Der Friedhofszwang

Selbst im Tod nur begrenzte Freiheit


Memento Mori - Sei Dir der Sterblichkeit bewusst. Der Tod ist unausweichlich, doch nicht nur der Lebensdauer des Menschen sind Grenzen gesetzt. (Symbolbild)

Memento Mori - Sei Dir der Sterblichkeit bewusst. Der Tod ist unausweichlich, doch nicht nur der Lebensdauer des Menschen sind Grenzen gesetzt. (Symbolbild)

Von Redaktion idowa

Memento Mori - sei Dir der Sterblichkeit bewusst. Der Tod ist unausweichlich, doch nicht nur der Lebensdauer des Menschen sind Grenzen gesetzt. Auch in der Frage, was mit den eigenen sterblichen Überresten geschehen soll, muss man sich in Deutschland der Legislative fügen. Dies regelt der Friedhofszwang. Doch gibt es Alternativen?

"Der Tod muss so schön sein. In weicher brauner Erde zu liegen, wogendes Gras über dem Haupt - und der Stille zu lauschen. Der Tod muss so schön sein. Kein Gestern mehr, kein Morgen. Zeit vergessen, Leben vergessen - in Frieden sein", schrieb Oscar Wilde einst in seinem Werk "Das Gespenst von Canterville". Ein Gedanke, der den Tod nahezu romantisiert, der aber dennoch Trost spendet und nicht wenigen vermutlich die Angst vor dem Unausweichlichen nimmt.

Neben der Endgültigkeit des Todes ist es doch vor allem auch der befremdliche Gedanke, in einer Holzkiste unter der Erde verscharrt zu werden, der die Urängste des Menschen schürt. Eigentlich völlig unnötig, weil man nach dem eigenen Ableben davon ohnehin nichts mehr mitbekommt. Dennoch ist dies bestimmt auch ein Faktor, weshalb sich in Deutschland immer mehr Menschen für eine Feuerbestattung entscheiden. Auch im Freistaat Bayern. "Nach unserer Einschätzung dürfte die Feuerbestattungsquote bayernweit in etwa bei rund 60 Prozent liegen", berichtet Matthias Liebler, Stellvertretender Vorsitzender des Bestatterverbandes Bayern e.V. gegenüber idowa.

Darf man die Asche des Verstorbenen mit nach Hause nehmen?

Zahlen, die belegen, dass ein Großteil der Menschen im Tod zumindest der Erde entkommen möchte, wenn man schon dem Gevatter selbst kein Schnippchen schlagen kann. Allerdings greift auch bei einer Feuerbestattung der in Deutschland gesetzlich geregelte Friedhofszwang. Und das, obwohl Angehörige nicht selten den Wunsch äußern, die Asche des geliebten Menschen mit nach Hause nehmen und dort aufbewahren zu dürfen. In der Bundesrepublik ist dies allerdings nur in einem einzigen Bundesland möglich: in Bremen. Doch auch hier müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein.

Darüber hinaus besteht jedoch kaum alternativer Handlungsspielraum. Denn nach wie vor ist das deutsche Friedhofs- und Bestattungsrecht geprägt von Konservativismus - insbesondere in Bayern. Das Bistum Regensburg positioniert sich in dieser Frage eindeutig und zitiert auf unsere Anfrage hin aus einer Instruktion der Kongregation für die Glaubenslehre: "Um jegliche Zweideutigkeit pantheistischer, naturalistischer oder nihilistischer Färbung zu vermeiden, ist es nicht gestattet, die Asche in der Luft, auf dem Land oder im Wasser (…) auszustreuen oder sie in Erinnerungsgegenständen, Schmuckstücken oder anderen Objekten aufzubewahren." Daher sei die Aufbewahrung an einem heiligen Ort erforderlich. Und weiter: "Die Aufbewahrung der Asche an einem heiligen Ort kann dazu beitragen, dass die Gefahr verringert wird, die Verstorbenen dem Gebet und dem Gedenken der Verwandten und der christlichen Gemeinschaft zu entziehen."

Welche Alternativen gibt es?

