Cham

Bankbelegschaft wehrt sich gegen ihren Chef


Dem Chef der Chamer Volksbankfiliale ist fristlos gekündigt worden. Dagegen klagt er jetzt vor dem Arbeitsgericht.

Dem Chef der Chamer Volksbankfiliale ist fristlos gekündigt worden. Dagegen klagt er jetzt vor dem Arbeitsgericht.

Es steht Aussage gegen Aussage, der Fall dahinter ist höchst ungewöhnlich: Die gesamte Belegschaft der Volksbank Cham wehrt sich gegen ihren Geschäftsstellenleiter.

Der würde sie regelmäßig beleidigen und demütigen, sie teils sogar im Schalterraum vor Kunden wüst beschimpfen. In schriftlichen Stellungnahmen hat jeder seine Erlebnisse mit dem ungeliebten Chef niedergeschrieben. Das gutes dutzend Protokolle liegt nun bei Arbeitsrichter Dietmar Striegan. Denn die Volksbank Straubing hat nach Bekanntwerden der Vorwürfe dem Geschäftsstellenleiter fristlos gekündigt. Der geschasste Banker wehrt sich gegen die Entlassung und auch gegen die Vorwürfe. Die Aussagen seiner Kollegen wären allesamt erfunden, beteuerte der 57-Jährige am Donnerstag vor Gericht.

In der Bank herrschte "ein Klima der Angst"

Schon seit 39 Jahren ist er bei der Volksbank beschäftigt, davon 27 Jahre in Führungsverantwortung. Und während all der Jahre habe es nie Beschwerden gegeben, betonte der Anwalt des gekündigten Bankers. Hart kritisierte der Jurist das Vorgehen der Volksbank, die vor der Kündigung nicht einmal das Gespräch mit dem Beschuldigten gesucht habe. "Sie hätten mit ihm sprechen müssen, hätten Coaching- oder Teambuildingmaßnahmen einleiten oder auch einen Mediator bestellen können", hielt er dem anwesenden Vorstand der Volksbank Straubing entgegen. Das Vorgehen nannte er "unverhältnismäßig" angesichts der langen Beschäftigungsdauer.

Auch der Arbeitsrichter hakte an diesem Punkt ein. Er sprach besonders das Fehlen einer Abmahnung an. Diese sei nur bei extrem großer Pflichtverletzung entbehrlich. Im Fall des Geschäftsstellenleiters hätte die Bank aber unbedingt prüfen müssen, ob eine Abmahnung das Verhalten nicht doch zum Positiven beeinflusst hätte.

Abmahnung wäre "viel zu milde"

"Eine Abmahnung wäre als Reaktion viel zu milde gewesen", hielt der Anwalt der Volksbank entgegen. Er verwies auf die Schwere der Beleidigungen. Laut der Aussage von Mitarbeitern habe der Geschäftsstellenleiter Untergebene auf rüde Weise beleidigt. Es fielen Aussagen wie "Sie sind zu nichts zu gebrauchen, einfach eine Katastrophe" oder auch "Stellen Sie sich nur so dumm..." 18 beleidigende Äußerungen hatte der Anwalt für das Gericht aufgelistet. Über zwei Jahre seien die Mitarbeiter gedemütigt worden. "Es herrschte ein Klima der Angst", berichtete der Jurist.

Dass die Zentrale der Volksbank überhaupt von den Vorwürfen erfahren habe, sei einem Zufall zu verdanken. Eine Chamer Mitarbeiterin habe einer Auszubildenden in Straubing von den Vorgängen berichtet. Diese habe daraufhin die Chefetage informiert. "Wir haben den Betriebsrat eingeschaltet und die Chamer Belegschaft zum Gespräch gebeten. Alle sind gekommen und alle waren verängstigt", schilderte der Vorstand die Situation. Er habe die Mitarbeiter gebeten, ihre Erlebnisse niederzuschreiben. Ende November 2015 kamen die schriftlichen Stellungnahmen und der Vorstand reagierte mit der fristlosen Kündigung. Alle anderen Optionen schloss der Bankchef aus, denn: "Wir mussten unter Personal schützen. Es herrschte ein menschenunwürdiges Arbeitsklima."

Der Betroffene weist die Vorwürfe zurück



Der Betroffenen selbst wehrte sich gegen die Vorwürfe. "Das macht mich fassungslos", stellte er fest. Er habe in den fast vier Jahrzehnten bei der Volksbank zu seinen Kollegen immer ein "fast freundschaftliches Verhältnis" gepflegt. Auch in Cham habe er mit zwei Kollegen - seinem Stellvertreter und dem Teamleiter - regelmäßig zu Mittag gegessen. "Die hätten mir doch was gesagt, wenn das Arbeitsklima so schlecht gewesen wäre..." Der Anwalt der Volksbank zog daraufhin auch die Niederschriften der beiden Genannten aus dem Akt: Auch sie berichten von der Angst in der Belegschaft.

Der Rechtsvertreter des bisherigen Geschäftsstellenleiters spannte den Bogen weiter und schilderte die Drucksituation, unter der das Führungspersonal stehe. Monatlich bekämen sie ihre Beurteilung aus Straubing, ob sie genügend Abschlüsse verkauft hätten. Blieben sie mehrfach unter ihren vorgegebenen Zielen, käme "ein schwarzer Sheriff aus Straubing und der zeigt ihnen dann, wie man verkauft". Er selbst habe bereits sechs Geschäftsstellenleiter bei ihrem Wechsel in die Berufsunfähigkeit juristisch begleitet, die "am Druck zerbrochen sind".

Beide Seiten lehnen Vergleich ab

Trotz der konträren Positionen bemühte sich Richter Striegan um einen Vergleich. Er redete beiden Seiten ins Gewissen: "Jeder von Ihnen muss damit rechnen, diesen Prozess nicht zu gewinnen." Nach kurzer Bedenkzeit bot die Volksbank eine Umwandlung in eine ordentliche Kündigung und das Bezahlen der ausstehenden sieben Monatsgehälter an. 50 000 Euro kämen da zusammen. Doch der geschasste Banker lehnte mit Verweis auf sein Alter eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses ab.

Striegan brachte daraufhin eine Versetzung innerhalb der Volksbank ins Gespräch. Dies wurde wiederum von Bankseite abgelehnt. "Das Risiko ist mir zu hoch. Das kann ich den Mitarbeitern nicht zumuten", schüttelte der Vorstand den Kopf. Nun muss der Richter entscheiden, ob er auf Basis der vorliegenden Aussagen ein Urteil spricht oder ob er in die Beweisaufnahme einsteigt. Das würde bedeuten, dass ein umfangreiches Verfahren mit zahlreichen Zeugenaussagen beginnt. Am 12. Mai verkündet Striegan seine Entscheidung.