2. Teil des Stoiber-Interviews

"Einen Rückhalt wie für Hoeneß gibt es in der Politik nicht"


Von Maximilian Koch

Im AZ-Interview spricht der Ministerpräsident a.D. über Hoeneß' Rückkehr als Aufsichtsratschef des FC Bayern: "Er bekommt dieses Vertrauen, weil er für seinen Fehler glaubwürdig eingestanden ist".

München - Im zweiten Teil des großen AZ-Interviews mit Edmund Stoiber spricht der 75-Jährige unter anderem über den FC Bayern und Uli Hoeneß. Beim deutschen Rekordmeister ist der CSU-Politiker zudem Aufsichtsratmitglied.

AZ: Herr Stoiber, am Montag trifft sich der Aufsichtsrat der FC Bayern München AG, um Präsident Uli Hoeneß wieder zu seinem Vorsitzenden zu bestimmen. Sie gehören dem Gremium an. Gab es mit Ihren Kollegen eigentlich Diskussionen darüber, ob Hoeneß diesen Posten wieder einnehmen kann nach seinem Steuervergehen und der Haftstrafe?
EDMUND STOIBER: Nein, die gab es nicht. Vielleicht bilateral am Rande. Im Aufsichtsrat ist das kein Thema gewesen. Der Wechsel von Präsident Karl Hopfner zu Uli Hoeneß hat ja erst Ende November stattgefunden. In einer Kapitalgesellschaft ist es selbstverständlich und war beim FC Bayern immer so, dass der Mehrheitseigner, in dem Fall also mit 75 Prozent der FC Bayern e.V. mit dem Präsidenten Uli Hoeneß an der Spitze, auch den Aufsichtsratsvorsitzenden der FC Bayern München AG stellt. Das ist gut für den FC Bayern und für Uli Hoeneß. Er bekommt dieses Vertrauen auch, weil er für seinen schweren Fehler glaubwürdig eingestanden ist. Es ist gut, dass in unserer Gesellschaft heute eine zweite Chance selbstverständlicher ist.

Dennoch: Für einen Politiker oder Wirtschaftsboss wäre ein solches Comeback nicht möglich gewesen. Warum nimmt der Sport in moralischer Hinsicht eine derartige Sonderrolle ein?
Der Sport hat sicherlich eine besondere Rolle. Es geht ja auch um die Millionen Fans und die über 280.000 Mitglieder, die in ihrer überwältigenden Mehrheit immer hinter Uli Hoeneß standen, weil sie wissen, was er für den Verein geleistet hat, dass er ihn mit groß gemacht hat. Einen solch emotionalen Rückhalt gibt es in der Wirtschaft oder auch in der Politik nicht. Er hat eine Straftat begangen, die mit dem FC Bayern nichts zu tun hatte und zu seinem sozialen Anspruch gar nicht passte. Er hat dafür gebüßt und den Schaden beglichen - plus Zinsen. Und das akzeptieren die Leute.

Was hat dem FC Bayern ohne Uli Hoeneß gefehlt?
Der Verein ist mit Karl Hopfner als Präsidenten und Karl-Heinz Rummenigge als Vorstandsvorsitzendem der AG exzellent weitergeführt worden, keine Frage. Aber keiner bestreitet, dass Uli Hoeneß die Seele des Vereins ist, er lebt voller Leidenschaft den FC Bayern. Deswegen wird er auch von den Fans und von den Spielern so sehr geschätzt, ja geliebt. Wenn etwa Weltklassespieler wie Arjen Robben, Franck Ribéry, Philipp Lahm, Thomas Müller oder Manuel Neuer auch in schwierigen Zeiten öffentlich zu ihm standen und ihre Freude über die Rückkehr von Uli Hoeneß zum Ausdruck bringen, ist das etwas Besonderes. Auch die Konkurrenz in der großen Fußballfamilie von Hans-Joachim Watzke bis Willi Lemke freut sich darüber. Daran merkt man, dass der Mann von den Spielern als einer der ihren betrachtet wird - weil er all das erlebt hat, was sie jetzt erleben. Er hat als junger Manager des FC Bayern in den 80ern den Grundstein für den Weg an die europäische Spitze gelegt. Damals hatte der Verein bei zwölf Millionen Mark Umsatz über acht Millionen DM Schulden. Heute sind wir eine Marke in der Welt wie Real Madrid, Barcelona und Manchester United.

