Interviewserie „Über den Rand“

Indien trifft Oberpfalz: Das Rezept zum Glücklich-Sein


Kornelia Rebel kocht und schreibt nicht nur, sondern malt auch gerne. Das Bild zeigt sie mit ihrem Sohn Valentino, damals noch im Baby-Alter.

Kornelia Rebel kocht und schreibt nicht nur, sondern malt auch gerne. Das Bild zeigt sie mit ihrem Sohn Valentino, damals noch im Baby-Alter.

Von Patrick Beckerle und Redaktion idowa

Sri Lanka, Griechenland, Indien: Kornelia Rebel ist ganz schön herumgekommen. Kaum erwachsen zog es die Oberpfälzerin ins Ausland, nach Jahren der Reise ließ sie sich schließlich in Goa nieder. Dort wurde sie als Autorin mehrerer Kochbücher bekannt, für die sie auch mit dem "Gourmand World Cookbook Award" ausgezeichnet wurde. Nach 24 Jahren in Indien lebt die 57-Jährige seit kurzem wieder im Landkreis Regensburg. Im Gespräch mit idowa erzählt sie von ihren nicht immer ungefährlichen Reisen, den Vor- und Nachteilen der indischen Küche und warum sie Fernsehkoch Gordon Ramsay furchtbar findet.

Die 57-jährige Kornelia Rebel hat die unterschiedlichsten Winkel der Welt kennen- und lieben gelernt. Sie hat zwei Mal geheiratet, 24 Jahre in Goa gelebt - und in Indien mehrere Kochbücher geschrieben. Wie es dazu kam, wie das Leben in Indien war und weshalb sie wieder in die Oberpfalz gezogen ist, erzählt sie im Interview.

sized

Drei Kochbücher hat die 57-Jährige bisher veröffentlicht. Dass in Zukunft noch weitere folgen, ist nicht ausgeschlossen.

sized

Hier ist Kornelia Rebel zusammen mit Edouard Cointreau zu sehen. Seine Familie hat den "Gourmand World Cookbook Award" 1995 ins Leben gerufen, um besonders gelungene Kochbücher zu prämieren. Auch Rebels "Cooking for Happiness" hat die Auszeichnung erhalten.

sized

Drei Kochbücher hat die 57-Jährige bisher veröffentlicht. Dass in Zukunft noch weitere folgen, ist nicht ausgeschlossen.

sized

Hier ist Kornelia Rebel zusammen mit Edouard Cointreau zu sehen. Seine Familie hat den "Gourmand World Cookbook Award" 1995 ins Leben gerufen, um besonders gelungene Kochbücher zu prämieren. Auch Rebels "Cooking for Happiness" hat die Auszeichnung erhalten.

Frau Rebel, woher kommt Ihre Leidenschaft für das Reisen?

Kornelia Rebel: Da gab es diesen Moment während eines Frankreich-Urlaubs. Ich war 18, hatte gerade mit meinem Freund Schluss gemacht und saß am Meer. Der Sonnenuntergang spiegelte sich im Wasser an der Côte d'Azur - ein wunderschönes Bild. Und in mir war diese Aufbruchstimmung. Ich habe mir gedacht: Ich will mehr von der Welt sehen. Ich will mir nicht irgendwann vorwerfen müssen, mein Leben aus Angst nicht gelebt zu haben.

Also sind Sie raus in die große, weite Welt?

Rebel: So ungefähr (lacht). Mit 19 bin ich zum ersten Mal alleine gereist, nach Sri Lanka. Es war wunderschön, aber auch abenteuerlich. Zum Beispiel ist dort jemand in mein Zimmer eingebrochen - während ich schlief. Ich bin wach geworden und sah diesen Mann, wie er gerade meine Sachen durchwühlte. Er war wohl genauso erschrocken wie ich, denn er flüchtete sofort und ließ dabei fast alles wieder fallen. Nur meine Flugtickets hat er behalten. Ich musste deswegen meinen Flug umbuchen und kam erst später als vereinbart wieder nach Hause. Da herrschte natürlich helle Aufregung, als meine Eltern davon erfuhren.

