Content-Netzwerk von ARD und ZDF

Ausgefunkt: Wie schlagen sich die Öffentlich-Rechtlichen in den sozialen Medien?


Phil Laude, Benni Wolter, "maiLab", "MrWissen2go" und Leeroy Matata: Sie alle sind Stars in den sozialen Medien. Und sie alle sind Teil von Funk.

Phil Laude, Benni Wolter, "maiLab", "MrWissen2go" und Leeroy Matata: Sie alle sind Stars in den sozialen Medien. Und sie alle sind Teil von Funk.

Von Matthias Keck

ARD und ZDF auf Social Media - das passt nicht wirklich. Oder doch? Tatsächlich stecken die Fernsehsender mit ihrem Netzwerk Funk immer öfter hinter großen Onlineformaten. Reicht das als Plan für die digitale Zukunft? Eine Meinung.

Das Fernsehen hat ein Problem. Wenn Jugendliche nichts mit sich anzufangen wissen, zücken sie ihren treuesten Langeweile-Killer, das Smartphone. Das Internet bedroht immer stärker die TV-Programme.

Die tägliche Fernsehreichweite bei 14- bis 29-Jährigen stürzte von über 80 Prozent um das Jahr 2005 ab auf 38 Prozent heute, wie die Langzeitstudie zur Massenkommunikation von ARD und ZDF zeigt. Junge Zuschauer ketten sich an keine Sendefolgen mehr, sondern klicken wann und wo sie wollen auf das, was ihnen spontan zusagt. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis dem Fernsehen der Stecker gezogen wird.

Diese Entwicklung will der öffentlich-rechtliche Rundfunk stoppen. Deshalb gründeten ARD und ZDF 2016 das Jugendnetzwerk Funk. "Wir gehen dorthin, wo die Zielgruppe sich aufhält", erklärt das Funk-Presseteam. Funktioniert das?

Gekaufter Ruhm

Ein Blick auf die Zahlen verrät: Ja! Funk-Kanäle landen regelmäßig in den YouTube-Trends, so etwa der Wissenschaftskanal "maiLab" von der Chemikerin Mai Thi Nguyen-Kim. Sie erhielt für ihre Aufklärung zu Corona sogar den Bundesverdienstorden. Gut sieht es auch beim offiziellen Instagram-Kanal von Funk aus, der über 300 000 Follower zählt.

Solche Zahlen sind für Funk wichtig, um das eigene Bestehen rechtfertigen zu können. Denn die ganze Bevölkerung zahlt Rundfunkgebühren. Als Gegenleistung ist es Aufgabe der öffentlich-rechtlichen Medien und damit auch die von Funk, möglichst alle mit hochwertigem Inhalt zu erreichen. Das geschieht auch: Einer Befragung der SWR- und ZDF-Medienforschung zufolge kennen mittlerweile 82 Prozent der Zielgruppe die Marke Funk.

Der Erfolg darf die Hintergründe solcher Zahlen nicht verdecken: Manche Funk-Größen sind nämlich gar keine - zumindest keine hausgemachten. Funk-Originale wie "maiLab" gibt es zwar. Andere, darunter Comedy-Star Phil Laude, der Kanal "MrWissen2go" oder das Format "Leeroy will's wissen", kamen aber erst später dazu. Sie alle hatten da schon erfolgreiche YouTube-Jahre hinter sich. Funk hat sie mit Beitragsgeldern dazugekauft. Und mit ihnen ihre Reichweite.

Eigentlich müsste das Netzwerk mit hohen Aufrufzahlen beweisen, wie gut die eigenen Formate ankommen. Und warum es sich lohnt, sie öffentlich zu finanzieren. Das Geld fließt nun auch an Produzenten, die sich ohne Funk schon behaupten konnten. Funk erweckt den Eindruck, nicht das Zeug zur Star-Schmiede zu haben.