Dennoch gibt es in jüngster Vergangenheit immer wieder Versuche, den Friedhof als letzte Ruhestätte zu umgehen. Zum Beispiel mit der sogenannten Tree-of-life-Bestattung, die allerdings nur in Sachsen-Anhalt offiziell zugelassen ist. Dabei wird in den Wurzelstumpf eines Baumes die Asche eines verstorbenen Menschen eingefügt. Dieser Baum wird dann im Ausland in einem Pflanzkübel ein halbes Jahr aufbewahrt und anschließend wieder zurück nach Deutschland geliefert. "Angeblich soll der Baum die Asche dann absorbiert haben. Dies stimmt allerdings nicht", erklärt der Berliner Jurist und Bestattungsrecht-Experte Prof. Dr. Torsten Barthel. Nach seiner Erfahrung würden mittlerweile allerdings viele Menschen in Deutschland den Friedhofszwang illegal umgehen. Dies sei möglich, weil ein Transport des Leichnams ins Ausland ebenso legal sei, wie die dortige Einäscherung. Nach der Ausfuhr der Leiche erfolgt keine weitere Kontrolle bei der Einfuhr der Urne nach Deutschland.

Das ausführliche Interview mit Prof. Dr. Barthel lesen Sie hier: Ein Experte verrät die kuriosesten Bestattungsarten

In anderen Ländern Europas scheint man hier offener zu sein. Barthel: "In den meisten Ländern besteht die Möglichkeit, dass Angehörige die Asche eines Verstorbenen zu Hause aufbewahren oder sogar in Binnengewässer ausstreuen können." Abseits des Friedhofs existiert in Deutschland noch die Alternative, die Urne in einem eigens hierfür ausgewiesenen Waldstück bestatten zu lassen. "Von staatlicher Seite entspricht das auch der Friedhofspflicht. Die katholische Kirche unterstützt diese Form der Bestattung aber nicht, denn ein kirchliches Begräbnis ist nur dann möglich, wenn die Grabstätte dauerhaft durch ein christliches Symbol und dem Namen des Verstorbenen gekennzeichnet werden kann", begründet Jakob Schötz, Sprecher des Bistums Regensburg, die Haltung der katholischen Kirche.

Wer seine letzte Ruhe aber lieber auf hoher See finden möchte, hat diese Möglichkeit in Deutschland. Barthel: "Seebestattungen sind auch in Deutschland zulässig. Wenn ein Verstorbener aus Bayern seebestattet werden soll, müssen sich Angehörige an einen Bestatter wenden, der von einem anderen Bundesland aus die Seebestattung durchführt. Also zum Beispiel Niedersachsen, Schleswig-Holstein oder Mecklenburg-Vorpommern. Voraussetzung dafür ist allerdings der Wille des Verstorbenen." So weit also die Alternativen.

Forderungen nach Umdenken werden lauter

"Bislang hält man in Deutschland an dem recht konservativen Bestattungsrecht fest", bestätigt Barthel. Dennoch gebe es gewisse Lockerungstendenzen und auch die Forderungen nach einem Umdenken werden immer lauter. So gab es in Bayern eine Entscheidung des bayerischen Verfassungsgerichtshofs, wonach eine lediglich zweijährige Mindestruhezeit auf dem Friedhof ausreichen soll, sofern der Friedhofsträger dies in seiner Satzung entsprechend bestimmt hat. Damit würde man von der bisher vorgeschriebenen Ruhezeitregelung abweichen, die zehn bis 20 Jahre betragen kann. Barthel: "Die Verbraucherinitiative Aeternitas fordert etwa, dass die Urne nach Ablauf der Ruhezeit an Angehörige herausgegeben werden muss. Dies ist allerdings aus rechtlichen Gründen nicht möglich."

Klare Kante zeigt der Bestatterverband Bayern e.V. "Wir stehen uneingeschränkt zur derzeitigen Beisetzungspflicht auf Friedhöfen. Es bleibt abzuwarten, ob diese Verpflichtung in Bayern jemals entfallen wird", bekennt Matthias Liebler. Die Würde des Menschen ist in Deutschland per Gesetz unantastbar, der letzte Wille dagegen offenbar nicht.