Abgehalten hat Sie diese Erfahrung aber offenbar nicht…

Rebel: Nein. Ich bin weiterhin viel gereist, etwa nach Griechenland. Dort habe ich auch meinen ersten Mann kennengelernt. Wir haben geheiratet und zwei Jahre lang zusammen dort gelebt, sind dann aber nach Deutschland zurück.

Warum?

Rebel: Mein Mann sollte zur Armee, wollte aber nicht. In Griechenland konnte man damals den Wehrdienst jedoch nicht verweigern. Deswegen gingen wir nach Deutschland. Er hat dort bei einer Gärtnerei angefangen, ich habe als Redakteurin gearbeitet. Das ging eine Zeitlang gut, aber dann hat sich abgezeichnet, dass aus uns nichts wird. Ich wollte unbedingt Kinder, er hatte andere Pläne. 1992 haben wir uns scheiden lassen. Danach wollte ich eine Auszeit und bin zum ersten Mal nach Goa gereist. Dort gab es damals Motorräder für verhältnismäßig wenig Geld. Da dachte ich mir: Kauf eines und fahr durch Indien. Mal sehen, was passiert.

Und was ist passiert?

Rebel: Eine ganze Menge. Ich habe zum Beispiel Motorradfahren gelernt. Das konnte ich davor gar nicht. Ich habe es mir dann selbst beigebracht. (lacht) Mein Plan war, von Manali bis nach Ladahk zu fahren. Da ging es teilweise durch Schnee und Eis… Und Flüsse. Ich will gar nicht wissen, wie oft ich ins Wasser gefallen bin. Aber irgendwie habe ich es doch immer weiter geschafft. Ich habe auch oft Hilfe bekommen - als Frau auf einem Motorrad hat man da schon gewisse Sympathien auf seiner Seite. Auf halber Strecke ist mir dann aber mein Kettenschloss gerissen. Ich dachte eigentlich, ich hätte Ersatz dabei. War aber nicht so. Dann habe ich erst einmal blöd geschaut. Ich habe schließlich in einem Armee Camp in der Nähe um Hilfe gebeten. Ich hatte gar keine Ahnung, wie gefährlich das als allein reisende Frau eigentlich ist. Als Deutsche habe ich "Armee" automatisch mit Sicherheit assoziiert. Zuerst waren auch alle Soldaten sehr nett, haben mich gleich zum Essen eingeladen und sich lange mit mir unterhalten. Als es dann aber dunkel wurde, haben sie mich gedrängt, doch über Nacht zu bleiben. Dann wurde mir doch etwas mulmig und ich wollte zu meinem Zelt zurück. Zwei Männer haben sich dann bereit erklärt, mich mit einem Jeep zurückzufahren. Nach einer Weile haben sie jedoch einfach angehalten - und im nächsten Moment packten sie mich und versuchten, mich aus dem Auto zu ziehen…

Das ist heftig. Wie haben Sie reagiert?

Rebel: Ich war absolut panisch. Mir war klar, wenn die mich umbringen oder vergewaltigen wollen, dann machen sie das. Ich habe mich gewehrt und geschrien wie am Spieß. Und irgendwie hat das gewirkt. Sie haben von mir abgelassen und sind wortlos weitergefahren. In der Nähe von dem Campingplatz haben sie mich dann rausgeschmissen und sind umgedreht. Ich war danach erst einmal ziemlich unter Schock. Das war wahrscheinlich der gefährlichste Moment meines Lebens. Mein Motorrad stand noch bei dem Camp, aber das war mir egal. Ich bin in den nächsten Bus gestiegen und auf diesem Weg weiter nach Ladahk gefahren. Hauptsache weg.

"Schnell, einfach und gesund muss es sein"

Und trotzdem sind Sie in Indien geblieben.

Rebel: Ja. Wieder in Goa lernte ich einen Italiener kennen. Wir haben uns verliebt und schließlich geheiratet. Also bin ich geblieben. Zusammen haben wir uns ein altes Haus gekauft und es hergerichtet. 1999 wurde dann unser Sohn Valentino geboren. Das war auch die Zeit, in der ich angefangen habe, Kochbücher zu schreiben.

Wie kam es dazu?

