Zwei konträre Fälle aus Landshut

Wer darf bleiben, wer muss gehen?


Entscheidungen darüber, welcher Asylbewerber in Deutschland bleiben darf und wer das Land wieder verlassen muss, erfolgen nach der Prüfung des Einzelfalls. (Symbolbild)

Entscheidungen darüber, welcher Asylbewerber in Deutschland bleiben darf und wer das Land wieder verlassen muss, erfolgen nach der Prüfung des Einzelfalls. (Symbolbild)

Von Matthias Jell und Redaktion idowa

Zwei konkrete Asylfälle aus Landshut verdeutlichen, wie unterschiedlich die Bewerber sein können.

Nach ihm ist sogar eine Online-Petition benannt, doch darauf würde Rahmat Khan wohl dankend verzichten. Der 22-jährige Asylbewerber lebte fünf Jahre in Deutschland. Seit geraumer Zeit war er in einer Unterkunft in Wörth an der Isar untergebracht. In der kleinen Gemeinde integrierte er sich vorbildlich, lernte die deutsche Sprache, arbeitete bei einer Baufirma und spielte beim örtlichen Sportverein Fußball. Obendrein ließ sich der 22-Jährige in Deutschland nie etwas zu Schulden kommen. Ein Musterbeispiel für gelungene Integration also. Trotzdem wurde Rahmat Khan abgeschoben. Am 14. Dezember wurde er von der Polizei abgeholt, Tags darauf gemeinsam mit anderen afghanischen Flüchtlingen in eine Chartermaschine mit Ziel Kabul gesetzt - eine Entscheidung, die nicht nur bei Flüchtlingshelfern für Fassungslosigkeit und Wut sorgt. Nicht zuletzt deshalb wurde eine Online-Petition ins Leben gerufen, die sich für Rahmat Khan stark macht. Der Titel: "Wir wollen Rahmat Khan zurück!" Binnen weniger Tage haben diese Online-Petition bereits 322 Bürger unterschrieben. Ihr Hauptargument: "Afghanistan ist nicht sicher!" Zudem habe sich Rahmat Khan stets vorbildlich verhalten und sich in Deutschland bestens integriert. Das zweite Argument ist nicht von der Hand zu weisen, am ersten Argument scheiden sich die Geister. Das Bayerische Innenministerium teilt auf Anfrage mit: "Die Beurteilung der Sicherheitslage in Afghanistan obliegt ausschließlich dem Auswärtigen Amt und dem Bundesinnenministerium." Abgeschoben würden die Menschen in der Regel nur dann nicht, wenn sie dauerhaft reiseunfähig seien oder andere Gründe - etwa fehlende Papiere - vorlägen. Eine echte Chance, in Deutschland dauerhaft Fuß zu fassen, hatte Rahmat Khan demnach nicht.

Der gegensätzliche Fall des Vahid K.

Ein weiterer aktueller Fall aus Landshut liefert ein ganz anderes Bild. Hierbei handelt es sich um Vahid K. (Name von der Redaktion geändert) aus dem Iran. Der 30-Jährige befindet sich in einem laufenden Asylverfahren, ist noch nicht anerkannt. Bis September 2016 war Vahid K. in einer Asylbewerberunterkunft im Raum Landshut untergebracht. In dieser Zeit lernte er die 32-jährige Petra S. (Name von der Reaktion geändert) kennen. Im Jahr 2015 waren die beiden drei Monate lang ein Liebespaar, dann beendete Petra S. die Beziehung zu Vahid K. Es sollte der Beginn eines seelischen Martyriums für die junge Frau werden. Immer wieder stellte ihr Vahid K. in der Folge nach. Immer wieder musste die Polizei zu dem Mehrfamilienhaus im Bereich der Wolfgangssiedlung ausrücken. Allein im Zeitraum von Oktober 2015 bis Juni 2016 wurden 34 polizeiliche Ermittlungen gegen Vahid K. verzeichnet. Darunter versuchte gefährliche Körperverletzungen, Hausfriedensbruch, Bedrohungen, Beleidigungen und diverse Sachbeschädigungen. Betroffen davon war nicht nur Petra S., sondern auch deren Nachbarin Tanja Z. (Name von der Redaktion geändert). Es hagelte Anzeige um Anzeige gegen Vahid K., der Fall landete vor Gericht. Der richterliche Beschluss lautete am Ende, dass er sich Petra S. nicht mehr nähern darf - eine Auflage, die der Mann aus dem Iran jedoch bis zum heutigen Tage scheinbar ignoriert. Vahid K. wurde im Anschluss in eine Asylbewerberunterkunft im Landkreis Regen verlegt. Wohl auch in der Hoffnung, um weiteren Straftaten in Landshut vorzubeugen. Doch eine Besserung stellte sich nicht ein.

