Cannabis-Legalisierung

Kiffen ohne Versteckspiel?


Julia findet, Cannabis ist nicht so schädlich wie Alkohol.

Julia findet, Cannabis ist nicht so schädlich wie Alkohol.

Julia (18) raucht Marihuana. Das ist ihrer Meinung nach nicht so schädlich, wie Alkohol zu trinken. Sie findet deshalb, Cannabis sollte legalisiert werden. Dann würde ihr künftig erspart bleiben, was ihr schon einmal passiert ist: ein Zusammentreffen mit der Polizei...

Julia ist 16 Jahre alt. als sie von Zivilbeamten kontrolliert wird. Sie ist mit einem Freund unterwegs. Die beiden sitzen im geparkten Auto. Julia raucht zwar selbst nicht, als die Beamten an die Scheibe klopfen. Allerdings finden sie bei der Kontrolle in ihrer Tasche Marihuana. "Ich hatte ganz vergessen, dass da noch etwas drin war", erinnert sie sich. Sie ist zwar geschockt, hat aber irgendwie damit gerechnet, dass dieser Tag kommen würde. Julia konsumiert zu dem Zeitpunkt schon eine Weile Marihuana. Und das sehr regelmäßig. Der Vorfall mit der Polizei ist ein Dämpfer. "Seitdem gehe ich verantwortungsvoller damit um", sagt die heute 18-Jährige. Sie kommt aus der Region, will aber nicht genau sagen, woher, um nicht erkannt zu werden. Deswegen hat die Redaktion auch ihren Namen geändert.

Sorge um den Führerschein: Wird ein Abstinenztest notwendig ?

Den Vorfall vor zwei Jahren nennt Julia die "Eskalation" ihres Konsumverhaltens. Ihren damaligen Umgang mit der Droge beschreibt sie heute als verantwortungslos. Sie kifft zu dieser Zeit fast täglich. Das hat sich seitdem verändert. Jetzt raucht Julia nur noch am Wochenende, und nur dann, wenn sie nicht Auto fahren muss. "Wenn ich weiß, ich nutze das Auto, dann verzichte ich. Ich brauche meinen Führerschein, sonst kann ich meine Ausbildung nicht machen." Außerdem legt sie immer wieder Pausen von etwa einem Monat ein. Sie möchte nicht abhängig werden. Als sie von der Polizei erwischt wird, hat sie am meisten Angst davor, dass sie den Führerschein nicht machen darf. Zwar ist sie da noch 16. Aber sie will bald zur Fahrschule gehen. Gleich nach dem Vorfall informiert sie sich deshalb, was jetzt auf sie zukommt. Lange ist nicht klar, ob die Führerscheinstelle einen sogenannten Abstinenztest von ihr verlangen wird. Deshalb raucht sie erst einmal gar nichts mehr. Nach einem halben Jahr erfährt sie, dass das Strafverfahren läuft, sie aber immerhin nicht um ihren Führerschein bangen muss. Sie ist erleichtert. Julia kann an einem Projekt zur Frühintervention bei erstauffälligen Drogenkonsumenten, dem sogenannten FreD-Projekt, teilnehmen. Das wird zum Beispiel beim Landshuter Netzwerk angeboten und ist ein Suchtpräventionsprogramm. Dabei sollen die Erstauffälligen über ihren Umgang mit psychoaktiven Substanzen nachdenken und sich mit ihren Grenzen auseinandersetzen. Man will sie motivieren, ihre Einstellung und ihr Verhalten zu ändern. Wenn Erstauffällige daran teilnehmen, kann sich das unter bestimmten Umständen positiv auf das juristische Verfahren auswirken. Julia hatte bei der Polizeikontrolle nur ein Gramm Marihuana bei sich. Das gilt als geringe Menge. Zudem wurde sie zum ersten Mal auffällig. Deshalb kann sie zu dem Kurs gehen. Und sie hat Glück: Sie kommt tatsächlich mit einem blauen Auge davon. Seit Anfang des Jahres ist das Verfahren eingestellt. Obwohl sie keinen Eintrag im polizeilichen Führungszeugnis bekommt und der künftige Arbeitgeber nichts erfährt, ist der Vorfall bei der Polizei bekannt. Aber Julia muss sich nicht um den Ausbildungsplatz sorgen, den sie demnächst antreten will. Seitdem ist sie das, was Experten typischerweise Gelegenheitskonsumenten nennen. Kiffen ist für Julia der Ersatz für Alkohol. Wenn sie entspannen oder am Wochenende Party machen will, greift sie lieber zu Gras, als sich ein Feierabendbier aufzumachen. Sie findet: "Alkohol ist Gift für den Körper. Man kann außerdem stürzen, wenn man betrunken ist, und Autofahren ist auch gefährlich. An Cannabis ist dagegen noch niemand gestorben." Deshalb raucht Julia lieber, anstatt zu trinken. Sie mag Alkohol nicht. Damit habe sie schlechte Erfahrungen gemacht, erzählt die 18-Jährige. "Da verliere ich die Kontrolle und weiß nicht mehr, was ich tue. Ich habe dann mein Benehmen nicht mehr im Griff." Mit Marihuana behalte sie die Kontrolle.

Kein Risiko mehr: Besser aufpassen, aber nicht aufhören

Verzichten, um eine erneute Begegnung mit der Polizei zu vermeiden, kommt für Julia nicht in Frage. Deshalb versucht sie jetzt, besser aufzupassen, um nicht noch einmal erwischt zu werden. Sie raucht nun nicht mehr in der Öffentlichkeit. Denn sie weiß, wenn sie noch einmal auffällig wird, könnte es nicht mehr so glimpflich ausgehen.

"Ich würde auch nicht mehr kiffen als jetzt"

Julia ist der Meinung, Cannabis sollte für Erwachsene legalisiert werden. Sie glaubt, die Konsumenten würden dann verantwortungsvoller damit umgehen. Außerdem würde der Schwarzmarkt verschwinden. Befürworter meinen, der legale Verkauf von Cannabis wirke sich positiv auf den Jugendschutz aus. Julia findet, ja, das sei einerseits möglich, andererseits auch nicht: "Es wird immer Jugendliche geben, die sich nicht daran halten. Das ist auch bei Alkohol so." Ob ihr Cannabis-Konsum und der Konsum allgemein steigen würden, wenn man Marihuana legal in Coffeeshops kaufen könnte wie in Holland? "Das glaube ich nicht. Jeder Kiffer hat seinen festen Dealer. Ich bekomme immer etwas. Das würde sich für mich nicht ändern. Also würde ich auch nicht mehr rauchen als jetzt. Was sich jedoch ändern würde: Ich müsste mich nicht mehr verstecken."