Buch-Tipp

"Zeremonie des Lebens" sammelt aufrüttelnde Kurzgeschichten


"Zeremonie des Lebens" von Sayaka Murata, erschienen bei Aufbau.

"Zeremonie des Lebens" von Sayaka Murata, erschienen bei Aufbau.

Von Magdalena Schmidbauer

Mit ihrem neuen Kurzgeschichtenband "Zeremonie des Lebens" zeigt die Autorin Sayaka Murata erneut ihre Gabe, die Strukturen unserer Gesellschaft auf faszinierende Weise zu hinterfragen.

Sayaka Murata ist bekannt für ihre Geschichten, die zum Grotesken neigen und doch, oder genau deswegen, waren ihre Romane "Die Ladenhüterin" und "Das Seidenraupenzimmer" Bestseller auf der ganzen Welt.

Darum geht's: Ihr neuer Band "Zeremonie des Lebens" umfasst zwölf Kurzgeschichten, in denen Frauen aus der Mittelschicht die Hauptrolle spielen.

Da gibt es Nana, die in einer Welt lebt, in der der Körper des Menschen nach dessen Tod wiederverwendet wird und nicht versteht, wieso ihr Verlobter das abstoßend findet. Eine weitere junge Frau beschließt, Unkraut und andere Pflanzen in der Stadt zu ernten und damit Gerichte zuzubereiten. Die Autorin bespricht zudem Themen wie Sexualität und Familienstrukturen und richtet dabei einen Spiegel auf die Menschheit. In "Magische Körper" zum Beispiel geht es um zwei Jugendliche, die sich über ihre Ansichten zu Sex und Liebe austauschen - mit dem Hintergedanken, dass durch den Druck, der auf den jungen Menschen liegt, häufig das Wesentliche verlorengeht. Die Geschichte weist weniger Makabres auf, ist jedoch genauso effektiv. Ihr Inhalt steht ganz im Gegensatz zu der Titelgeschichte des Buches "Zeremonie des Lebens", in der die Autorin das Thema Kannibalismus nutzt, um ihren Aussagen Gehör zu verschaffen.

Die zwölf Geschichten haben eine weite Spannbreite. Sayaka Murata schafft es aber, dem Ganzen einen Faden zu geben, der sich durch das gesamte Buch schlängelt.

In aller Kürze: Die Autorin nimmt das Gewöhnliche und verdreht es so lange, bis man sich bewusst wird, dass unsere eingeschweißten Gewohnheiten gar nicht so rational sind.

Das Besondere: Der Schreibstil der Autorin ist simpel und direkt. Sie verschönert nichts, sondern durchleuchtet den Menschen, wie er ist. Dadurch betrachtet sie ihn wie ein Konstrukt, das auseinandergebaut werden kann, was das Buch trotz der teilweise ernsten Themen flüssig lesen lässt. Fazit: Wie auch die beiden anderen Romane von Sayaka Murata geht dieser Band in das Groteske und Makabere, was den ein oder anderen Leser abschrecken könnte.

Die Autorin Ruth Ozeki beispielsweise hält die Literatur von Sayaka Murata jedoch für ein Geschenk an alle Menschen, die sich anders und einsam auf der Welt fühlen. Und mit dieser Aussage bringt sie es auf den Punkt: Die Geschichten zeigen, dass sozialen Normen nicht so eingeschlossen sein müssen, wie es oft den Anschein hat. Sayaka Murata hilft dem Leser ein bisschen, aus diesen auszubrechen, und regt dabei zum Nachdenken an.

Hinweis: Dieser Text stammt aus der Freistunde, der Kinder-, Jugend- und Schulredaktion der Mediengruppe Attenkofer. Für die Freistunde schreiben auch LeserInnen, die Freischreiben-AutorInnen. Mehr zur Freistunde unter freistunde.de.