MIt Verdi auf Erfolgskurs

Verena Stoiber aus Grafenwiesen inszeniert "Rigoletto" in Nürnberg


Verena Stoiber aus Grafenwiesen inszeniert "Rigoletto" in Nürnberg.

Verena Stoiber aus Grafenwiesen inszeniert "Rigoletto" in Nürnberg.

Von Regina Hölzel

Es ist nicht leicht, als Regisseurin im Musiktheater Fuß zu fassen. Verena Stoiber aus Grafenwiesen hat diesen Berufsweg eingeschlagen - und ist seit einigen Tagen auf der Karriereleiter ein beträchtliches Stück höher geklettert.

Die 36-Jährige feierte am letzten Sonntag mit ihrer Inszenierung von "Rigoletto" im Nürnberger Opernhaus Premiere - und erntete für ihre Interpretation von Verdis Meisterwerk viel Lob in der Fachpresse. "Theater, das nicht kalt lässt. So soll es sein", urteilt zum Beispiel BR Klassik, "Der Opernfreund" zieht das Fazit: "Eine szenisch packende und hochintelligente wie sinnliche Produktion".

"Das liest man natürlich gerne", schmunzelt Verena Stoiber, während sie sich die langen, blonden Haare aus dem Gesicht streicht. Nach den Strapazen der letzten Wochen gönnt sie sich ein paar Tage Ausspannen bei ihren Eltern in Grafenwiesen - bevor die nächste Produktion in Graz ansteht, wo sie im August Wagners "Tristan und Isolde" auf die Bühne bringt.

Berlin, Nürnberg, Graz

An diesem wolkenverhangenen Juni-Nachmittag stattet sie der Redaktion der Kötztinger Zeitung einen Besuch ab, um von ihrer Arbeit zu erzählen. Und da gibt es jede Menge zu berichten: Im Januar inszenierte sie an der Deutschen Oper Berlin die Uraufführung von Konrad Boehmers "Sensor", nun brilliert sie mit ihrem Debüt am Nürnberger Opernhaus.

Zwei Projekte, die unterschiedlicher nicht sein könnten: Mit "Sensor" eine moderne Installation in einer Halle, in der zeitgenössische Musik des 2014 verstorbenen Boehmer mit Texten des Münchner Autors Albert Ostermaier kombiniert wird. Und dann "Rigoletto", Verdis erstes Meisterwerk.

Nun gehört "Rigoletto" seit der Uraufführung vor über 160 Jahren zum Standardprogramm jeder großen Bühne - dem Regietheater bietet das komplexe Beziehungsgeflecht zwischen dem verkrüppelten Hofnarr Rigoletto, seiner Tochter Gilda und dem verhassten Herzog reichlich Interpretationsstoff. Trotz der Fülle an psychologischen Erklärungsversuchen gelang Verena Stoiber bei ihrer Inszenierung ein völlig neuer Ansatz: "Für mich war die Beziehung zwischen Vater und Tochter immer voller Fragezeichen", holt sie aus.

Auch ausgehend von den musikalischen Motiven schildert sie daher "ihren" Rigoletto nicht als leiblichen Vater von Gilda, sondern als Clown, der das Mädchen im Kindesalter entführt hat und seitdem versteckt hält. Und: Statt ihn als körperlich behindert darzustellen, erhält er psychopathische Züge.

Lieber hitzig als langweilig

Für ihre ebenso eigenständige wie innovative Sichtweise erhielt sie allgemein viel Zuspruch - und einen für das Nürnberger Opernpublikum ungewöhnlich emotionalen Schlussapplaus bei der Premiere: Bravo-, aber auch Buhrufe schaukelten sich gegenseitig lautstark hoch, als das Regieteam auf die Bühne trat. "In anderen Häusern ist das gang und gäbe, aber die Franken sind sonst wohl etwas zurückhaltender", lächelt sie und zuckt leicht die Achseln, "aber es ist völlig o.k., dass jemand meine Sichtweise kritisiert. Prinzipiell sind jedem Regisseur hitzige Diskussionen nach der Aufführung lieber als gelangweilte Reaktionen."

Bei ihrer künstlerischen Arbeit achtet sie darauf, dem Werk gerecht zu werden - und eventuell einen Aspekt zu entdecken, der bisher im Verborgenen lag. "Es geht nicht darum, die Zuschauer zu provozieren", betont sie und räumt gleichzeitig ein: "Aber manchmal kann das Bühnenbild oder die Erzählweise durchaus provozierend wirken." Den "Rigoletto" in Nürnberg siedelte sie in einem heruntergekommenen italienischen Hinterhof an. Der Herzog wird zu einer Art Mafiaboss, Rigoletto sein Handlager.

Für das Bühnenbild zeichnet Sophia Schneider verantwortlich, die zusammen mit Verena Stoiber ein eingeschworenes Team bildet. Beide Frauen haben zusammen 2014 in Graz den internationalen Regiepreis "Ring Award" gewonnen - dieser Preis ermöglichte dem Duo auch, in Berlin, Nürnberg und Graz zu inszenieren.

"Das ist eine einmalige Chance", freut sich die junge Theatermacherin, "ich wüsste ehrlich gesagt nicht, wie man sich in der Branche sonst einen Namen macht." Große Häuser engagierten keine Unbekannten: "Die Intendanten gehen in dieser Hinsicht kein Risiko ein, die müssen dich und deine Arbeit schon vorher kennen."

Opas machten Volkstheater

Hat sich die künstlerische Laufbahn schon früh abgezeichnet? Die Oberpfälzerin mit Wohnsitz Stuttgart schüttelt den Kopf: "Meine beiden Opas haben in ihrer Freizeit Volkstheater gemacht, der eine führte Regie bei einer Laiengruppe in Furth im Wald, der andere in Grafenwiesen, aber ich selbst stand als Kind nie auf der Bühne." Ihre Eltern seien Opernliebhaber und sie habe sich schon immer "irgendwie" fürs Theater interessiert. Nach dem Abi, das sie 1999 am Benedikt-Stattler-Gymnasium in Bad Kötzting ablegte, studierte sie deshalb Theater- und Medienwissenschaften in Erlangen.

Den Weg ins Regiefach wählte Verena Stoiber erst später. "Irgendwann merkte ich, dass ich lieber den Leuten sage, was sie tun sollen als selbst zu spielen." Sie studierte Regie an der Bayerischen Theaterakademie August Everding in München, lebte einige Zeit in Rom, Barcelona und Buenos Aires - bis es mit einer Stelle als Regieassistenz in Stuttgart klappte.

Seit letzten Herbst schlägt sie sich als freiberufliche Regisseurin durch. Aber was heißt hier schon "schlägt"? Verenas Stoibers Terminkalender ist bis 2018 proppenvoll - für eine Opernregisseurin mit gerade mal 36 Jahren eine starke Leistung.

Rigoletto

Weitere Aufführungen von Verdis "Rigoletto" im Opernhaus Nürnberg sind am 7., 17., 26. und 30. Juni sowie am 4., 10. und 22. Juli.

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Ein Auszug aus der Premiere von Verdis "Rigoletto" im Nürnberger Opernhaus am letzten Sonntag.

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Die Premiere von Verdis "Rigoletto" im Nürnberger Opernhaus am letzten Sonntag war ein voller Erfolg.