AZ-Kritik zum Krimi im Ersten

Göttinger "Tatort: Das verschwundene Kind"


Die Schauspielerinnen Maria Furtwängler (r) und Florence Kasumba.

Die Schauspielerinnen Maria Furtwängler (r) und Florence Kasumba.

Von Vanessa Fonth

Beim Göttinger Tatort gibt es am Sonntagabend viel Blut, Schmerz und Aggression. 90 Minuten lang wird es nicht leichter.

Spoiler-Warnung: Dieser Artikel gibt mehr oder weniger konkrete Hinweise auf die Handlung und das Ende des Göttinger "Tatort: Das verschwundene Kind". Wenn Sie nichts verraten haben wollen, lesen Sie den Text erst nach Ende der Ausstrahlung (20.15 - 21.45 Uhr, ARD).

An diesem "Tatort" ist wirklich nichts Schönes. Gleich am Anfang viel zu viel Blut und Schmerz, dann viel Aggression (und zwar nicht auf Seiten der Verbrecher!) - und über die ganzen 90 Minuten kein Anflug von Leichtigkeit. Nicht dass Polizeiarbeit sehr unterhaltsam sein muss, aber etwas mehr künstlerische Größe wäre dann schön.

Charlotte Lindholm (Maria Furtwängler), strafversetzt von Hannover nach Göttingen, rauscht arrogant durch die Studentenstadt, pöbelt Kollegen und Tatverdächtige an und stürzt sich von einem Fettnapf in den nächsten. Da applaudiert man im Fernsehsessel, als die neue Kollegin Anaïs Schmitz (Florence Kasumba) ihr endlich eine bremsende Ohrfeige verpasst.

Wettlauf gegen die Zeit ohne Spannung

Die Neue zieht mit stechendem Blick und atemberaubendem Aussehen ohnehin erst mal alle Aufmerksamkeit auf sich. Und da sind wir bei einem Problem dieses Tatorts (Regie: Franziska Buch, Drehbuch: Franziska Buch, Jan Braren und Stefan Dähnert): Er will den Fall einer heimlichen Geburt und des verschwundenen Neugeborenen zum Wettlauf gegen die Zeit machen, immer wieder gibt es Einblendungen mit Tag und Uhrzeit - aber bei all den Verdächtigen und Schauplätzen kommt gar keine rechte Spannung auf. Als würde man auf dem Hockenheimring mit großem Tamtam ein Rennen mit Dreirädern ausrichten. Wenn die Teilnehmer loseiern, kann man erst mal entspannt einen Kaffee trinken gehen.

Der Film greift ein Thema auf, das durchaus Stoff für einen Krimi hergibt, schafft es aber nicht, das Phänomen der verdrängten Schwangerschaft auch psychologisch zu erklären. Die Ausführungen des Gerichtsmediziners sind so vernuschelt, dass man den Fachbegriff nicht mal im Internet suchen kann.

Da dreht sich der Magen um

Und man muss - bei allem Verständnis für die Härte des Themas - um kurz nach 20 Uhr auch nicht zwingend Aufnahmen von blutiger Plazenta, Nabelschnur und - da dreht sich allen Eltern der Magen um - dem toten Säugling sehen. Fast noch schlimmer ist zuvor das Bild von zwei blutigen Babyfüßen, die unter der Decke auf dem Seziertisch herausschauen.

Und sonst: Alle bekloppt. Der Kriminaldirektor in Göttingen wirft ohne Not eine Reihe von Fahrrädern um, wird von einem Studenten dafür zurechtgewiesen, wedelt aber nur grinsend mit dem Dienstausweis und sagt dann ironisch zu Lindholm: "Willkommen in Göttingen, wo man noch Respekt vor der Polizei hat." Wie soll man vor so einer Polizei auch Respekt haben? Irgendwann war dann jede männliche Rolle mal verdächtig, die Jugendliche geschwängert zu haben. Gleichgültig ächzend nimmt man als Zuschauer dann die endgültige Auflösung zur Kenntnis.

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