Hat ihn diese Zeit im Gefängnis verändert?
Ja.

Inwiefern?
(überlegt lange) Das ist ja kein Querschnitt des Volkes im Gefängnis, sondern eine ganz besondere Gesellschaft. Du bekommst die Abgründe des Lebens mit. Da sitzen viele schwer Gescheiterte. Das ist eine bleibende Erinnerung. Wenn man mit ihm spricht, gerade in gesellschaftlichen Fragen, ist er nachdenklicher geworden, abwägender. Er hat seine Meinung, aber er hat auch Respekt vor den Niederlagen des Lebens.

Sie haben ihn im Gefängnis besucht. Welchen Eindruck hat er da auf sie gemacht?
Er hat die Situation und die Strafe angenommen und nicht geklagt. In schwierigen Lebenssituationen geht es darum, Freunden deutlich zu machen, dass man für sie da ist. Über diese Zeit der Abgeschottetheit hat er ja auch in Interviews persönlich sehr bewegt erzählt. Er sagt auch selber, dass er diese Zeit nicht vergessen wird.


Edmund Stoiber, hier im Gespräch mit AZ-Redakteur Maximilian Koch. Foto: API/Michael Tinnefeld

Hoeneß hat seine Karriere als Spieler wegen einer Verletzung früh beenden müssen - und ist direkt ins Management gewechselt. Welchen Spielern aus der aktuellen Mannschaft trauen Sie einen Posten in der Bayern-Führung zu?
Es wäre toll, wenn wir nach den drei überragenden Spielern - Franz Beckenbauer, Uli Hoeneß, Karl-Heinz Rummenigge - wieder eine Generation großer Spieler in die Führungsebene integrieren könnten. Philipp Lahm ist Weltmeister, hat alles gewonnen und ist wahrscheinlich der beständigste Spieler im vergangenen Jahrzehnt. Über ihn denkt man nach. Philipp ist jemand, dem viele wie auch ich den Sprung ins Management des Vereins zutrauen. Bei früheren Weltklassespielern der Bayern der Generation nach Beckenbauer, Hoeneß und Rummenigge hat sich das nicht ergeben.

Warum eigentlich nicht?
Da muss vieles passen. Es gab auch mal Diskussionen um Oliver Kahn. Der war immer einer, der sich auch über den Fußball hinaus geäußert hat, eine Persönlichkeit. Aber es hat sich eben nicht ergeben. Er ist heute ein erfolgreicher Self-Made-Man.

Bei Spielerverpflichtungen in Höhe von mehr als 25 Millionen Euro muss sich der Bayern-Vorstand die Zustimmung des Aufsichtsrats holen. Was glauben Sie angesichts der Summen, die gerade für Fußballer gezahlt werden: Wann werden Sie erstmals einen 100-Millionen-Transfer absegnen?
100 Millionen? Das steht aktuell nicht zur Debatte. Aber man muss je nach Situation entscheiden. Man muss immer wieder daran erinnern, dass der FC Bayern alles selbst erwirtschaften muss, dass wir keinen Scheich hinter uns haben, keinen Abramowitsch, der einfach mal 150 Millionen in der Bilanz ausgleichen kann.

...und auch keinen Hasan Ismaik. Sie als 1860-Mitglied: Wie bewerten Sie das Engagement des Löwen-Investors?
Ganz objektiv muss man festhalten: Der Verein wäre ohne Ismaik wohl in der dritten oder vierten Liga. Aber seine Machtbefugnis, die Geschäftspolitik und Entscheidungswege sind schon ungewöhnlich. Ich sage bewusst: ungewöhnlich. Die Mitglieder bei 1860 haben sicher weniger zu sagen als beim FC Bayern. Das hat sich verändert. Ich denke, dass die Führung des FC Bayern eine ganz andere Bindung zu ihren Mitgliedern hat. Aber ich wünsche 1860 alles Gute. Es ist ein Projekt mit offenem Ausgang.

Dieses Interview wurde von unserem Kooperationspartner, der Abendzeitung München, geführt.