Dennoch: Für den User hat es Vorteile, wenn sich ein Kanal mit Funk zusammenschließt: "Denkt dran, Phil ist Teil von Funk, ihr könnt euch den Song herunterladen", schreibt ein Nutzer unter einem Musikvideo von Phil Laude. Dank einer Vereinbarung mit YouTube ist die Download-Funktion - sonst nur zahlenden Premiumkunden zugänglich - für alle kostenlos verfügbar. Außerdem ploppen bei Funk keine Anzeigen ins Bild, schließlich ist es nicht auf Werbegelder angewiesen.

Bunt und reichhaltig

Genau das tut vor allem den Inhalten gut. "In einem marktwirtschaftlichen Umfeld können Qualitätsmedien speziell für Jugendliche schwer bestehen", erklärt Kathrin Buchner. Sie ist Teamleiterin Digital bei Puls, dem jungen Programm des BR, dessen Social-Media-Inhalte auch zu Funk gehören.

Die Angebotspalette von Funk - wertvoll oder niveaulos?

Bei Funk tummeln sich fernab der Webvideo-Sternchen auch Nischenprodukte, die für private Videoproduzenten zu wenig Werbeeinnahmen bringen würden - so auch der Kanal "Die da oben!". Leonie aus Perkam findet es gut, dass ARD und ZDF sich so an die Jugend wenden: "Funk macht es attraktiv, sich mit aktuellen Geschehnissen aus Politik und Gesellschaft auseinanderzusetzen." "Die da oben!" will seine Community mit kurzen Clips für das Geschehen im Bundestag begeistern. Das Netzwerk betreibt mehrere Formate mit dieser Zielsetzung. Sie gehören zur Kategorie "Information". Die ist neben "Orientierung" und "Unterhaltung" einer der drei inhaltlichen Bereiche von Funk. Die Abonnentenzahlen von "Die da oben!" wachsen seit dem Start vor drei Jahren nur langsam. Funk hält aber bisher an dem Kanal fest. Solche Projekte machen die Angebotspalette bunt und reichhaltig.

Dazu tragen auch Inhalte aus dem Bereich "Orientierung" bei. Viele Heranwachsende sind froh, dass dort tägliche Sorgen zur Sprache kommen. Auch für Katharina aus dem Landkreis Straubing-Bogen ist das wichtig: "Funk behandelt Tabuthemen wie Alkoholismus oder familiäre Missstände". Sie findet, die Formate ergänzen das TV-Angebot sinnvoll.

Nutzer finden sich wieder

Charlotte Horsch vom "JFF - Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis" stimmt dem zu. Sie schätzt besonders die YouTube-Serie "Druck". Eine Staffel des Funk-Formats handelt von Matteo, der sich in den Trans-Jungen David verliebt. Beide lernen gemeinsam, zu sich und ihrer Liebe zu stehen. "Jugendliche ohne persönliche Berührungspunkte zu queerem Leben erhalten Einblicke, wozu sie sonst keine Chance gehabt hätten", fasst Charlotte Horsch zusammen. Ihre Einschätzung spiegelt sich auch in den Kommentaren wieder. Ein Fan der Serie gesteht, nicht verstanden zu haben, warum Homosexuelle wie Matteo sich und ihr Umfeld mit ihrer Sexualität belügen. "Aber nach dieser Folge erscheint mir das Ganze erstmals stimmig", schreibt er zu Episode drei der Staffel. Charlotte Horsch erklärt, die Serie biete Homosexuellen Charaktere, mit denen sie sich identifizieren können. Erneut zeigt sich das auch am Feedback auf YouTube: "Ich kann nicht ausdrücken, wie gut es tut, sich in einer Serie wiederzuerkennen".

Mit oder ohne Niveau?

