Corona-Faktencheck

Keine Pandemie? Das sagt die WHO wirklich über PCR-Tests


Die Weltgesundheitsorganisation WHO sorgt mit einer Bekanntmachung zu Corona-Tests für Aufruhr im Netz. (Symbolbild)

Die Weltgesundheitsorganisation WHO sorgt mit einer Bekanntmachung zu Corona-Tests für Aufruhr im Netz. (Symbolbild)

Von Redaktion idowa

Eine Notiz zur korrekten Verwendung von PCR-Tests, die die Weltgesundheitsorganisation (WHO) am 20. Januar veröffentlich hat, zieht im Internet weite Kreise. Es wird behauptet, die WHO habe damit die Corona-Pandemie samt der gegen sie getroffenen Maßnahmen für null und nichtig erklärt. Die besagte Notiz gibt es wirklich - doch die WHO hat damit etwas anderes gesagt.

Die WHO hat die Bekanntmachung, die im Zentrum der Aufregung steht, am 20. Januar unter dem Titel "WHO Information Notice for IVD Users 2020/05" auf ihrer Webseite veröffentlicht. "IVD" steht dabei für "In Vitro Diagnostical Device", also ein Gerät, das Diagnostik in Reagenzgläsern ermöglicht - eben beispielsweise Labor-PCR-Tests.

Die Weltgesundheitsorganisation weist hier darauf hin, dass nur schwach positive Covid-19-Befunde vorsichtig bewertet und gegebenenfalls mit einem erneuten Test überprüft werden sollten - vor allem dann, wenn der Getestete keine oder nur schwache Krankheitssymptome zeigt. Zugleich wird angemerkt, dass bei sinkender Verbreitung des Virus die Wahrscheinlichkeit falsch positiver Befunde auf Sars-CoV2 steige. "Ärzte sollten Testergebnisse also stets in Kombination mit dem Zeitpunkt der Probe, der Art der Probe, Patientengeschichte, Pandemielage und klinischer Beobachtung bewerten", heißt es weiter.

Die WHO-Veröffentlichung sorgte bei jenen, die den Corona-Maßnahmen kritisch gegenüberstehen oder sie ablehnen, für großen Wirbel. Unter dem Titel "Brisantes WHO-Gutachten: Es gibt keine globale Corona-Pandemie" forderte etwa Katrin Ebner-Steiner, Vorsitzende der bayerischen AfD-Landtagsfraktion, darauf aufbauend ein sofortiges Ende des Lockdown.

Rechtfertigen PCR-Tests keine Maßnahmen?

Von den Maßnahmen-Gegnern wird im Grunde argumentiert, dass sich der in Deutschland verwendete PCR-Test nicht dazu eigne, im großen Stil Coronavirus-Infektionen nachzuweisen, da er zu empfindlich sei und auch Getestete mit niedriger Viruskonzentration zu Infizierten und potenziellen Virus-Überträgern erkläre. Damit würden die resultierenden Infektionszahlen und der Inzidenzwert verfälscht, wird behauptet.

Professor Dr. Bernd Salzberger, Infektiologe am Regensburger Uniklinikum, sieht das anders: "Die WHO weist hier einfach darauf hin, dass es bei jedem Test uneindeutige oder falsch positive Befunde geben kann - ein Fakt, der jedem Arzt geläufig ist", sagt er gegenüber idowa. "Auch der sehr zuverlässige PCR-Test ist hier nicht ausgenommen." Die WHO erkläre lediglich, dass vor allem bei einem Nachweis von nur geringen Virusmengen oder bei möglicherweise gegebenen Einflussfaktoren unter Umständen eine Nachtestung erfolgen sollte.

