Landgericht Traunstein

Prozess um Missbrauch Ende März: Priester muss erscheinen


Die Klage des Mannes richte sich gegen vier Beschuldigte: den mutmaßlichen Täter, das Erzbistum und die früheren Erzbischöfe Kardinal Joseph Ratzinger und Kardinal Friedrich Wetter. (Symbolbild)

Die Klage des Mannes richte sich gegen vier Beschuldigte: den mutmaßlichen Täter, das Erzbistum und die früheren Erzbischöfe Kardinal Joseph Ratzinger und Kardinal Friedrich Wetter. (Symbolbild)

Von dpa

Weil der Wiederholungstäter Priester H. nach Bayern versetzt wurde, als Joseph Ratzinger Münchner Erzbischof war, gilt der Fall als einer der prominentesten im Missbrauchsskandal der katholischen Kirche. Jetzt gibt es einen Termin für einen brisanten Gerichtstermin.

Das Landgericht Traunstein will am 28. März über die Zivilklage eines Missbrauchsopfers gegen den mutmaßlichen Täter sowie Vertreter der katholische Kirche verhandeln. "Das persönliche Erscheinen des beklagten Priesters und eines informierten Vertreters der beklagten Erzdiözese wurde angeordnet", teilte das Gericht am Donnerstag weiter mit. Mehrere Medien hatten darüber berichtet.

Bei dem Fall geht es um den wegen sexuellen Missbrauchs verurteilten Wiederholungstäter Priester H., der nach Vorwürfen gegen ihn in den 1980er Jahren aus Nordrhein-Westfalen nach Bayern versetzt wurde - zu der Zeit, als der spätere Papst Benedikt XVI., Joseph Ratzinger, Erzbischof von München und Freising war. In seiner neuen Diözese wurde er dann wegen sexuellen Missbrauchs in Grafing bei München rechtskräftig verurteilt und erneut versetzt - nach Garching an der Alz, wo niemand von seinen Taten wusste und wo der Priester erneut rückfällig wurde.

Der Traunsteiner Kläger gibt an, in Garching von dem Mann missbraucht worden zu sein, und sieht auch Vertreter des Bistums in der Verantwortung, denen er vorwirft, Fälle vertuscht und so weitere Taten erst ermöglicht zu haben. Die Zivilklage, eine sogenannte Feststellungsklage, richtet sich gegen vier Beschuldigte: Priester H., das Erzbistum und die früheren Erzbischöfe Ratzinger und Kardinal Friedrich Wetter.

Für Kardinal Wetter sei kein persönliches Erscheinen angeordnet, sagte Gerichtssprecherin Andrea Titz. Für den an Silvester gestorbenen Papst Benedikt XVI. ruht das Verfahren, bis klar ist, wer dessen Rechtsnachfolge antritt.

500 Opfer bei mehr als 200 mutmaßlichen Tätern

Der Fall H. war der zentrale in dem vor einem Jahr vorgestellten Gutachten über sexuelle Gewalt in der Erzdiözese München und Freising, das von an die 500 Opfern ausging - und mehr als 200 mutmaßlichen Tätern. Er gilt als exemplarisch für Strukturen in der katholischen Kirche, die Missbrauch vertuschten und Täter schützten.

Das Erzbistum hat bereits mitgeteilt, sich in dem Verfahren nicht auf Verjährung zu berufen, und machte so den Weg für den Prozess überhaupt erst frei. Kritiker, die eine rechtliche Aufarbeitung von Missbrauchsfällen innerhalb der Kirche vor der Justiz fordern, hatten befürchtet, das Bistum könnte sich dem Verfahren unter Berufung auf die Verjährung entziehen.

Die Diözese sagte dem Kläger auch Schmerzensgeld und gegebenenfalls Schadenersatz zu, und damit könnten unter Umständen deutlich höhere Zahlungen auf das Erzbistum zukommen als bisher. Die freiwilligen Anerkennungsleistungen der katholischen Kirche in Deutschland für Betroffene von sexuellen Missbrauch liegen bislang in der Regel bei höchstens 50.000 Euro.

Ein Blick nach Köln zeigt eine ganz andere Dimension: Dort fordert ein 62-Jähriger, der angibt, als Messdiener mehr als 300-mal von einem katholischen Priester missbraucht worden zu sein, 750.000 Euro. Der Kirchenrechtler Thomas Schüller sieht schon eine Klagewelle auf die Kirche zurollen: Jetzt würden "viele Opfer sexualisierter Gewalt den staatlichen Klageweg einschlagen", sagte er der Deutschen Presse-Agentur, nachdem das Erzbistum München mitgeteilt hatte, sich dem Traunsteiner Prozess zu stellen. Sollte es dazu kommen, sieht er vor allem ärmere Bistümer in finanzieller Bedrängnis: Eine Reihe von Bistümern werde "nicht lange in der Lage sein, die durch staatliche Gerichte verfügten Summen, die wie in Köln bis 800.000 Euro gehen können, zu bedienen, ohne nicht substanziell Vermögenswerte wie Immobilien veräußern zu müssen".