Täter psychisch krank?

Polizei geht nach Messerattacke in ICE nicht von Terror aus


Der ICE, in dem die Messerattacke stattfand, steht im Bahnhof am Gleis.

Der ICE, in dem die Messerattacke stattfand, steht im Bahnhof am Gleis.

Von mit Material der dpa

Ein Mann greift wahllos Zugpassagiere mit einem Messer an. Terror? Dafür haben die Ermittler keine Anhaltspunkte. Aber es gibt Hinweise auf eine psychische Erkrankung.

Den Messerangriff auf Passagiere eines ICE in Bayern werten die Ermittler nicht als Terrorakt. Es gebe "keine Anhaltspunkte für einen islamistischen Hintergrund", sagte Kriminaldirektorin Sabine Nagel am Sonntag auf einer Pressekonferenz in Neumarkt in der Oberpfalz. Zudem seien bislang keine Hinweise aufgetaucht, dass der 27-jährige Tatverdächtige Mittäter oder Mitwisser hatte.

Ein Gutachter gehe davon aus, dass der Mann unter einer "paranoiden Schizophrenie" leide und wahnhafte Vorstellungen habe, sagte der Leitende Oberstaatsanwalt Gerhard Neuhof. Der Antrag der Staatsanwaltschaft, den mutmaßlichen Täter in einer psychiatrischen Klinik unterzubringen, wurde erlassen. Der Beschuldigte werde im Bezirksklinikum Regensburg untergebracht.

Der 27-Jährige habe dem Gutachter gesagt, er fühle sich von der Polizei verfolgt: Sie schicke Männer, die ihn verrückt machen sollten. Von einem 26-jährigen Fahrgast im Zug habe er sich bedroht gefühlt und "gemeint, dieser Mann wolle ihn töten". Daraufhin habe er wuchtig auf dessen Kopf eingestochen. Die anderen Taten habe er dann nach eigener Aussage "wie im Traum begangen", sagte Oberstaatsanwalt Neuhof. "Er hat die Taten also nicht abgestritten." Ermittelt werde wegen versuchten Mordes.

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Zwei Opfer noch im Krankenhaus

Der Mann mit syrischer Staatsbürgerschaft soll am Samstag im ICE Passau-Hamburg wahllos Mitreisende attackiert haben. Dabei wurden vier Männer verletzt. Der mutmaßliche Täter habe kurz nach Regensburg im Wagen 5 unvermittelt einen 26-jährigen Mann angegriffen und schwer am Kopf verletzt, sagte Polizeivizepräsident Thomas Schöniger.

Danach habe er einem 60-jährigen Fahrgast Schnittwunden an Kopf und Rumpf und einem weiteren 60-Jährigen ebenfalls Verletzungen zugefügt. Danach habe er in Wagen 4 einem 39-Jährigen in den Körper gestochen. Die beiden jüngeren Opfer seien am Sonntagmittag noch im Krankenhaus gewesen, sagte Schöniger.

Widerstandslos festgenommen

Nach dem Halt des Zugs in Seubersdorf seien Streifenbeamte in den Zug gekommen und hätten den mutmaßlichen Tatverdächtigen unter Vorhalt von Schusswaffen auf den Boden dirigiert. Er habe sich dann widerstandslos festnehmen lassen. In seiner Hose habe er ein blutverschmiertes Klappmesser gehabt.

Polizeipräsident Norbert Zink dankte Reisenden, "die versucht haben, den Tatverdächtigen von weiteren Aktionen abzuhalten". Der 2014 nach Deutschland eingereiste Verdächtige, der in Syrien geboren wurde, hatte nach Informationen der Polizei einen Tag vor der Tat seine Arbeitsstelle verloren.

Polizeieinsatz in Passau

Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur hat er früher in Syrien gelebt, soll sich seit 2014 in Deutschland aufhalten und zuletzt in Passau gewohnt haben. In Passau gab es am Samstagnachmittag einen größeren Polizeieinsatz, wie ein Sprecher des Polizeipräsidiums Oberpfalz sagte. Einen Zusammenhang mit der Bluttat im ICE bestätigte er zunächst nicht.

Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sagte: "Die Polizei arbeitet mit Hochdruck daran, die Hintergründe der schrecklichen Tat und die Motivlage des Täters schnellstmöglich aufzuklären." Laut Polizei gibt es keine Hinweise auf andere Täter. Die Kripo Regensburg und die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth ermitteln.

Hintergrund

Kurz nach 9 Uhr waren Notrufe bei Polizei und Rettungsdiensten eingegangen. Der ICE hatte auf halbem Weg zwischen Regensburg und Nürnberg außerplanmäßig an dem kleinen Bahnhof Seubersdorf nahe Neumarkt in der Oberpfalz gehalten. Weil die Lage zunächst völlig unklar war, rückte die Polizei mit einem Großaufgebot an und räumte den Zug. Etwa 200 Fahrgäste wurden laut Rotem Kreuz bis zum späten Nachmittag in einem Gasthaussaal betreut und verpflegt. Die ICE-Strecke zwischen Regensburg und Nürnberg wurde erst am Abend wieder freigegeben.

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) drückte sein Entsetzen aus und rief zur Besonnenheit auf. Eine Bewertung sei erst nach Aufklärung der Hintergründe möglich.

Die Pressekonferenz im Video

Polizeipräsident Norbert Zink, zwei weitere Polizeibeamte und der Leitende Oberstaatsanwalt Gerhard Neuhof luden für Sonntag um 13 Uhr zu einer Pressekonferenz im Landratsamt Neumarkt ein. Sie wurde auf der Facebook-Seite der Polizei Oberpfalz live übertragen. Die gesamten Pressekonferenz sehen Sie noch einmal im Video.

Sollten Sie das Video zur Live-Übertragung der Pressekonferenz nicht sehen können, klicken Sie hier.

Einsatzkräfte stehen vor einer Gaststätte, in der die Bahnreisenden kurzzeitig untergebracht worden sind.

Einsatzkräfte stehen vor einer Gaststätte, in der die Bahnreisenden kurzzeitig untergebracht worden sind.