Beamtengesetz nach Urteil in der Kritik

Wären Polizisten mit sichtbarem Tattoo weniger qualifiziert?


Von Redaktion idowa

Vor knapp zwei Wochen hat das Bundesverwaltungsgericht ein Machtwort gesprochen: für Polizisten in Bayern sind Tattoos im sichtbaren Bereich nach wie vor verboten. Ein Urteil, das für Diskussionsstoff sorgt. Gleichzeitig ist immer wieder von drohendem Personalmangel in Reihen der Polizei zu lesen. Kann man es sich also leisten, potenzielle Bewerber wegen eines sichtbaren Tattoos abzuweisen?

Stein des Anstoßes war die Klage eines bayerischen Polizeibeamten. Er wollte sich ursprünglich den verzierten Schriftzug "aloha" auf den Unterarm tätowieren lassen und hatte dafür bereits im Jahr 2013 eigens einen Antrag auf Genehmigung gestellt. Dieser wurde jedoch abgelehnt. Und genau dagegen ging der Beamte juristisch vor. Allerdings scheiterte er in sämtlichen Instanzen. Sowohl das Verwaltungsgericht Ansbach, als auch der Verwaltungsgerichtshof München und letztlich auch das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig lehnten seine Klage ab. Denn das bestehende Beamtengesetz würde eine Tätowierung im sichtbaren Bereich untersagen. Zu diesem Bereich zählen Kopf, Hals, Hände und Unterarme.

Ist das noch zeitgemäß?

Die Rechtslage ist zumindest in diesem Punkt eindeutig. Dennoch wirft dieses Urteil, respektive die Gesetzgebung, hier auch Fragen auf. Kann man es sich in Reihen der bayerischen Polizei noch leisten, potenzielle Bewerber anhand eines sichtbaren Tattoos abzuweisen? Und ist es angesichts der Tatsache, dass immer mehr junge Menschen tätowiert sind, überhaupt noch zeitgemäß, an einem solchen Verbot festzuhalten? Das räumt auch Jürgen Köhnlein, Vizechef des Bayerischen Landesverbandes der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) gegenüber idowa ein: "Ob diese Vorschrift zeitgemäß ist, wird auch bei uns im Kollegenkreis viel diskutiert. Da gibt es natürlich persönliche Ansichten, die teilweise sehr konträr verlaufen."

Durch das Urteil herrsche nun allerdings Rechtssicherheit. "Das ist uns als Berufsvertretung sehr wichtig. Durch diese höchstrichterliche Entscheidung wissen wir jetzt, was erlaubt ist und was nicht", so Köhnlein. Das Gericht habe so entschieden und der Dienstherr dürfe es verbieten. Bleibt jedoch die Frage nach möglichen Auswirkungen dieses Verbotes. Köhnlein: "Wir haben als Polizeigewerkschaft durchaus Bedenken, dass bei einer immer höher werdenden Anzahl an tätowierten Jugendlichen und Heranwachsenden auch irgendwann die Bewerberlage für den Polizeiberuf betroffen sein wird." Durchaus möglich, denn sichtbare Tattoos sind nach wie vor ein absolutes Ausschlusskriterium. Laut Köhnlein hätten selbst geeignete Bewerber deshalb nach wie vor keine Chance auf eine Anstellung bei der Polizei in Bayern.

Doch wie ist mit Polizeibeamten zu verfahren, die sich trotz Verbotes ein sichtbares Tattoo stechen lassen? Mehr dazu lesen Sie auf der nächsten Seite dieses Artikels.

Sichtbares Tattoo trotz Verbot - welche Konsequenzen für Polizeibeamte?

Braucht es also Reformen? Was sagen Tätowierungen über die berufliche Qualifikation eines Menschen aus? Jürgen Köhnlein weiß aus der täglichen Praxis, wo das Problem liegt: "Es geht um ein gelebtes Umdenken in der Bevölkerung. Solange bei Umfragen sogar tätowierte Teilnehmer antworten, dass sie die Kompetenz eines am Unterarm tätowierten Polizeibeamten niedriger einschätzen, als die eines nicht tätowierten, tun sich auch die größten Unterstützer von sichtbaren Tattoos schwer." Der vielbeschworene gesellschaftliche Wandel müsse dann auch von den Menschen gelebt werden.

Zumal selbst nach dem jüngsten Urteil die Rechtslage noch nicht in allen Belangen vollends geklärt ist. Denn was geschieht, wenn sich ein Polizist trotz Verbotes ein sichtbares Tattoo stechen lässt? Über die Frage, ob die Regelung im Bayerischen Beamtengesetz den Dienstherrn auch dazu berechtigt, den Beamten entweder anzuweisen, sich das Tattoo wieder entfernen zu lassen oder ihn andernfalls zu entlassen, hatte das Bundesverwaltungsgericht nicht zu entscheiden. Jürgen Köhnlein ist überzeugt: "Dies würde einen erheblich schwereren Eingriff in die Grundrechte darstellen, als im aktuell entschiedenen Fall."

Motive klar geregelt

Klar geregelt ist dagegen, welche Motive sich Polizeibeamte zumindest im nicht sichtbaren Bereich tätowieren lassen dürfen. So dürfen Tattoos inhaltlich nicht gegen die Grundsätze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung verstoßen und auch keine sexuellen, diskriminierenden, gewaltverherrlichenden oder ähnliche Motive darstellen. "An dieser Regelung müssen wir auch festhalten", so Köhnlein weiter.

Generell gelten Tattoos gesellschaftlich als reine Geschmackssache. Und über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten. Dementsprechend diplomatisch fällt auch Jürgen Köhnleins Antwort auf die Frage aus, welche Tattoomotive im sichtbaren Bereich aus seiner Sicht denn noch vertretbar wären? Er sagt: "Ob ein Tattoo vertretbar ist oder nicht, liegt immer im Auge des Betrachters. Eine solche Entscheidung kann keine Einzelperson treffen, sondern müsste durch eine Art Ethik-Kommission beantwortet werden." In Baden-Württemberg wird das beispielsweise bereits so gehandhabt. Bis zum nächsten streitbaren Fall, der vor Gericht landet.