Die Polizei hat am Samstag vielerorts in Bayern die seit Mitternacht geltenden Ausgangsbeschränkungen kontrolliert. Es blieb zunächst bei wenigen Verstößen. Angesichts steigender Zahlen von Infizierten und Todesfällen machte Ministerpräsident Markus Söder (CSU) noch einmal deutlich: "Es geht wirklich um Leben und Tod." Derweil werden auf Intensivstationen auch in Deutschland immer öfter junge mit dem Coronavirus infizierte Patienten behandelt, wie der Chefarzt Clemens Wendtner von der Klinik für Infektiologie in der München Klinik Schwabing der Deutschen Presse-Agentur sagte.
Coronavirus in Bayern Ausgangsbeschränkungen: Kontrollen und neue Infektionen
Bis zunächst 3. April gelten im gesamten Freistaat weitreichende Ausgangsbeschränkungen, mit deren Hilfe die Ausbreitung des Coronavirus eingedämmt werden soll. Das Verlassen der eigenen Wohnung ist nur noch aus triftigen Gründen erlaubt, wie dem Weg zur Arbeit und zu nötigen Einkäufen. Auch dringende Arztbesuche sowie Sport und Spaziergänge an der frischen Luft sind möglich - dies aber in der Regel alleine. Gastronomiebetriebe aller Art müssen geschlossen bleiben. Ausnahme sind Auslieferungsdienste, Mitnahmeangebote und Drive-in-Schalter.
Söder rechtfertigte die Maßnahmen: "Die ganze Welt reagiert. Dann muss auch Deutschland letztlich reagieren", sagte er dem Radiosender Antenne Bayern. "Ich hoffe, dass wir so besser durch die Krise kommen als andere." Er sei beeindruckt vom gesellschaftlichen Engagement. "Ich glaube, dass wir am Ende als Land gestärkt herauskommen können." Vielleicht würden die Menschen am Ende erkennen, was wirklich wichtig sei.
In Bayern sind inzwischen 3695 Menschen positiv auf Sars-CoV-2 getestet worden (Stand Samstag, 10 Uhr), wie das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit auf seiner Homepage mitteilte. Bislang seien 21 Patienten mit einer Infektion gestorben.
Um die Ausgangsbeschränkungen zu kontrollieren, werde die Polizei durch die Bereitschaftspolizei verstärkt, sagte der Leiter der Staatskanzlei, Florian Herrmann (CSU), Antenne Bayern. Der Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Nachtigall, sagte den Oberpfalz-Medien (Samstag): Um mehr Personal zur Verfügung zu haben, werde intern umorganisiert und es würden bestimmte Arbeitszeitmodelle auf Sicht ausgesetzt. "Wir überlegen etwa, den 24-Stunden-Dienst nur noch in zwei Blöcken je 12 Stunden abzudecken", sagte er.
Im Landkreis Bad Kissingen hatte die Polizei unter anderem fünf Jugendliche in einem Bauwagen bei einer Geburtstagsfeier angetroffen. Im gleichen Landkreis fielen drei weitere Personen auf, die am frühen Samstagmorgen um ein Lagerfeuer saßen und tranken. Alle erhalten demnach Strafanzeigen wegen des Verstoßes gegen die Allgemeinverfügung. Laut Regierung können Geldbußen bis zu 25 000 Euro verhängt werden.
An einzelnen Stellen stoppten Polizisten am Samstag Autofahrer, um sie nach dem Grund der Fahrt zu befragen. Der Sprecher der Münchner Polizei, Marcus da Gloria Martins, sagte dem Radiosender Bayern 2 des Bayerischen Rundfunks aber, große Straßensperren seien zunächst nicht geplant. "Es wird auch nicht so sein, dass jemand, der unterwegs ist, alle fünf Meter von einem Kollegen von mir angesprochen wird."
Söder und Herrmann machten deutlich, dass etwa Handwerker weiter arbeiten dürften. In kleinem Rahmen seien etwa auch Hochzeiten und Umzüge erlaubt. Das Motto laute: Was sich verschieben lässt, soll verschoben werden. Wenn etwas nicht verschoben werden könne, sollten nur wenige Menschen beteiligt werden - also keine Hochzeitsfeier mit 100 Gästen oder ein Umzug mit der ganzen Familie. Auch Nicht-Corona-Patienten dürften selbstverständlich zum Arzt.
Passierscheine wie etwa in Frankreich seien nicht nötig, sagte Söder. Hilfreich sei aber, wenn man sich ausweisen und nachvollziehbar begründen könne, warum man auf welchem Weg sei.
Um den Andrang in Supermärkten zu entzerren, hat Bayern die möglichen Ladenöffnungszeiten ausgeweitet - doch die großen Ketten machen davon keinen Gebrauch. Grund ist, dass Mitarbeiter geschont werden sollen, wie eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur ergab. Die Unternehmen versuchen aber mit Maßnahmen wie "Spuckschutz" an den Kassen und Abstandsmarkierungen für Kunden, die Infektionsgefahr zu verringern.
Unterdessen räumte Mediziner Wendtner ein, dass die Gefahr durch das neuartige Virus anfangs unterschätzt worden sei - von der Politik wie auch von der Wissenschaft. "Auch ein junger Patient ist nicht gefeit davor, einen schweren Verlauf zu haben", warnte der Arzt, der in der Schwabinger Klinik Ende Januar die ersten mit Sars-CoV-2 infizierten Patienten in Deutschland behandelt hatte. "Das soll wachrütteln, dass man sich an die Hygienevorschriften und Regelungen hält."
Der Chef der München Klinik, Axel Fischer, forderte die Politik in Bayern und im Bund dazu auf, bei der Vorbereitung der Krankenhäuser auf viele schwer kranke Corona-Patienten stärker die Führung zu übernehmen. Sie hätte schon früher alle nicht notwendigen Operationen auch an privaten Krankenhäusern untersagen müssen, erklärte der Vorsitzende der Geschäftsführung des bundesweit zweitgrößten kommunalen Klinikums.
Söder hofft auf ein gemeinsames Vorgehen der Bundesländer. Die Ministerpräsidenten der Länder wollen am Sonntag in einer Schalte mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) weitere Maßnahmen besprechen.
Führende Politiker von SPD und Grünen kritisierten allerdings Bayerns Vorpreschen. So bezeichnete Grünen-Co-Bundeschefin Annalena Baerbock es als "kontraproduktiv", wenn der bayerische Ministerpräsident jetzt schon solche weitreichenden Maßnahmen umsetze. Söder habe den Vorsitz der Ministerpräsidentenkonferenz inne und solle eigentlich koordinieren, sagte sie der "Welt".