Der weitere WHO-Hinweis, dass sich der sogenannte "Ct-Wert", der bei PCR-Tests ermittelt wird, umgekehrt proportional zur Anzahl von Viren in einer Probe verhält, ist zutreffend. "Ct" steht für "Cycle Threshold" (Schwellenwert-Zyklus) und besagt, wie lange es dauert, bis im Corona-Test eine Fluoreszenz am Virus-Erbgut gemessen werden kann. Je geringer die Viruslast in der Probe ist, desto länger dauert dies - ein hoher Ct-Wert spricht also für eine niedrige Zahl an Viren in der Probe. Untersuchungen des Robert-Koch-Instituts (RKI) haben gezeigt, dass Coronaviren ab einem Ct-Wert von 30 im Labor nicht mehr vermehrt werden konnten, sodass Getestete mit einem solchen Wert als nicht mehr ansteckend gelten können. Britische Forscher konnten jedoch auch bei einem Ct-Wert von über 35 noch Viren in Proben vermehren, was laut RKI daran liegen dürfte, dass Echtzeit-PCR-Tests nicht standardisiert sind und ihre Ergebnisse dementsprechend von Labor zu Labor variieren.

Es kann also im Einzelfall zu unplausiblen oder grenzwertigen Ergebnissen in Zusammenhang mit den Ct-Werten in Tests kommen. Die Sachlage ist vor allem dann nicht ganz eindeutig, wenn ein Getesteter keine nennenswerten Krankheitssymptome zeigt. Für solche Fälle gibt das RKI allerdings sogenannte "Dual Target"-Tests vor, bei denen Labore das Probenmaterial mit verschiedenen Testsystemen auf unterschiedliche Gensequenzen des Coronavirus testen, sogenannte "Targets". Bei diskrepanten Ergebnissen innerhalb eines Tests oder bei unklaren Testergebnissen werden die Ergebnisse eingängig durch einen erfahrenen Diagnostiker analysiert. Bei Bedarf wird eine neue Probe angefordert und der Test wiederholt. Laut RKI soll der Befund in jedem Fall "eine klare Entscheidung im Hinblick auf die Meldung einer Infektion ermöglichen."

Genaueres zur Funktionsweise und Verlässlichkeit von PCR-Tests finden Sie in unserem Faktencheck: Wie verlässlich sind PCR-Tests?

Das Robert-Koch-Institut weist zudem darauf hin, dass die Viruslast und damit der Ct-Wert allein nicht ausreichen, um zu beurteilen, wie ansteckend ein Getesteter ist. Dies werde durch weitere Faktoren beeinflusst, "wie beispielsweise die Zeit seit Symptombeginn, den klinischen Verlauf der Krankheit und Verhaltensweisen der betroffenen Person." Ob ein Infizierter SARS-CoV-2 an andere weitergibt, hängt auch "von der Dauer und Art des Kontakts sowie von Außenumständen wie beispielsweise der Raumbelüftung, der Luftfeuchtigkeit und der Lufttemperatur" ab. Hinzu kommen Faktoren wie der Zeitpunkt der Probennahme während des Krankheitsverlaufs, die Qualität des Probenmaterials, der Abstrichort oder das das verwendete Testsystem. "Einen klaren Ct-Wert, ab dem einen Person als positiv, aber nicht ansteckend gilt, gibt es also nicht", schreibt die Deutsche Welle in Bezug auf mehrere wissenschaftliche Fachartikel. Das Robert-Koch-Institut befindet sich somit im Einklang mit der WHO, die auf die Auswertung im Kontext der Begleitumstände hinweist.

Falsche Schlussfolgerung

Entscheidend ist für Dr. Bernd Salzberger letztlich, dass sich die Weltgesundheitsorganisation in ihrem Dokument "mitnichten auf eine angeblich ungeeignete Teststrategie bezieht", sondern nur auf sehr seltene Fehlerquellen aufmerksam macht. "Diese Fehler können vorkommen und betreffen nicht nur medizinische, sondern auch andere Testsysteme", fügt er an. "Die Covid-19-Teststrategien sind von vornherein so aufgesetzt, dass diese Fehlerquellen mitbedacht sind."

Stellt die WHO mit dieser Bekanntmachung also die Existenz einer Pandemie in Abrede und invalidiert die dagegen getroffenen Maßnahmen? "Nein, diese Schlussfolgerung kann nur durch ein Missverständnis der Mitteilung entstehen", sagt der Regensburger Infektiologe.