Adrenalin "aus den Ohrwascheln"

Österreich träumt vom Coup gegen Italien


Marko Arnautovic (M) jubelt zusammen mit seinem Teamkollegen nach dem 1:0 Sieg über die Ukraine. Nach dem Weiterkommen gibt sich der Österreicher forsch vor dem Achtelfinale gegen Italien.

Marko Arnautovic (M) jubelt zusammen mit seinem Teamkollegen nach dem 1:0 Sieg über die Ukraine. Nach dem Weiterkommen gibt sich der Österreicher forsch vor dem Achtelfinale gegen Italien.

Von sid

Ein Auftritt im Fußball-Tempel Wembley, das erste K.o.-Spiel seit 1954, Adrenalin bis zu den "Ohrwascheln", und dazu noch ein ganz großer Gegner: Doch die Vorfreude beim krassen Außenseiter Österreich ist vor dem mit Spannung erwarteten EM-Achtelfinale in London gegen den viermaligen Weltmeister Italien getrübt.

Dass wegen der strengen Quarantänebestimmungen beim Spiel des Jahrtausends keine rot-weiß-roten Fans im Stadion sein können, sei "mehr als ein Wermutstropfen. Das ist ewig schade", meinte ÖFB-Sportdirektor Peter Schöttel. Für Nationaltrainer Franco Foda ist die Situation vor dem Nachbarschafts-Duell am Samstag (21.00 Uhr/ZDF und MagentaTV) gar "der Wahnsinn". Da habe es ja "keinen Sinn", sagte er vor Tagen, "in London zu spielen".

Statistisch gehen Österreichs Chancen gegen Null

Natürlich wird Österreich antreten, auch wenn eigentlich alles gegen das Team um Kapitän David Alaba spricht: Nicht nur, dass Roberto Mancinis Rekordjäger derzeit unschlagbar sind, auch statistisch betrachtet gehen die Chancen der Österreicher gegen Null.

Dennoch: "Das Adrenalin wird uns aus den Ohrwascheln rausspritzen. Wir haben etwas Großes erreicht, aber wir wollen noch etwas Größeres erreichen", sagte Christoph Baumgartner von der TSG Hoffenheim, nachdem "Felix Austria" bei einer EM-Endrunde erstmals überhaupt das Achtelfinale erreicht hatte.

"Mit zehn Prozent kann man viel anfangen"

Foda will auch die kleinste Chance nutzen. "Wir wissen, dass wir der krasse Außenseiter sind", sagte er vor dem Spiel: "Aber selbst, wenn es nur zehn Prozent sind. Mit zehn Prozent kann man viel anfangen."

Auch Torjäger Marko Arnautovic unterstrich forsch die Ambitionen. Dass der letzte Sieg gegen die Azzurri knapp 61 Jahre zurückliegt? Egal! "Wir kommen nicht, um Urlaub zu machen oder um das Stadion zu besuchen. Wir wollen ein Spiel gewinnen, dafür sind wir da", sagte er und ergänzte: "Sag niemals nie, mein Freund."

Italien ist sich der Favoritenrolle bewusst

Der haushohe Favorit Italien übt sich dagegen brav in Bescheidenheit. Natürlich sei man in der Lage, "das Spiel zu beherrschen", meinte Marco Verratti, "aber es gibt ab dem Achtelfinale keine einfachen Spiele, oft entscheiden kleine Details".

Vielleicht hat Mancini auch deshalb Elfmeter üben lassen. In Jorginho, Ciro Immobile, Francesco Acerbi, Domenico Berardi und Leonardo Bonucci soll er seine fünf Schützen auch schon bestimmt haben, behauptet zumindest der Corriere dello Sport. Wie auch immer, für Österreichs Keeper Daniel Bachmann ist klar: "Wenn wir ins Elfmeterschießen kommen, dann kommen wir weiter".

Träume vom ersten EM-Titel seit 53 Jahren

Doch von einem Elfmeterschießen gehen die euphorisierten Tifosi ohnehin nicht aus, nachdem sich die Squadra Azzurra längst zum EM-Favoriten aufgeschwungen hat. Eine historische Serie von 30 ungeschlagenen Spielen, zuletzt elf Siege und dazu noch 1055 Minuten ohne Gegentor: Gründe genug, um das Achtelfinale in Wembley nur als kurzen Zwischenstopp anzusehen und vom ersten EM-Titel seit 53 Jahren zu träumen.

Doch die Italiener wissen auch, dass die perfekte Gruppenphase und alle Rekorde ab sofort nicht mehr zählen. "Reifeprüfung für Mancini", titelte La Stampa am Freitag: "Jetzt muss Italien wirklich zeigen, was es kann."

Abwehrboss Chiellini fällt aus

Ausfallen werden nach wie vor der angeschlagene Kapitän Giorgio Chiellini und Alessandro Florenzi. Doch dies ist für Mancini kein Problem. Er hat ohnehin die Qual der Wahl. Nach den acht Wechseln gegen Wales (1:0) dürfte es gegen Österreich wieder eine Rotation zurück geben.

Mancini wird es schon richten. Davon ist auch Torwart-Ikone Dino Zoff (79) überzeugt. Er sieht "einige Ähnlichkeiten" in Bezug auf "Enthusiasmus und Teamgeist" zum Weltmeister-Team von 1982. Gegen Österreich wird "Dino Nazionale" aber besonders genau hinschauen: 1143 Minuten war er zwischen 1972 und 1974 ohne Gegentor geblieben, Gianluigi Donnarumma könnte diese historische Bestmarke am Samstag knacken.

Die voraussichtlichen Aufstellungen:

Italien: Donnarumma - Di Lorenzo, Bonucci, Acerbi, Spinazzola - Verratti, Jorginho, Locatelli - 11 Berardi, Immobile, Insigne. - Trainer: Mancini

Österreich: Bachmann - Lainer, Dragovic, Hinteregger, Alaba - Schlager, Laimer, Grillitsch - Baumgartner, Arnautovic, Sabitzer. - Trainer: Foda

Schiedsrichter: Taylor (England)