Rebel: Sagen wir mal so: Der Alltag als Hausfrau und Mutter ist zwar schön - erfüllend war er für mich aber nicht. Deswegen habe ich angefangen, nebenbei zu schreiben. Eigentlich wollte ich einen Roman verfassen, habe dann aber gemerkt, dass ich dafür offenbar kein Talent habe. Ich habe das Buch zwar fertig gestellt und dann noch dreimal umgeschrieben, trotzdem wollte es niemand haben. Ein totaler Flop. Auch mein Mann mochte die Geschichte überhaupt nicht, er fand sie schrecklich. Das war quasi die erste schwere Prüfung für unsere Ehe (lacht). Mein Mann hat dann vorgeschlagen, dass ich mich doch an einem Kochbuch versuchen sollte. Er ist Italiener und mochte indisches Essen nicht besonders, deswegen habe ich meist italienisch gekocht. Ich fand die Idee gut und habe es ausprobiert. So ist dann der erste Band von "Kornelias Kitchen" entstanden.

Wie waren die Reaktionen?

Rebel: Überraschend gut. Ich habe schnell einen Verleger dafür gefunden, der sich auch um den Druck gekümmert hat. In Goa ist das Buch auch relativ bekannt geworden. Und mit dem Geld, das ich dadurch verdient habe, konnte ich weitere Bücher finanzieren. Als zweites habe ich ein Allergie-Kochbuch geschrieben. Das war mir ein großes Anliegen, weil mein Sohn Valentino selbst Allergiker ist. Es war meines Wissens nach auch das erste Kochbuch dieser Art in Indien. Das dritte Buch von mir heißt "Cooking for Happiness". Darin geht es um die Frage, wie Essen die Stimmung beeinflusst. Es ist mein bislang letztes und - wie ich glaube - auch bestes Werk. 2017 habe ich damit auch den "Gourmand World Cookbook Award", quasi den "Oscar" für Kochbücher, in der Kategorie Innovativ gewonnen. Das war schon etwas Besonderes.

Was ist denn Ihr Geheimnis beim Kochen?

Rebel: Mir sind drei Dinge wichtig: Es muss schnell gehen, einfach zuzubereiten und gesund sein. Meine Eltern hatten früher nicht sonderlich viel Geld und haben deswegen beim Essen gespart, damit wir auch mal in den Urlaub fahren konnten. In anderen Ländern - Griechenland, Frankreich und Italien etwa - habe ich festgestellt, dass dort eine ganz andere Mentalität herrscht. Die Menschen dort sparen nicht beim Essen, sondern lieber woanders. Das hat mich beeindruckt. Ich kaufe zwar selber auch mal im Discounter ein, achte aber genau auf die Zutaten und versuche, so wenig Fertig-Produkte wie möglich zu verwenden. Ich bin aber der Überzeugung: Wenn man sich normalerweise gesund ernährt, kann man auch mal über die Stränge schlagen. Ach ja: Und ich verwende nur Dinge, die man in jedem Supermarkt bekommt. Der Hintergrund ist, dass ich ein großer Fan von Nigella Lawson (britische Fernsehköchin, Anm. d. Red.) bin, ihre Rezepte aber nie nachkochen konnte, weil viele Bestandteile in Indien schwer oder gar nicht zu bekommen sind. Das wollte ich selbst anders machen.

Apropos Fernsehköche: Gibt es Kochshows, die Sie besonders schätzen?

Rebel: Neben der Show von Nigella gefällt mir auch Master Chef Australia besonders gut. Die Show gibt es in vielen Ländern, aber die australische Version ist für mich die beste. Trotz des Wettkampf-Charakters gehen dort alle so nett miteinander um. Ganz anders als zum Beispiel bei Hell's Kitchen. Gordon Ramsay finde ich furchtbar.

"Sie würden nicht glauben, wie viele übergewichtige Inder es gibt"

Und was halten Sie von der indischen Küche?

Rebel: Zunächst einmal muss man sagen, dass es "die" indische Küche gar nicht gibt. Je nach Region gibt es da schon große Unterschiede. Aber relativ typisch für Indien sind zum Beispiel Thali, also Reisplatten mit Fladenbrot und verschiedene Currys. Ich schätze vor allem die vielen Gewürze, die sie in Indien verwenden. Das fördert die Verdauung. Was ich weniger mag, sind die Massen an Butterschmalz, die beim Kochen zum Einsatz kommen. Und die nicht-vegetarischen Gerichte in Indien sind oft sehr fettig. Sie würden gar nicht glauben, wie viele übergewichtige Menschen es dort gibt (lacht). Aber für die Inder ist ihre Küche natürlich die gesündeste überhaupt. Sie sind sehr von sich überzeugt - im Guten wie im Schlechten.

