Betroffener Webasto-Mitarbeiter

"Patient 1" spricht über seine Corona-Erkrankung


Das Hauptgebäude der Firma Webasto.

Das Hauptgebäude der Firma Webasto.

Von Redaktion idowa

Vor genau einem halben Jahr, am 27. Januar 2020, wurde in Deutschland der erste Patient positiv auf das Coronavirus getestet. Bei dem Betroffenen handelt es sich um einen Mitarbeiter der Firma Webasto. In einem Interview hat sich "Patient 1" nun erstmals zu seiner Infektion, den Folgen und den Begleitumständen geäußert.

Das Gespräch wurde von Webasto intern geführt und zum Schutz der Privatsphäre des betroffenen Mitarbeiters anonymisiert veröffentlicht. Da er der erste deutsche Covid-19-Patient war, wird der Mann im Folgenden nur als "Patient 1" bezeichnet. Laut eigener Aussage hatte er sich zuvor kaum mit dem neuartigen Virus beschäftigt. "Ich hatte nur die Nachrichten aus Wuhan (China) verfolgt. Damals erschien das Virus noch sehr weit entfernt. Ich hatte tatsächlich am Mittwoch, den 22. Januar, einen Termin bei unserem Betriebsarzt und dort nebenbei gefragt, wie er dieses Virus einschätzt, da ich für 2020 Dienstreisen nach Asien geplant hatte. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich gar nicht, dass ich das Virus schon in mir trage", so der Betroffene.

Vom Hausarzt direkt zum Tropeninstitut

Angesteckt hatte sich der Mann am 20. Januar bei einer einstündigen Besprechung mit einer Kollegin aus China. "Dort haben wir uns noch alle die Hand gegeben. Ich saß dann auch direkt neben ihr und habe nebenbei Kaffee getrunken", erzählt er. Kurz darauf hatte er Fieber und Schüttelfrost, aber keine Atembeschwerden. Am 27. Januar, eine Woche später, erfuhr er schließlich von einem Vorgesetzten, dass die Kollegin positiv auf das Coronavirus getestet worden war. "Auch wenn ich zu dem Zeitpunkt keine Krankheitssymptome mehr hatte, bin ich unverzüglich zu meinem Hausarzt gefahren und habe ihm meine Situation geschildert. Der hat mich - richtigerweise - direkt zum Tropeninstitut nach München geschickt", schildert der Webasto-Mitarbeiter das weitere Vorgehen. Am Tropeninstitut wurde er noch am selben Nachmittag getestet. Im Krankenhaus bleiben musste er nicht, stattdessen wurde er nach dem Test wieder nach Hause geschickt. Auch häusliche Quarantäne war da noch kein Thema. Trotzdem blieb der Betroffene sicherheitshalber auf Distanz zu seiner Frau und Tochter. Kurz nach 20 Uhr bekam er schließlich den entscheidenden Anruf: Das Testergebnis war positiv ausgefallen.

Medienberichterstattung teilweise frei erfunden

"Mir wurde gesagt, dass ich mich sofort ins Schwabinger Krankenhaus begeben soll, zu einem bestimmten Gebäude und dort zu einer bestimmten Station. Ich sollte mich nicht an der Rezeption melden, sondern direkt auf das Gelände fahren, und man würde auf mich warten", erzählt der Betroffene. Die Situation beschreibt er als "sehr surreal". Insgesamt musste er 19 Tage im Krankenhaus bleiben, hatte in dieser Zeit aber fast keine Beschwerden. In der dritten Woche erlitt er an einem Tag allerdings eine Panikattacke. Besonders erschrocken war der Webasto-Mitarbeiter darüber, "welche Erkenntnisse man angeblich über mich und mein Privatleben rausgefunden hätte." Manche Medien berichteten über frei erfundene Gespräche zwischen ihm und seiner Frau, andere schickten Reporter zur Kindertagesstätte seiner Tochter. Das Krankenhauspersonal dagegen sei stets freundlich gewesen. "Ich habe mich dort gut aufgehoben gefühlt", so der Patient.

Heute geht es ihm gesundheitlich wieder bestens. Spätfolgen wurden bislang keine festgestellt. "Im Nachhinein ist mir klargeworden, dass ich ein Riesenglück hatte, dass das Virus meinen Körper nicht so stark angegriffen hat und ich das Ganze glimpflich überstanden habe", sagt er. "Es hat mich außerdem gelehrt, dass einem auch das Unvorstellbarste widerfahren kann und, dass man das Leben nicht als selbstverständlich hinnehmen darf. Von heute auf morgen kann sich alles verändern."