Böller-Bilanz

Das Silvester-Geschäft – ein Kracher für die Supermärkte?


Wie hier in Frankfurt am Main sah es an Silvester in vielen Städten in Deutschland und Bayern aus. (Symbolbild)

Wie hier in Frankfurt am Main sah es an Silvester in vielen Städten in Deutschland und Bayern aus. (Symbolbild)

So viele Gegner schien das Feuerwerk an Silvester noch nie zu haben, wie zum Jahreswechsel 2020. Allerdings ist der "Feuerwerks-Verzicht" bei einigen wohl Lippenbekenntnis geblieben. Am Umsatz jedenfalls, den der Einzelhandel mit Feuerwerkskörpern gemacht hat, haben die Diskussionen im Vorfeld anscheinend nichts geändert.

Alles wie gewohnt am Neujahrsmorgen. Die verkaterten Städte in Ostbayern erwachten unter der zur Katerstimmung passenden Dunstglocke aus Nebel und kaltem Rauch. Der Deutsche Wetterdienst lieferte alsbald die Zahlen: Deutlich schlechtere Luftqualität in allen größeren Städten. Manch einer war überrascht: Was war aus all den Verzichts-Predigten im Vorfeld geworden? In einer idowa-Umfrage hatten sich sogar über die Hälfte der Teilnehmer für einen feuerwerkfreien Jahreswechsel ausgesprochen.

Einer allerdings war nicht überrascht am Neujahrsmorgen: Bernd Ohlmann, der Sprecher des Verbands der Einzelhändler in Bayern. Auf idowa-Nachfrage sagt er: "Nach den Rückmeldungen unserer Mitglieder wurden in Bayern etwa 21 Millionen Euro Umsatz mit Feuerwerkwaren gemacht. Damit liegen wir in etwa auf Vorjahresniveau."

Das Silvester-Geschäft entsprach gemäß der vorläufigen Bilanz genau den Erfahrungswerten des Einzelhandelsverbands. "Beim Feuerwerk haben wir im Wesentlichen drei Kundengruppen", erklärt Ohlmann: "Die Feuerwerk-Enthusiasten, die, die Feuerwerk komplett ablehnen und noch nie welches gekauft haben - und die Unentschlossenen. Die letztgenannte Kundengruppe macht den Unterschied. Sie warten meistens bis zum Schluss und kaufen sich spontan noch etwas Feuerwerk, wenn es am Silvestermorgen nach gutem Wetter aussieht. Und diesmal hatten wir halt einfach fantastisches Feuerwerks-Wetter."

Die Umwelt-Diskussionen der vergangenen Tage könnte am Ende sogar für ein paar verkaufte Böller mehr gesorgt haben, meint Günter Hölz, Bezirksgeschäftsführer für Niederbayern und die Oberpfalz beim Handelsverband: "Aufgrund der Umweltdiskussionen sind die Verbraucher wohl eher gespalten. Einige lehnen die Nutzung von Krachern, Böllern und Raketen aus Umweltgründen ab, andere hingegen sind die Diskussionen leid und handeln nach dem Motto: ‚Jetzt erst recht'".

Noch eine Unbekannte in der Rechnung

Wie viele Raketen und Kracher zum Jahreswechsel nun tatsächlich explodiert sind, steht wohl erst zum Frühjahrsanfang fest: Die Bilanz inklusive der Retouren kommt vom Verband der Pyrotechnischen Industrie (VPI). An dessen Mitgliedsbetriebe schickt der Einzelhandel die nicht verkauften Feuerwerkskörper zurück, um sie entsorgen zu lassen.

Was den Eindruck, den die Umsatzzahlen machen, ebenfalls verzerren könnte, ist der Trend zu sogenannten "Systemfeuerwerken" - komplexe Feuerwerke, bei denen Sprengladungen zeitversetzt gezündet werden und die dadurch ihre eigene Dramaturgie mitbringen. Sie haben sich laut VPI auch bei "Endverbraucherfeuerwerken" etabliert. Und sie sind in der Regel teurer, erzeugen also mehr Umsatz. Darüber, wie viel Feuerwerk aus welcher Kategorie verkauft wurde, soll es in den kommenden Wochen genaue Zahlen geben.

Fest steht: Eine Trendwende war zuletzt nicht in Sicht: 47.000 Tonnen an Raketen und Böllern wurden laut dem Statistischen Bundesamt zu Silvester 2018 importiert. Seinerzeit war das ein neuer Rekord.

Täuschen also die Umfragen? Zumindest sind sie mit Vorsicht zu genießen, sagt Bernd Ohlmann: "Wir sehen das zum Beispiel bei ökologisch erzeugter Milch. In Umfragen ist jeder dafür. De facto aber hat die Bio-Milch einen Marktanteil von etwas über drei Prozent."

"Die Kunden werden sensibler"

Unabhängig vom Feuerwerk gebe es bei den Verbrauchern aber durchaus den Trend zu mehr ökologischem Bewusstsein: "Zum Beispiel, was das Plastik bei Verpackungen angeht. Viele unserer Mitglieder bieten bestimmte Plastik-Verpackungen nicht mehr an und die Verbraucher tragen das auch mit."

Sollen die Silvesterkracher also den Plastik-Verpackungen nachfolgen? Günter Hölzl vom Bezirk Niederbayern-Oberpfalz des Handelsverband ist skeptisch: "innerhalb der Händlerschaft gibt es vermehrt Stimmen, die planen, Feuerwerksartikel im nächsten Jahr aus dem Sortiment zu nehmen. Unserer Erkenntnis nach ist dies aber nur ein sehr geringer Teil der Unternehmen."

Außerdem würde ein Verkaufsstopp das Problem nicht lösen, sagt Verbands-Sprecher Ohlmann: "Wenn der Kunde ein Produkt bei Händler A nicht bekommt, geht er halt zu Händler B. Wenn wir es nicht mehr anbieten, beziehen die Feuerwerks-Enthusiasten ihre Kracher aus dem Ausland, wo es unter Umständen nicht so hohe Sicherheitsstandards gibt, wie bei uns", sagt Bernd Ohlmann.

Die Verlautbarungen von Polizei und Ermittlungsbehörden bestätigen das Problem: In den Tagen vor Silvester hatten die Verkehrs- und Bundespolizei ganze Wagenladungen verbotener Böller und anderer Feuerwerksartikel aus dem Verkehr gezogen.