Was genau meinen Sie damit?

Rebel: In den 24 Jahren, die ich dort gelebt habe, habe ich die Inder als ein sehr stolzes Volk erlebt. Familie und Abstammung spielen eine große Rolle, was sicherlich auch am Kastenwesen liegt. Niemand ist dort wirklich gleich. Auch als Ausländer bekommt man das bisweilen zu spüren. Ein Beispiel: Wer nach Deutschland kommt, dort arbeitet, seine Steuern zahlt und sich nichts zu Schulden kommen lässt, kann nach einer Zeit eingebürgert werden. In Indien hat man keinen solchen Anspruch. Wir mussten regelmäßig unser Visum verlängern lassen. Zunächst nur alle fünf Jahre, dann jedes Jahr. Die indische Bürokratie ist ein Alptraum. Nachdem wir schon jahrelang dort wohnten, wurde plötzlich eine Untersuchung gegen uns angeordnet, um zu klären, wie wir unser Haus finanziert hatten. Zeitweise stand sogar eine Konfiszierung im Raum. Das Haus war die Basis unserer Existenz, wir wären auf der Straße gestanden. Schlussendlich hat sich zwar alles geklärt, weil wir beweisen konnten, dass der Erwerb rechtmäßig abgelaufen ist. Aber solche Erfahrungen hinterlassen dann doch einen bitteren Nachgeschmack.

Ist das auch der Grund, warum Sie heute wieder im Landkreis Regensburg leben?

Rebel: Ja. Der Entschluss ist über die letzten Jahre bei uns gereift. Der Plan war eigentlich, das Haus in Goa zu verkaufen, gemeinsam nach Deutschland zu ziehen und dort ein neues Leben aufzubauen. Kurz vor knapp hat es sich mein Mann dann aber doch anders überlegt. Er wollte in Goa bleiben. Also haben wir uns nach über 20 Jahren Ehe getrennt. Er behielt das Haus und ich miete jetzt zusammen mit meinem Sohn eine bescheidene Wohnung in Traidendorf (lacht). Ich bin aber froh, dass ich sie gefunden habe. Sie gefällt mir. Und ich schreibe immer noch, mittlerweile arbeite ich als Texterin für Homepages. Wobei ich den Begriff "Texterin" hasse - Autorin gefällt mir besser. Soweit läuft es aber ganz gut.

Werden Sie weitere Kochbücher schreiben?

Rebel: Das ist noch nicht sicher. Ich habe eine Freundin mit einem grünen Daumen, die beim Kochen Gemüse und Obst verwendet, das sie selbst in ihrem Garten anpflanzt. Das finde ich toll und wir haben überlegt, ob wir nicht gemeinsam ein Kochbuch dazu schreiben wollen. Ob es tatsächlich Realität wird, bleibt aber noch abzuwarten.

Und wie sieht es mit Reisen aus?

Rebel: Auf jeden Fall. Es gibt einige Orte auf der Welt, die ich unbedingt noch sehen will. Angkor Wat, Kyoto, Machu Picchu, Brasilien, Peru... Und Alaska und Skandinavien.

Eine beeindruckenden Liste.

Rebel: Schon, aber nicht unmöglich.

Was ist mit Indien?

Rebel: Da war ich jetzt 24 Jahre, da muss ich so schnell nicht nochmal hin.

___________________________

In unserer Interviewserie mit dem Titel "Über den Rand" sprechen unsere Redakteure regelmäßig mit Menschen, die sie ganz einfach spannend finden - weil sie zum Beispiel einen außergewöhnlichen Beruf haben, eine ganz eigene Weltsicht, ein besonderes Hobby oder einen speziellen Lebensstil. Oder weil sie schlicht anders sind als wir Normalos. Die Gesprächspartner kommen dabei aus der Region oder von weit her. Wir schauen also bewusst mit unserer Serie über den Rand, nämlich über den des eigenen Tellers. Viel Spaß mit den Interviews.