Angehörigenbesuche wieder möglich

Sind die Seniorenheime bereit für die Öffnung?


Von Stefan Karl

Am Wochenende sollen für die Bewohner von Senioren- und Pflegeeinrichtungen in Bayern die Wochen der Isolation zu Ende sein. Besuch ist dann nach einem Beschluss der Staatsregierung wieder erlaubt. Aber nicht alle Einrichtungen werden das umsetzen können, mahnen Experten.

Für Wochen haben die Bewohner von Senioren- und Pflegeheimen auf Besuch verzichten müssen. Zahlreiche Sozialverbände haben auf die Belastung für die älteren Menschen hingewiesen, die das Fehlen sozialer Kontakte bringt. Der Schaden durch das Besuchsverbot könne bald den Nutzen überwiegen. Diese Ambivalenz sah auch Christian Herrmann, Sachgebietsleiter Pflege beim Kreisverband Straubing-Bogen des Bayerischen Roten Kreuz (BRK): "Es ist unheimlich wichtig für die Bewohner, ihre Angehörigen wieder von Angesicht zu Angesicht sehen zu können. Allerdings ist die Infektionsgefahr noch relativ hoch, deswegen müssen wir vorsichtig sein." Die Bayerische Gesundheitsministerin hatte bereits Ende der vergangenen Woche eine Lockerung des Besuchsverbots ins Spiel gebracht, bei dem festen Kontaktpersonen der Zugang zu den Einrichtungen erlaubt werden sollte.

"Wir sehen die Auswirkung der Isolation mittlerweile sehr deutlich", bestätigt Michael Pflügner vom Nürnbergstift und Vorstandsmitglied der Kommunalen Altenhilfe Bayern (KAB): "Wir sehen, wie Bewohner sich in den Wochen ohne Besuch verändert haben, wie sie abbauen. Wir wollen den Besuch ermöglichen, zum Beispiel im Freien." Es sei aber möglich, dass einige der Senioreneinrichtungen in Bayern noch nicht zum Wochenende Besuche zulassen können. Es komme auf die räumlichen Möglichkeiten und die Ausstattung an, ob das Infektionsrisiko vertretbar gehalten werden kann.

Am Dienstag gab Ministerpräsident Markus Söder schließlich bekannt, dass das Besuchsverbot in den Senioren- und Pflegeheimen ab dem Wochenende gelockert werden soll - unter "strikten Hygiene- und Schutzmaßnahmen" sollen Besuche dann erlaubt sein. Bereits im Vorfeld der Entscheidung hatten einige Träger von Senioreneinrichtungen allerdings gewarnt: Es fehle in den Heimen an der richtigen Schutzausrüstungen, vor allem Schutzkitteln. Auch müssten regelmäßige Temperaturmessungen bei Mitarbeitern und Besuchern möglich sein und es brauche genug Testkapazitäten, um die Bewohner der Pflegeheime wöchentlich zu testen. Ohne diese Voraussetzungen könne es reihenweise neue Infektionen unter den Altenheimbewohnern geben, auch mit neuen Todesfällen sei dann zu rechnen. Diverse Medien hatten die Stellungnahmen aufgegriffen.

Kann die Öffnung der Heime für Besuch von außen also mit einer Situation wie in Norditalien im Februar und März enden? Auf idowa-Nachfrage wollte ein Sprecher des Bundesverbands der kommunalen Senioren- und Behinderteneinrichtungen e.V. (BKSB) sich an den Spekulationen über ein mögliches Schreckensszenario nicht beteiligen. Die Situation in den Einrichtungen sei zu unterschiedlich, um die Infektionsgefahr durch eine Lockerung des Besuchsverbots einzuschätzen. "In manchen Heimen gibt es die Möglichkeit, Hygieneregeln einzuhalten, indem zum Beispiel gesonderte Besucherbereiche ausgewiesen werden. Wir wissen von Einrichtungen, die sich zum Beispiel einen Besucherpavillon außerhalb des eigentlichen Hauses aufgestellt haben."

Die baulichen Voraussetzungen zu schaffen für einen sicheren Kontakt zwischen Bewohnern und Besuchern sei für viele Einrichtungen eine lösbare Aufgabe. Was die Sache allerdings in den Augen des Bundesverbands der Pflegeheimbetreiber schwierig macht: die aus seiner Sicht fehlende Planungssicherheit. Seit Beginn der sogenannten Corona-Krise würden die Landesregierungen nicht nur ständig eigene Sonderwege gehen, sondern auch im Wochenrhythmus Auflagen und Vorgaben erlassen. Bei Marko Pammer, Referent für Öffentlichkeitsarbeit beim BRK-Kreisverband Straubing-Bogen, klingt das ähnlich: " Unsere Forderung an die Politik ist, dass die Öffnung verlässlich passieren muss. Keine Notverordnung, die dann wieder für ein paar Tage gültig ist und dann durch eine neue Verordnung ersetzt wird. Bestimmte bauliche Maßnahmen, Container-Lösungen oder ähnliches, hat man nicht in zwei Tagen erledigt. Wenn man dann nur 14 Tage Zeit hat, eine neue Verordnung umzusetzen, wird es schwierig."

"Ein Anliegen", sagt Pammer, "wäre auch, die Dinge individuell von Heim zu Heim zu regeln, weil die Situation in Mallersdorf einfach eine andere ist als in Straubing oder in Mitterfels. Das fängt schon da an, dass die Heime baulich jeweils anders sind und deshalb müssen aus unserer Sicht die Experten vor Ort über die Sicherheitsvorkehrungen entscheiden." Im Wesentlichen sind die Verantwortlichen beim BRK aber zuversichtlich, die Heime am Wochenende öffnen zu können: "Über die Details müssen wir uns noch klar werden, aber es wird ziemlich sicher in unseren Heimen am Wochenende bereits die Möglichkeit für einen Besuch geben."

Bliebe noch die Frage nach der Ausrüstung. Übereinstimmenden Medienberichten zufolge kommt es bei einigen Einrichtung bei der Beschaffung von Schutzkitteln und anderem Equipment immer wieder zu Engpässen, die Träger müssten ständig improvisieren. Zuweilen ist die Rede von Mülltüten, die zu Schutzkitteln umgenäht und geklebt werden. Hier könne es durchaus zu Engpässen kommen, sagt Michael Pflügner von der KAB: "Der Vorrat von Masken, Schutzkitteln und Desinfektionsmitteln ist in den Einrichtungen sehr unterschiedlich. Wie schnell die Vorräte aufgefüllt werden können, hängt auch von politischen Entscheidungen ab." Fest stehe, dass Besucher sich wohl anmelden müssen, damit Personal zur Begleitung der Bewohner und Besucher zur Verfügung steht.

Zumindest beim BRK Straubing-Bogen scheint das kein Thema zu sein. Die Versorgungslage habe sich stark verbessert, "dank den Führungsgruppen Katastrophenschutz und den Beschaffungen über Feuerwehr und Rotes Kreuz, die wirklich großartig zusammengearbeitet haben. Die Lieferketten normalisieren sich schön langsam wieder, es ist an die Ausrüstung wieder heranzukommen. Mülltüten als Schutzmittel wird es bei uns definitiv nicht geben."