"Druck" ist ein Unterhaltungsformat, vermittelt aber dennoch Botschaften, die ebenso im Bereich "Orientierung" eine Rolle spielen. Die Kategorie "Unterhaltung" nimmt bei Funk den größten Raum ein. Nur: Vieles davon ist reine Comedy, die bei weitem nicht allen zusagt. Was davon die Beitragsfinanzierung verdient, ist nun mal subjektiv. "Für mich ist es ein Rätsel, warum Funk Geld in Kanäle mit geringem Niveau steckt, wie zum Beispiel den Satire-Kanal ,World Wide Wohnzimmer'. Daran muss sich noch etwas ändern", findet etwa Matthias aus Windberg. Er sagt jedoch auch: "Grundsätzlich leistet Funk aber gute Arbeit."

Online keine Quotenkönige

Das stimmt. Bei all der berechtigten Kritik liefert Funk insgesamt wertvolle Beiträge. Der Social-Media-Zug drohte vor wenigen Jahren noch an den Öffentlich-Rechtlichen vorbeizurauschen. Durch Funk sind sie erfolgreich aufgesprungen.

Das Netzwerk könnte zu einer Vorlage werden, wie sich ARD und ZDF insgesamt zu entwickeln haben. Denn auch ihr Hauptprogramm muss wohl spätestens dann online stattfinden, wenn die Smartphone-Generation so alt ist wie das TV-Publikum heute.

Dabei ist es wichtig, dass die Sender sich an die Regeln des Netzes halten. Jahrzehntelang erfüllten sie allein eine mediale Versorgerfunktion: Was sie nicht zeigten, zeigte keiner. Dann erst kamen die Privatsender. Im Internet stiegen ARD und ZDF nicht als Quotenkönige ein. Im Gegenteil: Viele Jahre lang wuchs dort ein eigenes Ökosystem heran, ganz ohne sie.

Deshalb sollte Funk nicht - wie früher die Fernsehsender - auf Kaufjagd gehen und sich Stars einverleiben. Auch wenn der Schwerpunkt auf Comedy und Satire ein Sprungbrett für Kritiker bleiben wird: Ein Großteil der neuen Kanäle, die Funk gründet, genau wie viele kleine, die es unterstützt, könnten das Internet von sich aus ein Stück weit zu einem besseren Ort machen. Denn Funk hat kreativen Raum, Jugendliche so weiterzubilden, dass sie Informationen auch gerne aufnehmen und sie so zu unterhalten, dass sie Schlüsse für ihr eigenes Leben ziehen. Ohne damit Geld verdienen zu müssen. Der Zuschauer bleibt dadurch Mensch, steht im Vordergrund und wird - anders als sonst so oft im Internet - nicht zum Produkt.

Was ist Funk?

Funk ist das Jugendangebot in den sozialen Medien des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Der kam in Westdeutschland Ende der 1940er Jahre auf. Durch die Finanzierung aus Beiträgen sollten damals unabhängige Radio- und TV-Berichterstattung gesichert werden.

Heute noch muss jeder Haushalt einen Rundfunkbeitrag von monatlich 17,50 Euro zahlen. Die Sender sind also wirtschaftlich unabhängig, liefern dafür Qualitätsinhalte für die gesamte Bevölkerung.

Auch die Jugend soll davon erreicht werden. Das setzt Funk auf Social Media um. Es liefert Produktionen in den Bereichen Information, Orientierung und Unterhaltung für 14- bis 29-Jährige. Zu Funk gehören beispielsweise Onlineinhalte von Puls, dem jungen Programm des BR, Reportage-Kanäle, Comedy- und Satireformate oder Talk-Podcasts.

Die Funk-Serie "Druck" erzählt über Jugendliche und ihre Probleme. Manche Zuschauer bekommen so einen Einblick in fremde Welten, andere können sich mit den Figuren identifizieren.

Die Funk-Serie "Druck" erzählt über Jugendliche und ihre Probleme. Manche Zuschauer bekommen so einen Einblick in fremde Welten, andere können sich mit den Figuren identifizieren.