Wörth a.d. Donau

Der mit dem Krokodil tanzt


Abenteurer Roland Weiß auf einem Krokodil: "Respekt muss man haben. Respekt und ein gesundes Selbstvertrauen."

Abenteurer Roland Weiß auf einem Krokodil: "Respekt muss man haben. Respekt und ein gesundes Selbstvertrauen."

An einem Sommertag im Jahr 2000 steht Roland Weiß in der südafrikanischen Steppe und weiß, dass es jetzt um sein Leben geht. Drei Löwen stürmen auf ihn zu. "Du bist voll mit Adrenalin, das Herz schlägt dir bis zum Hals. Du stehst unter Strom", sagt er heute.

Neben Weiß stehen damals eine deutsche Tierärztin, ein Amerikaner, ein Wildhüter und ein Jagdführer. Fünf Leute gegen drei Löwen. Einer der Löwen ist verletzt, "der ist auf Menschen gegangen, hat vorher schon zwei oder drei gefressen; deshalb sollte er ja getötet werden", erzählt Weiß. Er erkennt das Tier an seiner Verletzung. Er legt an und zielt. Treffer. Doch der Amerikaner zittert und schießt vorbei. Ein Löwe dreht ab, der dritte kommt nun immer näher.

Das Raubtier, so erinnert sich Weiß, rast direkt an ihm vorbei und stürzt sich auf die Tierärztin, die im letzten Moment ein langes Messer zieht. "Die hat geschrien, so etwas habe ich noch nie gehört. Als wir den Löwen von ihr runtergezogen haben, waren wir uns sicher, dass sie tot ist." Doch die Veterinärin hat nur ein paar Kratzer abbekommen. Sie hat den Löwen erstochen.

Von Orcas und Schlangen

Roland Weiß, besser bekannt unter dem Spitznamen "Wasche", ist seit Jahrzehnten in der ganzen Welt unterwegs, um exotische und gefährliche Tiere aus nächster Nähe zu sehen. In seiner Wohnung in Wörth stapeln sich Bildbände, die einen Einblick in seine tierischen Abenteuer eröffnen. Der "Wasche" könnte stundenlang davon erzählen - und das tut er auch.

Er erzählt zum Beispiel von diesem Schwarzbären in Alaska. Er ist damals mit einem Halbblut-Indianer unterwegs, den er als Freund bezeichnet. Auf einer Lichtung, mitten im Nirgendwo, treffen die beiden Reisenden eines Tages auf einen Bären, der gerade Früchte von einem Strauch frisst. Was tun? "Wenn du davonrennst, erwacht der Jagdtrieb des Bären", sagt Weiß. Der Koloss wird dann verdammt schnell, und klettern kann er ja auch: "Wenn du auf einen Baum kraxelst, kommt der Bär rauf und beißt dir den Arsch weg." Weiß und das Halbblut bleiben ruhig. Gaaaaaanz laaaaaaaangsam gehen sie zurück. Der Bär beachtet sie gar nicht. Glück gehabt.

In Alaska sieht Weiß auch einen Orca. Er ist mit dem Halbblut auf dem Yukon River unterwegs, als der Schwertwal unter ihnen auftaucht. "Das ist ein ganz friedliches Tier, ich habe den Orca sogar gestreichelt", berichtet Weiß. "Aber wenn unter einem drei Meter langen Schlauchboot so ein gigantisches Viech schwimmt, wird dir schon ein bisserl mulmig."

Große Faszination üben Schlangen auf den "Wasche" aus. In Südamerika ist er einmal mit einer Reisegruppe unterwegs, als im Schilf plötzlich Bewegungen wahrzunehmen sind. Eine Anakonda! Vier Mann stürzen sich auf die Wasserschlange. "Der Erste muss sie am Kopf packen, wenn er sie nicht erwischt, hat er verspielt", sagt Weiß. Dann beißt sich die Schlange fest und wickelt sich um ihr Opfer. "Jedes Mal, wenn man ausschnauft, zieht sie ein bisserl enger. Das ist wie ein Schraubstock." Aber alles geht gut. Weiß bestaunt die Anakonda, dann wird sie freigelassen.

