: Wladislaw Heraskewitsch.

Sammelt Spenden und organisiert Hilfsgüter: Wladislaw Heraskewitsch.

Von Von den dpa-Korrespondenten

Ein Jahr nach Kriegsbeginn bleibt die Lage auch für aktuelle und frühere Spitzenathleten der Ukraine schwierig. Manche dienen ihrer Heimat vor Ort, andere als inoffizielle Botschafter bei Wettkämpfen.

Der russische Angriffskrieg hat auch das Leben ukrainischer Sportlerinnen und Sportler einschneidend verändert. Ein Blick auf das Schicksal von sechs Menschen:

Jaroslawa Mahutschich: Zu Beginn des Krieges wachte die 1,81 große Hochspringerin in ihrer Heimat im Osten der Ukraine von Bomben auf. Sie versteckte sich im Nachbardorf. Trainiert wurde in den folgenden Tagen in einer Halle - immer wieder unterbrochen durch Sirenengeheul. Schutz suchte sie in Kellern. Anfang März machte sie sich mit Freund und Trainerin auf eine beschwerliche Autofahrt zur Hallen-WM nach Belgrad, wo sie Gold gewann. Sie habe der Welt zwar gezeigt, dass Ukrainer stark seien und nicht aufgeben würden, aber bei der Siegerehrung hätte sie schreien können, sagte die Olympia-Dritte. Sie träume vom Ende des Krieges und vom Sieg der Ukraine.

Mychajlo Romantschuk und Maryna Bech-Romantschuk: Seit einigen Tagen sind die Eheleute einem Bericht der "Volksstimme" zufolge wieder vereint. Monatelang waren der Schwimmer sowie die Weit- und Dreispringerin an unterschiedlichen Orten. Er trainierte beim SC Magdeburg, sie hielt sich woanders in Europa fit. Bech-Romantschuk gewann im vergangenen Sommer EM-Gold im Dreisprung. Zuallererst springe sie für ihr Land, für ihre Familie, ihren Freund und den Trainer, sagte sie damals in München. Erst dann springe sie für sich. Nun sind beide in Magdeburg. Dort bereitet sich Mychajlo Romantschuk gemeinsam mit Olympiasieger Florian Wellbrock auf die kommenden Höhepunkte vor. Olympia 2024 in Paris ist das gemeinsame Ziel.

Wladislaw Heraskewitsch: "Es ist nicht Putins Krieg, es ist Russlands Krieg", sagte Heraskewitsch der Deutschen Presse-Agentur. Rennen gegen russische Athleten würde der 24 Jahre alte Skeleton-Fahrer deshalb nicht mehr fahren. Heraskewitschs Stimme hat Gewicht: Bei Olympia hatte er am 11. Februar 2022 - kurz vor dem russischen Überfall - ein Blatt Papier in die Kamera gehalten. "NO WAR IN UKRAINE", stand darauf. Kein Krieg in der Ukraine. Heraskewitsch gilt seither als politisches Sprachrohr, er sammelt Spenden und organisiert Hilfsgüter - unter anderem mit dem deutschen Rennrodel-Star Felix Loch. Seit Sommer sind die beiden gut befreundet, Weihnachten verbrachte Heraskewitsch bei Loch und dessen Familie. Raclette gab's und viel bayerische Wurst, berichtete der Skeletoni und resümierte: "Sehr gutes Essen, sehr nette Leute, das war ein Vergnügen." Das nächste Weihnachtsfest würde er aber wieder lieber zu Hause in Kiew feiern - ohne Krieg.

Dmytro Pidrutschnji: Der ukrainische Biathlet kann mittlerweile seinem Sport wieder nachgehen. Seine starken Einzelrennen bei der WM in Oberhof widmete er seinen Landsleuten. "Es ist wichtig für mich, für unser Land, für unsere Leute, die im Krieg sind. Ruhm der Ukraine, Ruhm den Helden", sagte Pidrutschnji. Fast genau vor einem Jahr war der heute 31-Jährige unmittelbar nach dem Einmarsch der Russen in sein Heimatland zurückgekehrt und gut drei Monate als Soldat im Einsatz. Keine 14 Tage nach seinem letzten Olympia-Start in Peking saß der Verfolgungsweltmeister von 2019 mit einem Stahlhelm auf dem Kopf erschöpft in einem Keller, während seine Mitkonkurrenten noch um Weltcuppunkte kämpften. "Ich denke jeden Tag an den Krieg, viele meiner Freunde sind an der Front, einige schon gestorben", sagte Pidrutschnji in Oberhof und bekräftigte einmal mehr, dass er eine Rückkehr russischer Athleten ablehnt: "Der Krieg ist nicht vorbei und ich denke, es wäre ein großer Fehler, wenn die Russen wieder in den Sport zurückkehren würden."

Sergej Stachowski: Im Januar 2022 hielt der 37-Jährige bei den Australian Open noch einen Tennisschläger in den Händen, zwei Monate später in der Heimat eine Waffe. Der viermalige ATP-Turniersieger schloss sich als Freiwilliger der Territorialverteidigung in der ukrainischen Hauptstadt Kiew an. Seine Familie mit seinen drei Kindern brachte er nach Budapest. "Ich weiß, dass ich sterben kann und bin bereit, alles zu tun, was nötig ist", sagte Stachowski dem ZDF. Der Ex-Sportler, der 2013 mit seinem Zweitrundensieg in Wimbledon gegen Roger Federer für eine Riesenüberraschung gesorgt hatte, will aber vor allem seine Stimme im Krieg erheben. Er spricht sich klar und deutlich gegen die Entscheidung der Spielervereinigungen ATP und WTA aus, russische und belarussische Tennisprofis unter neutraler Flagge starten zu lassen. "Ich wünschte, die Tennis- und die Sportgemeinschaft würden erkennen: Es muss mehr passieren! Russische Athleten zu verbannen, zielt nicht gegen die Athleten. Es geht gegen das System."

Dieser Artikel ist Teil eines automatisierten Angebots der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Er wird von der idowa-Redaktion nicht bearbeitet oder geprüft.