Bauernproteste

Landwirtschaft und Handel: Preisspirale abwärts?


In zahlreichen bayerischen Städten, darunter Straubing, haben Landwirte die Zentrallager von Supermarktketten blockiert als Zeichen ihrer Kritik an den niedrigen Erzeugerpreisen.

In zahlreichen bayerischen Städten, darunter Straubing, haben Landwirte die Zentrallager von Supermarktketten blockiert als Zeichen ihrer Kritik an den niedrigen Erzeugerpreisen.

Verzweifelter Protest. Bauern blockieren die Zentrallager. Der Einzelhandel soll bezahlen - nämlich mehr für ihre Produkte. Statt Politik oder Gesellschaft die Schuld an der Preis-Misere zu geben, konzentrieren die Bauern diesmal ihre Kritik auf die Betreiber der Einkaufshallen. Zurecht?

"Hintergrund dieser Entwicklung ist, dass Edeka, Aldi, Rewe und Lidl inzwischen eine dominierende Stellung auf dem deutschen Lebensmittelmarkt übernommen haben", erklärt Markus Drexler, der Sprecher des Bayerischen Bauernverbands (BBV) auf Anfrage von idowa: "Die spontanen Aktionen von Landwirten, die in der Nacht zum Montag in Straubing, Gaimersheim, Eching, Landsberg und anderen Supermarkt-Zentrallagern stattgefunden haben, sind Folge der völlig ungleichen und unfairen Beziehung zwischen Handel und Erzeugern."

85 Prozent des Lebensmittelmarktes sind in der Hand der genannten Ketten - dagegen komme auch eine an sich starke Lobby wie der BBV nicht an, sagt Drexler. Nochmal verschärft habe die Lage die Übernahme von Tengelmann durch Edeka. Die bedeutete: Noch mehr Markt-Macht in einer Hand. Auf dem deutschen Lebensmittelmarkt passiere nichts, was Edeka nicht will.

Die Lieferkette wird ausgequetscht

Und Edeka will, was seine Kunden wollen, sagt der BBV-Sprecher: "Im Nordwesten Deutschlands hingen vergangene Woche Edeka-Plakate mit dem Versprechen, dass Lebensmittel dort zu den niedrigsten Preisen angeboten werden." Also demnach scheine trotz aller Bekenntnisse zu Regionalität und ressourcenschonendem Verhalten der Preis nach wie vor alles zu sein.

Die Folgen des Preiskampfs: Die Lieferkette wird ausgequetscht. Hatte ein Landwirt 1991noch etwa 20 Prozent vom Kaufpreis eines Laib Brots bekommen, waren es 2019 nur noch sieben Prozent. Bei den Semmeln ist der Anteil für den Bauern am Kaufpreis von zehn auf zwei Prozent gefallen. Das geht aus einer Statistik hervor, die der BBV veröffentlicht hat.

"Der Hebel zu allem ist der Verbraucher", sagt Bernd Ohlmann im Hinblick auf die Lebensmittelpreise. Der Pressesprecher des Handelsverbands Bayern nennt ein Beispiel: "Lidl hat im vergangenen Jahr nur noch Bananen von Biobauern mit Fairtrade-Siegeln angeboten. Die waren deutlich teurer als die Normalen und die von der Konkurrenz. Das haben sie nach kurzer Zeit wieder einschlafen lassen - die Leute haben es nicht gekauft!" Die Entscheidungsmöglichkeit zwischen fair und damit teurer und den Billig-Linien wollen viele Verbandsmitglieder aber bewusst anbieten. Kein Wunder, dass in manchem Supermarktregal die Menge an Waren in unterschiedlichen Preisklassen den Konsumenten beinahe erschlägt. "Wir bringen, was der Kunde will", sagt Ohlmann - und der Kunde will offensichtlich nach wie vor nicht auf das preiswerte Angebot verzichten. Einer Reglementierung von Seiten des Handels kann Ohlmann nicht viel abgewinnen, zu groß wäre der befürchtete Aufschrei, wenn ganze Produktpaletten nicht mehr angeboten würden.

