Deggendorf

THD-Präsident im Interview: „Wir hätten 1.000 Studierende verloren“


Die THD habe fünf neue Studiengänge für Straubing vorgeschlagen, sagt Präsident Sperber: "Leider hat sich Straubing dagegen entschieden." (Foto: Peherstorfer)

Die THD habe fünf neue Studiengänge für Straubing vorgeschlagen, sagt Präsident Sperber: "Leider hat sich Straubing dagegen entschieden." (Foto: Peherstorfer)

Prof. Peter Sperber freut sich, dass Deggendorf Technische Hochschule geworden ist - sonst wären Studenten nach Regensburg oder noch weiter weg abgewandert, ist er überzeugt. Der Präsident der Technischen Hochschule Deggendorf (THD) übt im Gespräch mit unserer Zeitung aber auch Kritik an den Verantwortlichen des Wissenschaftszentrums Straubing. Statt die Angebote der regionalen Hochschulen anzunehmen, setze man auf Konkurrenz: "Das ist für beide Seiten nicht gut."

Herr Prof. Sperber, Sie konnten im vergangenen Herbst Erweiterungsbauten einweihen, um die Sie andere Hochschulen in der Region beneiden. Trotzdem haben Sie bei der Einweihung gesagt, nicht alles entspreche den Vorstellungen des Nutzers. Was meinen Sie damit?

Sperber: Wir mussten während der Planungsphase mit der Größe der Räumlichkeiten etwas zurückgehen, weil die Finanzmittel für das, was wir eigentlich gebraucht hätten, nicht ausgereicht haben. Zweitens haben wir eines der fünf neuen Gebäude nicht gleich bekommen, auch aus Finanzgründen. Durch diese Einschränkungen sind manche Kompromisse eingegangen worden, die uns jetzt wehtun.

Zum Beispiel?

Sperber: Wir wollten einen 100 Meter langen Messtunnel. Aus Finanzgründen laufen da jetzt auch sämtliche Versorgungsleitungen durch. Darunter leiden Begehbarkeit und Schwingungsentkopplung.

Hat die Hochschule jetzt ihren Endausbau erreicht oder soll sie weiter wachsen?

Sperber: Der Bau ist ja 2009 geplant worden - da hatten wir 3 500 Studierende. Jetzt haben wir 5 500. Was wir jetzt bekommen haben, wird nicht ausreichen - es ist jetzt schon zu klein. Die Hochschulverwaltung zum Beispiel sitzt immer noch in Räumen, die wir von der Sparkasse angemietet haben. Außerdem bauen wir mit Gesundheitswesen gerade einen dritten Schwerpunkt an unserer Hochschule auf, für den wir bisher keinerlei Räume zur Verfügung haben. Da machen wir gerade die europaweite Ausschreibung für einen Bestellbau in Deggendorf oder im Umkreis von fünf Kilometern. Hier wird manchmal Metten als Standort genannt - das ist aber noch nicht entschieden.

Seit zwei Jahren ist Deggendorf "Technische Hochschule". Was hat der Titel rückblickend gebracht?

Sperber: Für uns war das notwendig, um in dieser Qualität und Größe weiterzuleben. Ich habe damals von Studierenden gehört: Wenn Deggendorf nicht Technische Hochschule wird und Regensburg schon, werden wir wechseln. Diesen Namen wollen sie auf ihrem Zeugnis haben. Ich glaube, wir hätten 1 000 Studierende verloren, wenn wir den Titel nicht bekommen hätten. Zweitens hilft er uns im internationalen Auftreten ungemein. Für unsere Partner ist das die Bestätigung, dass sie mit der richtigen Hochschule zusammenarbeiten.

Sie expandieren ab Herbst nach Pfarrkirchen. Was versprechen Sie sich davon?

Sperber: Eine weitere Entwicklungsmöglichkeit. Wir wollen nicht unbedingt bei 5 500 Studenten stehen bleiben. Aber wir sehen, dass wir mit unseren jetzigen Bereichen Technik und Wirtschaft eine Grenze erreicht haben. Mehr gibt die Region nicht her, und mehr würden auch unsere Fakultäten nicht verkraften. Um weiter wachsen zu können, brauchen wir einen neuen Bereich. Da haben wir uns für Gesundheitswesen entschieden, weil das in unserer Region stark nachgefragt ist.

Soll es in Pfarrkirchen bei Gesundheitsthemen bleiben oder planen Sie dort auch weiterhin technische Studiengänge?

Sperber: Ein technischer Studiengang ist ein absolutes Muss. Wir wollen in Pfarrkirchen einen akademischen Lehrstandort aufbauen. Dort muss es eine kritische Masse und eine gewisse Interdisziplinarität geben. Mit Gesundheitswesen allein wäre das zu eng.

Die Technische Hochschule Deggendorf ist auch am Wissenschaftszentrum Straubing beteiligt - bisher mit einer Professur. Soll dieses Engagement ausgebaut werden?

Sperber: Wir müssen es ja ausbauen. Wir sind bisher in der Forschung beteiligt und haben das auch sehr genossen. Die Beteiligung war so, dass wir eine Professur nach Straubing gegeben haben, um dort zu lehren und zu forschen. Zurückgekommen ist eigentlich nichts, das war ein reines Geben. Jetzt soll Straubing in der Lehre ausgebaut werden. Da haben wir momentan Differenzen, weil es da eine gewisse Konkurrenz gibt - wobei wir nichts dagegen haben, dass Straubing stärker auch Lehrstandort wird. 1 000 Studierende in Straubing sehe ich nicht als negativ, sondern habe gesagt: Wenn das passiert, sollten wir nicht in Bereiche gehen, wo wir uns gegenseitig Konkurrenz machen. Es ist dann sogar so weit gegangen, dass wir fünf komplette neue Studiengänge für Straubing vorgeschlagen haben. Dann wäre das Thema 1 000 Studenten erledigt gewesen. Leider hat sich Straubing dagegen entschieden.

Warum?

Sperber: Ich glaube, dass da vieles am alten Konkurrenzdenken Straubing-Deggendorf liegt. Nach dem Motto: Es kann doch nicht sein, dass Deggendorf in Straubing etwas anbietet, wir wollen eigentlich lieber universitäre Studiengänge haben. Ich hätte es für intelligenter gehalten, wenn sich die Technische Universität München weiter auf die Forschung und den Master-Bereich konzentriert und die Hochschulen in der Region Straubing mit entsprechenden Bachelorstudiengängen versorgen, um die Masse der Studierenden zu generieren. Jetzt aber bewegt sich Straubing in Bereiche hinein, die die Nachbarhochschulen auch haben.

Welche sind das?

Sperber:
Ingenieurwesen, Wirtschaftswissenschaften, Informatik: Das gibt es in der Region schon, und das ist für beide Seiten nicht gut.

Wie funktioniert die Zusammenarbeit der verschiedenen Hochschulen in Straubing?

Sperber: Wenn man ehrlich ist, gibt es nicht viel Zusammenarbeit. Jede der regionalen Hochschulen hat eine Professur nach Straubing gegeben, und das war es dann. Eigentlich ist Straubing ein Außenstandort der Technischen Universität München und der Hochschule Weihenstephan, den wir unterstützen dürfen. Wir sind zwar im Aufsichtsrat, haben aber in der Praxis nur sehr wenig Einfluss auf die Entwicklung.