Meinung

Deutsch-französischer Haushalt

So überlebte ich das EM-Duell im eigenen Wohnzimmer


Während unsere Autorin nach dem Eigentor jedes Mal zittert, wenn Mats Hummels (links) den Ball im Strafraum klären will, freut sich ihr französischer Freund über das "neue Ehrenmitglied" der französischen Nationalmannschaft.

Während unsere Autorin nach dem Eigentor jedes Mal zittert, wenn Mats Hummels (links) den Ball im Strafraum klären will, freut sich ihr französischer Freund über das "neue Ehrenmitglied" der französischen Nationalmannschaft.

EM-Duell im eigenen Wohnzimmer: Unsere Autorin lebt mit ihrem französischen Freund in einem Haushalt und berichtet, wie sie zusammen das erste Deutschland-Spiel - ausgerechnet gegen Frankreich - miterlebt haben.

Eigentlich sind mein Freund und ich keine Fußballfans. Deswegen haben wir uns vor dem EM-Spiel Deutschland gegen Frankreich auch nicht richtig vorbereitet. Keine Flaggen, keine Trikots und keine Kriegsbemalung. Ist doch nur ein Spiel. Unser Umfeld dagegen macht sich richtig Sorgen. Bereits Stunden vor Anpfiff erreichen mich besorgte Nachrichten: Wie denn die Stimmung sei, klopfen die einen vorsichtig an. Ob wir das Kriegsbeil schon ausgegraben haben, fragen andere. Noch alles ruhig, versichere ich.

Statt eines Kriegsbeils lege ich lieber ein paar Dosenbier in den Kühlschrank - die mit den Deutschlandflaggen drauf versteht sich. Ein kleiner Seitenhieb muss sein. Mein Freund nimmt es mit Humor. Pünktlich zum Anpfiff öffnet er dafür die Terrassentür und schmettert zusammen mit dem französischen Team inbrünstig die Marseillaise. Das kann ich nicht auf mir sitzen lassen. Also gebe ich die deutsche Nationalhymne in Sopranlage zum Besten - zur Freude der ganzen Nachbarschaft. Die Katze nimmt vorsichtshalber Reißaus. Anpfiff. Das Bier zischt. Die Stimmungslage im deutsch-französischen Haushalt: euphorisch-ausgelassen - bis das Eigentor fällt.

In Zeitlupe springt mein Freund auf, ballt die Fäuste und reckt sie mit einem Jubelschrei in die Luft, während im Hintergrund in unserem Wohnzimmer dunkle Gewitterwolken aufziehen. Ein Schrei windet sich aus meinen zusammengepressten Lippen. Ich male mir wutentbrannt schwarz-rot-goldene Streifen auf die Wangen, kremple meine Ärmel hoch, ziehe mein Beil unter der Couch hervor. Ich hole zum Schlag aus und spalte die EM-Bierdose meines Freundes mit einem Urschrei in zwei Hälften, bevor ich mich bebend vor Zorn zu meinem Freund drehe - zumindest wird das die Geschichte sein, die meine Bekannten weitererzählen.

Während wir also unsere Freunde in dem Glauben lassen, dass die deutsch-französische Feindschaft zwischen uns entfacht sei, öffnen wir lieber ein zweites Bier, begießen die Freude über den französischen Sieg und spülen den Ärger über die deutsche Niederlage hinunter. Für diese EM haben wir das Duell unserer Nationen (hoffentlich) hinter uns.