Vahid K. hält sich weiterhin überwiegend in Landshut auf - obwohl er offiziell in der Asylbewerberunterkunft im Landkreis Regen gemeldet ist. Nach idowa-Informationen taucht der 30-jährige Iraner nur etwa alle zwei Wochen sporadisch an seiner offiziellen Wohnadresse auf. Wo er in der Zwischenzeit nächtigt, weiß niemand so recht. Zwar unterliegen Asylbewerber der sogenannten Residenzpflicht, diese bindet sie aber nur an den jeweiligen Bezirk, in dem sich die zuständige Ausländerbehörde befindet. Im Beispiel Vahid K. also Niederbayern.

Mehrmals pro Woche kann der 30-jährige Iraner deswegen in dem Mehrfamilienhaus im Norden Landshuts auftauchen. Dort tyrannisiert er die Bewohner - allen voran Petra S. "Mal wurde ein Auto demoliert, mal versucht er in die Wohnung von Petra S. einzudringen, dann droht er ihr mit Mord", berichtet Tanja Z.

Das sagen Polizei und Justiz



Doch der Handlungsspielraum der Polizei ist begrenzt. "Die Personalie ist uns bekannt. Er hat 2016 fleißig Straftaten gesammelt", berichtet Polizeisprecher Stefan Scheibenzuber auf idowa-Nachfrage. Scheibenzuber betont, dass die Polizei nur "ausführendes Organ" sei. "Wir können nur die Anzeigen aufnehmen und einen Platzverweis erteilen. In schwerwiegenden Fällen haben wir auch die Möglichkeit, so jemanden kurzzeitig in Gewahrsam zu nehmen. Alles weitere ist allerdings Sache der Justiz."

"Können ihn nicht vom Fleck weg einsperren"

Und was sagt die Justiz dazu? "Wir können Vahid K. nicht einfach vom Fleck weg einsperren", lautet die Antwort von Thomas Steinkraus-Koch, Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Landshut. Auch Steinkraus-Koch ist der Fall längst bekannt: "Die Hauptanklage bezieht sich auf Verstöße nach dem Gewaltschutzgesetz. Es waren auch Körperverletzungen dabei. Klar ist auch, je öfter er gegen die Auflagen verstößt, umso wahrscheinlicher wird letztlich eine Freiheitsstrafe." Man befinde sich hier in der "Endsachbearbeitung". Spätestens dann, wenn Vahid K. tatsächlich zu einer Freiheitsstrafe verurteilt werden sollte, könnte es für den 30-Jährigen eng werden. Möglich macht dies eine Gesetzesänderung, die am 17. März 2016 in Kraft getreten ist. Diese sieht vor, dass ausländische Straftäter künftig ausgewiesen werden können, wenn sie zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wurden - unabhängig davon, ob die Strafe zur Bewährung ausgesetzt wurde oder nicht. Das gilt bei Straftaten gegen das Leben, gegen die körperliche Unversehrtheit, gegen die sexuelle Selbstbestimmung und bei Angriffen auf Polizisten.

Regierung verweist auf Einzelfallentscheidung

Fakt ist: Obwohl der Iran offiziell nicht unter den sicheren Herkunftsstaaten aufgelistet wird, ist eine Abschiebung von Iranerinnen und Iranern in Einzelfällen schon jetzt möglich. Ob auch Vahid K. eine mögliche Abschiebung droht, muss gesondert entschieden werden. "Die Frage, welche rechtlichen Maßnahmen seitens des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und der zuständigen Ausländerbehörden konkret möglich sind, lässt sich nur für den jeweiligen Einzelfall beantworten. Entscheidend sind dabei unter anderem Art und Schwere der Straftaten, beziehungsweise der strafrechtlichen Verurteilung", erklärt Francina Herder, Pressesprecherin der Regierung von Niederbayern. "Wir bitten allerdings um Verständnis, dass wir uns zu konkreten Einzelfällen und zu laufenden Verfahren nicht äußern können."