Corona-Pandemie

SPD und Grüne: Debatte über Impfpflicht braucht Zeit


Eine Mitarbeiterin einer Impfaktion in Dresden hält Spritzen mit dem Wirkstoff Comirnaty von Biontech/Pfizer in die Kamera.

Eine Mitarbeiterin einer Impfaktion in Dresden hält Spritzen mit dem Wirkstoff Comirnaty von Biontech/Pfizer in die Kamera.

Von mit Material der dpa

Die Omikron-Welle rollt, eine allgemeine Impfpflicht wird sie nicht stoppen können. Dennoch fordert die Union Tempo bei dem Vorhaben. Ampelkoalitionäre treten auf die Bremse.

Politiker von SPD und Grünen haben Erwartungen an einen raschen Beschluss des Bundestages zu einer allgemeinen Impfpflicht im Kampf gegen die Corona-Pandemie gedämpft.

SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese sagte dem Berliner "Tagesspiegel": "Die Beratungen im Bundestag sollten wir im ersten Quartal zum Abschluss bringen." Das sei ein anspruchsvoller Zeitplan. Mit Blick auf mögliche Verzögerungen betonte Wiese, die Impfpflicht wirke ohnehin nicht kurzfristig, sondern sei "perspektivisch eine Vorsorge für den kommenden Herbst und Winter".

"Keine einfache Entscheidung"

Die Fraktionschefin der Grünen im Bundestag, Britta Haßelmann, betonte: "Das ist keine einfache Entscheidung, das bedeutet einen tiefen Eingriff." In den Fraktionen müsse zunächst diskutiert werden, welche Vorstellungen es gebe. "Und dann können wir Ende Januar die öffentliche Debatte im Bundestag darüber führen", sagte Haßelmann den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Die Frage sei "so relevant und weitgehend", dass es eine "fundierte und sehr sorgfältige Beratung" brauche. Haßelmann selbst sprach sich für eine Impfpflicht aus.

Über eine Impfpflicht soll der Bundestag ohne Fraktionsvorgaben abstimmen. Eine schnelle Entscheidung wird es aber voraussichtlich nicht geben. Im Gespräch ist zunächst eine "Orientierungsdebatte" im Januar. Die SPD strebt den Abschluss eines Gesetzgebungsprozesses "im ersten Quartal" an, also bis Ende März. Die dann folgende nächste reguläre Sitzung des Bundesrates stünde am 8. April an.

Städtetag drängt auf rasche Entscheidung

Der Deutsche Städtetag unterstützt Pläne zur Einführung einer allgemeinen Impfpflicht und setzt auf eine rasche Entscheidung. "Um die Pandemie hinter uns zu lassen, müssen wir ganz überwiegend geimpft sein, das schaffen wir vermutlich nur mit einer allgemeinen Impfpflicht", sagte Städtetagspräsident Markus Lewe den Funke-Zeitungen. Er mahnte: "Die notwendige Debatte dazu muss der Bundestag zügig führen und entscheiden. Dann würden wir besser gerüstet in die fünfte Welle gehen."

Unionsfraktionsgeschäftsführer Thorsten Frei forderte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) auf, in der Frage aktiver zu werden. "Der Bundeskanzler kann jetzt nicht mit verschränkten Armen warten, ob es Vorschläge aus dem Parlament gibt oder nicht. Da wird wertvolle Zeit vertrödelt. Das ist das Gegenteil von Führung, das ist Arbeitsverweigerung!", sagte der CDU-Politiker der "Bild am Sonntag".

Eine Mehrheit der Bürger spricht sich einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Insa zufolge für eine allgemeine Impfpflicht aus. In der Umfrage für die "Bild am Sonntag" befürworteten 61 Prozent eine solche Impfpflicht, 32 Prozent sind dagegen, 7 Prozent machten keine Angabe.

Appell an Eltern

Der Deutsche Kinderschutzbund appelliert derweil an Eltern, sich gegen das Coronavirus impfen zu lassen. "Eine schwere Erkrankung der Eltern wäre für ihre Kinder viel schlimmer, als dass die Eltern sie nicht ins Kino begleiten können", sagte der Präsident des Kinderschutzbundes, Heinz Hilgers, der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Auf die eigene Gesundheit achten, das sei für Menschen mit Kindern auch im Interesse des Nachwuchses.

Die Frage einer allgemeinen Impfpflicht war auch Thema der Bund-Länder-Beratungen am Freitag. "Alle 16 Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder haben sich dazu bekannt, dass sie für eine allgemeine Impfpflicht sind", hatte Kanzler Scholz im Anschluss gesagt. Die Runde hatte auch neue Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung beschlossen - unter anderem eine flächendeckende 2G-plus-Regelung in der Gastronomie und geänderte Quarantänebestimmungen.

Buschmann verteidigt Maßnahmen

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) verteidigte die Regelungen für die Gaststätten. Demnach haben nur noch Geboosterte und doppelt Geimpfte mit tagesaktuellem Test Zugang. "Die Alternative wäre die vollständige Schließung der Gastronomie gewesen", sagte Buschmann der "Bild am Sonntag". "Gegen die Delta-Variante reichte 2G als Schutz, in der Omikron-Welle brauchen wir 2G plus, also zusätzlich Booster oder Test." Er könne aber die Sorgen der Gastronomen gut verstehen, "denn es bedeutet mehr Kontrollaufwand und wahrscheinlich auch schlechtere Umsätze", sagte der Minister.

Der Ärzteverband Marburger Bund befürchtet unterdessen, dass sich viele Menschen unbemerkt mit der Omikron-Virusvariante infizieren. "Es besteht die Gefahr, dass viele Menschen ihre Corona-Infektion gar nicht als solche wahrnehmen und lediglich von einer Erkältung ausgehen", warnte die Verbandsvorsitzende Susanne Johna im Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). So träten Geruchs- und Geschmacksstörungen bei einer Omikron-Infektion gar nicht mehr auf. Johna riet daher, auch bei ganz leichten Symptomen einen Antigen-Schnelltest zu machen. "Wer einen Schnupfen hat, hustet oder sich unwohl fühlt, sollte sich vorsorglich testen und isolieren und im Zweifelsfall am zweiten Tag erneut einen Antigentest machen", sagte Johna dem RND.