Lesen Sie im zweiten Teil der Geschichte, was aus Sicht des Einzelhandels höheren Erzeugerpreisen im Weg steht - und wie Bauern beginnen, sich gegen das Preis-Dumping auf ihre Art zu wehren.

Handelsverband: Die Macht liegt beim Verbraucher

Eine konzentrierte Marktmacht weniger großer Einzelhandelsketten ist für Ohlmann kein Argument. Die vier größten Einzelunternehmen Aldi, Lidl, Edeka und Rewe stünden in größter Konkurrenz zueinander. Deswegen diktierten sie auch keine Preise. "Wir haben den härtesten Preiswettbewerb im Lebensmitteleinzelhandel auf der ganzen Welt." Aufgrund dieses Konkurrenzdrucks sei der Spielraum begrenzt, freiwillig mehr an den Erzeuger zu entrichten, ohne ins Hintertreffen zu geraten. Der Handelsverband könne die Probleme der Bauern gut nachvollziehen, betont Ohlmann. Die Handelsunternehmen hätten aber kaum direkte Vertragsbeziehungen mit den Bauern, sondern mit den verarbeitenden Betrieben, etwa mit Molkereien. Mit diesen müssten die Bauern ihre Anliegen klären. "Ich wehre mich dagegen, dass der Handel zum Sündenbock gemacht wird und Alleinverantwortlicher für die Probleme der Bauern ist."

Dass der Einzelhandel in Bayern Lebensmittel verramscht, will Ohlmann so nicht stehenlassen. Er führt Zahlen des Armutsberichts der Bundesregierung an, wonach 13 Millionen Menschen in Deutschland in Armut oder an der Armutsgrenze leben würden. "Die werden Ihnen nicht sagen, dass die Lebensmittel zu billig sind." Es könne auch nicht sein, dass der Staat über die Preisfestsetzung entscheidet. "Die Preise sind Ausdruck von Angebot und Nachfrage." Hier werde oftmals das Dilemma zwischen Worten und Taten deutlich. "Die Deutschen sind ein bisschen naiv: Sie wollen supergutes Fleisch von super-glücklichen Tieren und Bauern, denen es wirtschaftlich supergut geht zu super-günstigen Preisen", fasst Ohlmann zusammen.

Faire Produkte kommen nicht aus der Nische

Wenn der Kunde ein hochpreisigeres Produkt kaufe, sei der Handel auch bereit, etwa dem Bauern als Erzeuger mehr Geld zu entrichten. Denn merkt der Händler, dass die Leute mehr für regionale Produkte bezahlen, werde das honoriert. Schließlich seien auch die Margen des Handels bei teureren Produkten höher als bei Niedrigpreisigen. Das Problem: Faire Produkte fristen zuweilen ein Nischendasein, auch wenn der Konsum-Trend eindeutig zum Regionalen gehe. Von zu vielen Labels über Tierwohl, ökologische Erzeugung und Regionalität ist Ohlmann allerdings nicht begeistert: Man müsse aufpassen, dass man den Verbraucher nicht mit zu vielen Siegeln verwirre.

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Seit etwa einem Jahr hat der BBV seinen Mitgliedern ein erstes Rüstzeug gegen vermeintliche Abzock-Preise an die Hand gegeben: Über eine App namens "Bares" können Bauern die aktuellen Verkaufspreise, die sie etwa für Kartoffeln, Soja, Raps, Weizen und andere Agrarprodukte erzielen, ihren Kollegen melden, damit die anderen Landwirte entscheiden können, wann der beste Zeitpunkt ist, seine Ware anzubieten - immer, wenn die Preiskurve einen Ausschlag nach oben macht. "Angesichts der teilweise immer wieder großen Preisspannen innerhalb eines Produktes ist der Nutzen für den einzelnen Landwirt durchaus groß. Je flächendeckender die Basis an Preismeldern ist, desto höher wird auch die Preistransparenz", erklärt BBV-Sprecher Markus Drexler.