Causa Nawalny

Nord Stream 2 vorbei? Reaktionen auf "versuchten Giftmord"


Das russische Verlegeschiff "Akademik Tscherski" liegt im Hafen Mukran auf der Insel Rügen. Das Spezialschiff wird im Hafen für seinen Einsatz zum Weiterbau der Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 vorbereitet.

Das russische Verlegeschiff "Akademik Tscherski" liegt im Hafen Mukran auf der Insel Rügen. Das Spezialschiff wird im Hafen für seinen Einsatz zum Weiterbau der Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 vorbereitet.

Von mit Material der dpa

Die Bundesregierung hat auf die aus ihrer Sicht nachgewiesene Vergiftung des Kremlkritikers Nawalny ungewöhnlich scharf reagiert. Bei der Suche nach einer europäischen Antwort in Richtung Moskau rückt ein seit langem umstrittenes Projekt wieder in den Fokus.

Nach der Vergiftung des russischen Regierungskritikers Alexej Nawalny ist die Debatte um die umstrittene Erdgas-Leitung Nord Stream 2 wieder aufgeflammt. FDP-Parteichef Christian Lindner sagte im ARD-"Morgenmagazin": "Ein Regime, das Giftmorde organisiert, ist kein Partner für große Kooperationsprojekte - auch nicht für Pipeline-Projekte." Hingegen äußerte sich CSU-Chef Markus Söder zurückhaltend zu Forderungen nach einem Aus für Nord Stream 2. "Das eine hat mit dem anderen aus unserer Sicht zunächst mal nichts zu tun", sagte er vor einer Klausur der CSU-Landesgruppe im Bundestag.

Söder schloss sich damit im Grundsatz der Position von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) an. Merkel hatte den Willen der Bundesregierung zur Fortsetzung und Vollendung des Baus der umstrittenen Pipeline von Russland durch die Ostsee nach Deutschland bekräftigt.

Die Bundesregierung sieht es als "zweifelsfrei" erwiesen an, dass Nawalny mit dem chemischen Nervenkampfstoff Nowitschok vergiftet wurde. Ein Spezial-Labor der Bundeswehr hatte dies nach Angaben vom Mittwoch festgestellt. Die Fraktionschefin der Grünen im Bundestag, Katrin Göring-Eckardt, forderte daraufhin einen Abbruch des deutsch-russischen Pipeline-Projekts.

Merkel hatte am Mittwoch von einem "versuchten Giftmord" an einem der führenden Oppositionellen Russlands gesprochen: "Er sollte zum Schweigen gebracht werden." Das Auswärtige Amt bestellte den russischen Botschafter Sergej Netschajew ein, um Russland dazu aufzufordern, "vollumfänglich und mit voller Transparenz" aufzuklären". Mit den Partnern in der Nato und in der EU werde man nun beraten und "im Lichte der russischen Einlassungen über eine angemessene, gemeinsame Reaktion entscheiden", sagte die Kanzlerin.

Der Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft sprach sich gegen einen Abbruch des Erdgas-Projekts Nord Stream 2 aus. "Auf die Vergiftung Nawalnys mit weiteren Wirtschaftssanktionen zu reagieren, die dann wieder an der Sache völlig unbeteiligte Unternehmen und die russische Bevölkerung treffen würden, halten wir für falsch", sagte der Vorsitzende des Ost-Ausschusses, Oliver Hermes.

Hingegen forderte der CDU-Außenexperte Norbert Röttgen eine harte europäische Reaktion. "Jetzt sind wir erneut brutal mit der menschenverachtenden Realität des Regimes Putin konfrontiert worden", sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages in den ARD-"Tagesthemen". Alles müsse auf den Prüfstand. Wenn es jetzt zur Vollendung des Gasprojektes Nord Stream 2 käme, dann wäre das die maximale Bestätigung und Ermunterung für Wladimir Putin, mit genau dieser Politik fortzufahren, sagte Röttgen. Man müsse über Erdgas, den Gasbezug und die Nichtvollendung der Pipeline sprechen.

Die russische Staatsführung hat Anschuldigungen zu einer möglichen Verwicklung in den Fall vehement zurückgewiesen. "Es gibt keinen Grund, dem russischen Staat etwas vorzuwerfen", sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow der Agentur Tass zufolge. Deshalb sehe er auch keinen Anlass für irgendwelche Sanktionen, die gegen Russland oder gegen die Ostsee-Pipline Nord Stream 2 verhängt werden könnten.

Der Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, warnte vor einem Boykott Russlands. "Wir brauchen Russland in der Klimapolitik, in der Ukrainepolitik, in vielen anderen Bereichen. Wir können jetzt nicht sozusagen hier eine Mauer aufziehen zwischen dem Westen und Russland", sagte er im ARD-"Morgenmagazin". Gleichwohl erfordere der Fall eine angemessene Reaktion der Bundesregierung: "Ich glaube, klare Kante ist erforderlich."

Nach Auffassung der FDP sollte Deutschland den russischen Regierungskritiker Nawalny dauerhaft aufnehmen. "Alexej Nawalny ist in Russland nicht sicher", sagte der FDP-Innenpolitiker Konstantin Kuhle am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. "Deutschland sollte dem russische Oppositionellen daher Asyl gewähren. Die Vergiftung politischer Gegner ist eine massive Grenzüberschreitung, die wir nicht hinnehmen dürfen."