G20-Gipfel

Warnung vor zu hohen Erwartungen an die Weltklimakonferenz


Bundesumweltministerin Svenja Schulze warnt vor verallgemeinerter Kritik an der Klimaschutz-Politik.

Bundesumweltministerin Svenja Schulze warnt vor verallgemeinerter Kritik an der Klimaschutz-Politik.

Von mit Material der dpa

Über die Wichtigkeit der Klimakonferenz in Glasgow sind sich alle einig. Darüber, ob sie auch die nötigen Ergebnisse bringt, herrscht noch Skepsis.

Politik und Wirtschaft haben von den Teilnehmern der Weltklimakonferenz entschiedenes Handeln gefordert, gleichzeitig aber vor zu hohen Erwartungen gewarnt.

"Es wäre ein Fehler, von Weltklimakonferenzen die spontane Weltrettung zu erwarten - dafür ist die Herausforderung zu komplex", sagte Bundesumweltministerin Svenja Schulze dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Klimakonferenzen funktionieren nicht nach dem Prinzip Alles oder Nichts. Das ist ein Langstreckenlauf, bei dem jede Etappe ihre Bedeutung hat. Glasgow wird nicht Paris 2.0", sagte die SPD-Politikerin.

Dagegen forderte der britische Premierminister Boris Johnson eine Aufholjagd beim Klimaschutz. "Die Menschheit, als Ganzes, liegt zur Halbzeit 5:1 hinten", sagte Johnson am Samstag auf dem Flug zum G20-Gipfel in Rom.

"Wir haben die Möglichkeit, auszugleichen, die Position zu retten, zurückzukommen, aber es wird eine Menge Kraft kosten", sagte der Regierungschef, wie britische Medien berichteten. Die COP26, die an diesem Sonntag im schottischen Glasgow beginnt, sei die letzte Möglichkeit, einen Anstieg der Erderwärmung um mehr als 1,5 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter zu verhindern.

Johnson verwies auf die Geschichte. "Wenn etwas schief geht, kann es mit außergewöhnlicher Geschwindigkeit schief gehen", sagte er. "Das hat man beim Fall des Römischen Reichs gesehen, und ich fürchte, dass wir auch einen Absturz unserer Zivilisation, unserer Welt sehen könnten, falls wir es nicht schaffen, den Klimawandel zu bekämpfen." Johnson sagte, das Beste, das in Glasgow passieren könne, sei, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu beschränken - und auch dies werde sehr schwierig.

Derweil warnte Schulze die Klimabewegung vor "Endzeitdebatten" und zu sehr verallgemeinerter Kritik an der Klimaschutz-Politik. "Fortschritte sind möglich und finden statt." Der Klimaschutz genieße mittlerweile weltweit höchste Priorität, auch in den deutschen Koalitionsverhandlungen. Das sei "ein Riesenschritt nach vorn und hat im Übrigen auch etwas mit dem Engagement der Klimabewegung zu tun", sagte Schulze. "Diese Endzeitdebatte, wonach die Welt unterginge, wenn wir uns jetzt nicht alle sofort in unser stilles Kämmerlein begeben, uns nicht mehr bewegen und nichts mehr essen - ich übertreibe hier mal absichtlich - führt nicht zum Ziel. Natürlich ist es besser für Umwelt, Klima und übrigens auch Gesundheit, wenn wir in Deutschland zum Beispiel weniger Fleisch essen. Aber man sollte nicht glauben, dass damit die Klimakrise gelöst wäre."

Müller: Dramatische Folgen für arme Länder

Entwicklungsminister Gerd Müller warnte unterdessen vor dramatischen Folgen des Klimawandels. "Wenn wir jetzt weltweit nicht entschieden handeln, steuert die Erde auf eine Erwärmung von 2,7 Grad zu", sagte Müller den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Die Folgen wären dramatisch, vor allem für die ärmsten und verwundbarsten Länder", meinte der CSU-Politiker. Dies wiederum würde zu "massiven Flüchtlingsströmen" führen.

Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter mahnte entschlossenes Handeln für mehr Klimaschutz an. "Auch sechs Jahre nach dem historischen Klimaschutzabkommen von Paris ist die Weltgemeinschaft weit vom 1,5-Grad-Pfad entfernt", sagte Hofreiter der "Heilbronner Stimme". Das Zeitfenster für effektive Maßnahmen zur Begrenzung des Temperaturanstiegs werde immer kleiner. "Die Erwartungen an die Weltklimakonferenz sind enorm. Es geht jetzt darum, rasch ins Handeln zu kommen und geeignete Maßnahmen für mehr Klimaschutz auf den Weg zu bringen." Dabei müsse Deutschland eine Vorbildrolle einnehmen.

"Industrie ist in Sorge"

Der frühere Bundesumweltminister Norbert Röttgen forderte die Ampelparteien auf, ein Konzept für den Weltklimagipfel in Glasgow vorzulegen. Bis zur entscheidenden Phase der Konferenz sollten die Unterhändler von Grünen, Liberalen und Sozialdemoraten "substanzielle Aussagen zur künftigen deutschen Klimapolitik machen", sagte das CDU-Präsidiumsmitglied der Funke Mediengruppe. "Im Sondierungspapier ist da Fehlanzeige." Es enttäusche ihn, dass "hier bislang nichts gekommen" sei. Röttgen äußerte sich zugleich verhalten zu den Erfolgsaussichten der Klimakonferenz. "Ich wünsche das Beste. Aber es gibt sehr klare Warnsignale."

Der Präsident des Industrieverbands BDI, Siegfried Russwurm, warnte vor einem Scheitern des UN-Klimagipfels. "Die Industrie ist in Sorge, dass auf der Weltklimakonferenz in Glasgow der dringend notwendige globale große Wurf für den Klimaschutz erneut nicht gelingt", sagte Russwurm der Funke Mediengruppe. "Die globale klimapolitische Wende zum Erreichen der Pariser Klimaziele steht auf dem Spiel. Im Kampf gegen die Erderwärmung sind stärkere internationale Kooperation und verbindliche Ziele unverzichtbar."