Berchtesgaden

Ausgewilderte Bartgeier gedeihen prächtig


Jochen Grab vom Nationalpark Berchtesgaden hält Bartgeierweibchen "Wally".

Jochen Grab vom Nationalpark Berchtesgaden hält Bartgeierweibchen "Wally".

Von dpa

Zum ersten Mal seit über 140 Jahren leben in Deutschland wieder Bartgeier in freier Wildbahn. Die beiden jüngst in den Alpen ausgewilderten Tiere sind zwar immer noch nicht flügge, aber schon sehr umtriebig - jedes auf seine Weise.

Den im Nationalpark Berchtesgaden ausgewilderten Bartgeiern scheint die bayerische Bergluft gut zu bekommen: Die aus Spanien stammenden Jungvögel wachsen und gedeihen. "Den beiden Damen geht es blendend", berichtete Projektbetreuer Toni Wegscheider vom Landesbund für Vogelschutz. Nach den ersten Eingewöhnungstagen erkundeten die beiden noch flugunfähigen Tiere inzwischen lebhaft ihre nähere Umgebung, hätten einen kräftigen Appetit und würden gut miteinander auskommen.

Die Vögel waren am Donnerstag vergangener Woche im Rahmen eines europäischen Wiederansiedlungsprogrammes in eine Felsnische getragen worden, wo sie ständig beobachtet und unauffällig mit Futter versorgt werden. Rund ein halbes Kilo Knochen mit Fleisch fressen sie jeweils pro Tag. "Da werden faustgroße Brocken runtergewürgt. Wir staunen immer wieder, was für Trümmer die runterschlingen", berichtete Wegscheider. Ausgewachsene Bartgeier können bis zu 25 Zentimeter große Knochen auf einmal herunterschlucken. Die reinen Aasfresser sind auf die Verwertung der Gebeine toter Tiere spezialisiert.

Sichtbar sind schon jetzt Unterschiede zwischen den beiden Jungtieren. "Die größere Bavaria ist der Wally ja doch körperlich überlegen, verdrängt sie auch mal von einem schönen Futterstück. Aber die Wally ist sehr aufgeweckt und lässt sich wenig bieten", erzählte Wegscheider. Das drei Tage jüngere Tier schnappe dann nach der Älteren oder sause einfach um diese herum. "Bavaria ist eine wuchtige Dame, und Wally die quirlige Zierliche. Das bleiben sie auch."

Generell seien die kleinen Reibereien zwischen den beiden im Vergleich zu anderen bereits ausgewilderten Konstellationen aber harmlos. Seit 1986 wird der vom Menschen einst ausgerottete, mit einer Spannweite von bis zu 2,90 Metern größte Brutvogel der Alpen wieder aufwendig angesiedelt - allein das auf zehn Jahre angelegte Projekt im Nationalpark Berchtesgaden verschlingt rund eine Dreiviertelmillion Euro.

Anfang Juli erwarten die Vogelschützer den Jungfernflug der beiden Tiere. Knapp 30 Flügelschläge schaffen sie bereits am Tag, bei etwa 200 haben sie genug Kraft zum Abheben. Beobachtet werden sie von täglich mehreren Dutzend Beobachtern im Nationalpark - und Tausenden via Webcam. "Die Zugriffszahlen brechen alle Rekorde", sagte Wegscheider. Im Netz habe sich eine regelrechte "Geiercommunity" gebildet.