Betrunkene ins Krankenhaus fahren, alte Menschen betreuen oder als Erster an einem Unfallort sein. Was passiert während einer Schicht im Rettungswagen? Autorin Sophia Häns ist mitgefahren.
Bayerisches Rotes Kreuz Stille Helden: Wir waren bei einer Schicht im Rettungswagen dabei
Am Tag zuvor endet mein Abend früh. Punkt 20.30 Uhr liege ich im Bett. Skiunterwäsche, zwei Paar Wollsocken und Handschuhe habe ich bereitgelegt. Als um 4.30 Uhr in der Früh mein Wecker klingelt, fällt es mir nicht schwer, aufzustehen. Ich bin aufgeregt. Eine Stunde später sitze ich im Auto. Die kälteste Nacht des bisherigen Winters. -13,6 Grad. Um 5:45 Uhr läute ich an der Tür der Rettungswache des Bayerischen Roten Kreuzes Straubing. Rettungsassistent Marius Wedler und Rettungssanitäter Marko Pammer erwarten mich. Ich werde ihre Schicht im Rettungswagen von 6 Uhr bis 14 Uhr begleiten. Marko ist der Fahrer, Marius der medizinisch Verantwortliche.
Ich muss mich umziehen. Die Einsatzkleidung: weißes Polo-Hemd, weißer Pullover, orange Softshell-Jacke, zugehörige Hose, feste Schuhe. Sofort verändert sich mein Auftreten und ich fühle mich selbstbewusster. Marius und Marko werden mir später bestätigen, dass es ihnen auch so geht.
Schichtbeginn. Fahrzeugcheck. Eine Sauerstoff-Flasche muss ausgetauscht werden.
6.02 Uhr, erster Einsatz: „Atemnot“
Der Alarm piept. Ich setze mich auf den Sitz hinten im Rettungswagen, neben der Trage. Wir rasen durch die Nacht, das Blaulicht flackert in der Dunkelheit. Unser Ziel: ein Alten- und Pflegeheim. Mit uns kommt auch der diensthabende Notarzt an.
Der 74-jährige Mann im blau-rot-gestreiften Schlafanzug liegt noch im Bett. An der Wand hängt die Bayernflagge. Geschnitzte Figuren von Maria und Jesus stehen auf dem Regal, zwei Bierkästen auf dem Boden. Der Mann hustet, atmet schwer und scheint sehr schwach zu sein. Marius fragt nach der Art der Schmerzen: brennen, stechen, drücken? Er misst Fieber, Blutdruck, Blutzucker und Sauerstoffsättigung. Danach wird ein EKG (Elektrokardiogramm) gemacht, um die Aktivitäten der Herzmuskelfasern aufzuzeichnen.
Der Rentner bekommt eine Infusion und Schmerzmittel. Die Flasche dazu halte ich ruhig in die Höhe, sodass die Flüssigkeit nach unten laufen kann. Der Notarzt entscheidet, ihn ins Krankenhaus zu bringen. Durch das Fenster kann ich sehen, wie draußen die Sonne aufgeht. Marko und Marius heben den Mann auf die Trage.
Marko erklärt, dieser Einsatz im Altenheim sei „klassisch“: „Der erste Rundgang der Schwestern, der Patient merkt, es stimmt was nicht.“ Nachdem der Rentner im Krankenhaus versorgt wird, reinigen und desinfizieren Marius und Marko die Liege und schreiben im Rettungswagen das Protokoll.
Marius Wedler macht diese Arbeit seit 19 Jahren. Das Schwierigste ist für ihn das Ausmaß menschlichen Elends, das man als „normaler“ Mensch in Deutschland nicht mitbekommt und sich nicht vorstellen kann. Marko Pammer ist seit etwa eineinhalb Jahren Rettungssanitäter. Vorher war er bei Radio AWN. Jetzt fährt er im Rettungsdienst und macht die Öffentlichkeitsarbeit des Kreisverbands Straubing-Bogen. Marko sagt, er habe schnell die Erfahrung mit dem Tod gemacht. „Der Tod ist ein Tabu-Thema.“ Seine erste Reanimation wird er nicht vergessen. Der Patient kam zwar ins Krankenhaus, aber es war zu spät. Er hat es nicht geschafft. „Diesen Punkt muss man überwinden. Mit Kollegen darüber reden hilft.“
Zurück auf der Wache. Die Türen des Rettungswagens bleiben offen, lerne ich, damit es im Notfall schnell geht. Marko und Marius füllen auf, was sie gebraucht haben.
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