"Wir sollten zufrieden sein mit dem, was wir haben"

Chiara, Jason und Samuel leisteten Freiwilligenarbeit in einem Waisenhaus im Südwesten Indiens


Zusammen Musik machen, singen und einfach Zeit verbringen - das fanden die Kinder toll.(Fotos: privat)

Zusammen Musik machen, singen und einfach Zeit verbringen - das fanden die Kinder toll.(Fotos: privat)

Rund elf Stunden Flugzeit trennen Deutschland und Indien. Elf Stunden, die in eine andere Welt führen, denn Indien ist ein Land voller Kontraste. Arm neben reich, Müllberge neben farbenfroher Ausgelassenheit, jahrhundertealte Geschichte und Tradition neben aufstrebenden modernen Hochhäusern. Diese Erfahrung machten auch Chiara und die Brüder Jason und Samuel. Die drei Jugendlichen reisten im Februar zusammen mit mehreren Mitgliedern ihrer Regensburger Kirchengemeinde in den Südwesten Indiens, um dort Freiwilligenarbeit in einem christlichen Waisenhaus zu leisten.

"Wir wollten einfach helfen, denn viele Kinder in Indien, vor allem Mädchen, wachsen in schlimmen Verhältnissen auf. Und einige von ihnen haben in dem Waisenhaus ein tolles Zuhause gefunden", erklärt der 17-jährige Jason Modemann aus Neutraubling die Beweggründe für ihren Einsatz. Mädchen und Frauen seien in Indien die Verlierer des Systems, denn Mädchen gelten in dem Land als Last und Fluch. "Die traditionell geforderte Mitgift, die eine junge Frau in die Ehe mitbringen muss, treibt viele Familien in den Ruin", erklären die Jugendlichen.

Das führe dazu, dass viele Mädchen schon als Babys ausgesetzt oder sogar getötet werden. Das Waisenhaus nehme deshalb vorwiegend Mädchen auf, die von ihren Familien nicht mehr ernährt werden können oder die durch die Jugendfürsorge vermittelt werden.

"Derzeit leben 22 Mädchen und drei Jungen zwischen sieben und 19 Jahren dort und es war eine unglaubliche Erfahrung, sie alle kennenzulernen", schildert die 18-jährige Chiara Leopold. Absolut rührend sei schon ihre Ankunft in dem Waisenhaus in der Nähe der Stadt Kotamangalam gewesen. "Nach dem langen Flug waren wir eigentlich alle total kaputt und es war auch schon stockfinster, als wir in der Einrichtung ankamen", erinnert sich Jason. Aber auf einmal hätten sie gesehen, dass aus jeder Hausöffnung jemand erwartungsvoll herausblickte und plötzlich seien alle kleinen Bewohner und ihre Betreuer herausgekommen. "Alle hatten bunte Blumen für uns dabei und haben uns ganz herzlich begrüßt. Das war total überwältigend", erzählt der 14-jährige Samuel Modemann. Der Kontakt zu dem Waisenhaus im Bundesstaat Kerala im Südwesten Indiens entstand übrigens durch einen der Gründer der Einrichtung. Dieser schrieb vor einigen Jahren an der Universität Regensburg seine Doktorarbeit und hatte zu dieser Zeit engen Kontakt zu Regensburger Christen. Auch nach seiner Heimreise blieb der Kontakt mit den Oberpfälzern bestehen und der Besuch in dem von ihm 1994 mitgegründeten Waisenhaus war nun schon der zweite von Regensburgern.

"Beim ersten Besuch vor vier Jahren haben die Gemeindemitglieder Holzstockbetten für das Waisenhaus gebaut. Wir haben uns als Ziel gesetzt, für die Kinder einen Spielplatz zu errichten", sagt Jason. Das sei aber gar nicht so einfach gewesen, denn es habe sich zum Beispiel erst vor Ort herausgestellt, dass das geplante Holz viel zu teuer sei und auch dem heftigen Monsunregen gar nicht standhalten würde.

"Wir haben uns dann aber einfach für Metall entschieden", erzählen die Jugendlichen. Zehn Tage haben die 17 Helfer immer vormittags in dem Waisenhaus Zement angerührt, geschaufelt, gesägt, gehämmert und gebaut, bis schließlich eine große Reifenschaukel, eine Seilbahn und sogar ein riesiges Trampolin für die Kinder fertig waren. "Das Trampolin haben wir aber aus Deutschland mitgebracht. Das haben wir von einer Firma gesponsort bekommen", erzählt Chiara.

Sobald die Kinder aber nachmittags aus der Schule kamen, starteten Chiara, Samuel, Jason und die anderen Helfer aus Deutschland mit ihrem Kids-Programm. "Wir haben zum Beispiel Bibelgeschichten erzählt und nachgespielt, aber auch Ausflüge zu einer Teeplantage oder in einen Nationalpark gemacht oder wir haben einfach zusammen gemalt und gebastelt", schildert Jason. Es habe sich übrigens schnell herausgestellt, wer zu wem passe und es haben sich meist die gleichen Grüppchen zusammengefunden.

Und wie hat es mit der Verständigung geklappt? "Viele Kinder konnten Englisch. Mit den anderen haben wir uns mit Händen und Füßen unterhalten", erzählen die drei lachend. Überhaupt sei die Zeit in dem Waisenhaus eine unglaubliche Erfahrung gewesen. "Die Kinder dort haben so viel weniger als wir, aber sie sind trotzdem glücklich. Das hat uns echt gezeigt, dass wir in der westlichen Welt auch viel zufriedener sein sollten, mit dem was wir haben und wie wir leben dürfen", sagt Jason.

"Als wir uns verabschiedet haben, haben alle geweint. Wir sind in diesen Tagen total zusammengewachsen und haben auch jetzt noch Kontakt durch Briefe und E-Mails", ist auch Samuel immer noch berührt von der Herzlichkeit der Menschen dort. "Die Freude in ihren Blicken, als wir kamen, um ihnen zu helfen, werde ich nie vergessen", ist er überzeugt. Und auch Chiara ist restlos beeindruckt. Die 18-Jährige hat kürzlich in Australien ihr Abitur gemacht und möchte ab dem kommenden Semester in Regensburg studieren. "Vielleicht sogar Soziale Arbeit, das könnte ich mir nach diesem Einsatz gut vorstellen", verrät sie lächelnd.

Auch du kannst helfen

Ziel von "Lifestream Childcare Indien" ist es, die Arbeit in dem Waisenhaus in Indien so zu unterstützen, dass die Einrichtung erhalten werden kann und dassnoch mehr Kinder dort ein wunderbares Zuhause finden können. Hilfe ist zum Beispiel möglich durch Übernahme einer Patenschaft oder auch durch finanzielle Spenden.

Außerdem besteht die Möglichkeit für junge Frauen, im Rahmen eines Studiums ein Praxissemester im Waisenhaus zu absolvieren und so die Arbeit des Waisenhaus-Teams vor Ort zu unterstützen. Weitere Informationen dazu findest du im Internet unter www.lifestream-childcare.org.

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Chiara (Mitte) schloss die Mädchen im Waisenhaus gleich ins Herz.

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Von Jasons hellen Haaren waren die Kleinen ganz fasziniert.

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Samuel (links) und Jason (rechts) haben das aus Deutschland mitgebrachte Trampolin aufgebaut.