Anfang dieses Jahres besucht er eine Schlangenfarm in Thailand. Er sitzt mit seiner Begleiterin auf einer Bank, direkt vor ihnen bäumt sich eine Königskobra auf, zum Greifen nah. Jede hektische Bewegung kann schlimme Folgen haben, also sitzen sie einfach nur da. Schließlich packt der Schlangenbeschwörer, der immer dabei ist, die Kobra am Schwanz und zieht sie wieder weg.

Wer diese Schnecke berührt, ist reif für die letzte Ölung



In Thailand unternimmt der "Wasche" auch eine Tauchtour. Er taucht in farbenprächtige Unterwasserwelten ein, denkt sich nichts Böses, als es plötzlich stockfinster wird. Ist die Sonne untergegangen? Weiß blickt nach oben und staunt nicht schlecht. Direkt über ihm schwimmt ein Rochen. So ein Rochen sieht aus wie ein überdimensionierter Pfannkuchen und hinten dran hat er einen Giftstachel. Zum Glück schwimmt er weiter.

Wenig später begegnet Weiß ein paar Riffhaien: "Die können dich ganz schön zwicken, wenn du sie ärgerst. Ihre Zähne sind rasiermesserscharf."

Und dann ist da diese knallblaue Schnecke, vielleicht 20 Zentimeter lang, die über den Meeresboden kriecht. Ein schönes Schneckerl, denkt sich der "Wasche", und will fast schon hinlangen. Aber dann hält er inne. Moment mal, war da nicht was? Er langt dann lieber nicht hin und taucht wieder auf. Oben erfährt er, dass er soeben einer Pfeilgiftschnecke begegnet ist. Sie kann winzige Harpunen verschießen, die ein Nervengift enthalten. Wer beim Tauchen mit der Schnecke in Kontakt kam, ist reif für die letzte Ölung.

Krokodile und Tigerbabys

Voriges Jahr gastiert Roland Weiß auf einer thailändischen Krokodilfarm. Die Panzerechsen schwimmen in trüben Tümpeln, und wenn sie ein Pfleger füttert, zum Beispiel mit einem Hühnchen, beißen sie blitzschnell zu. "Batsch! Das hat richtig gescheppert!" Weiß nähert sich einem Krokodil von hinten, er steht direkt über ihm, es hat den Rachen weit aufgerissen. Ein irres Gefühl.

Schöne Erinnerungen hat Weiß an den "Tiger Zoo" in Thailand. Buddhistische Mönche leben dort mit Tigern, es gibt keine Zäune und keine Käfige. Weiß streichelt und krault ausgewachsene Tiger, er hat reihenweise Fotos davon. Er scherzt und spielt mit den kleineren Tigern und gibt einem Tigerbaby die Flasche. "Das hat denen richtig gefallen", erzählt er lächelnd, "die haben geschnurrt wie eine Katze."

Aber so ein Tiger ist natürlich keine Katze, das muss Weiß Anfang 2016 in einem thailändischen Zoo erfahren. Rund 60 Besucher stehen an einem Tiger-Gehege, Weiß hat sich gerade umgedreht, als er gellende Schreie vernimmt. Er dreht sich um und traut seinen Augen nicht: Ein Mann ist im Gehege, er kauert vor einem Tiger auf dem Boden, die Raubkatze mustert ihn. "Ich wollte ihm helfen", sagt der "Wasche" sichtlich erregt, "aber da war nichts, kein Stock, keine Leiter." Die Besucher kreischen und brüllen und klatschen, um das Tier zu vertreiben; es gibt Handyvideos davon. Dann geht es ganz schnell: Der Tiger beißt zu, Knochen brechen, der Tiger schleift den Mann davon wie ein Spielzeug. Weiß kann sich nicht vorstellen, dass der arme Teufel heute noch lebt.

"Angst und Geld habe ich noch nie gehabt"

Es ist nicht das erste Mal, dass er hautnah mit dem Tod in Berührung kam. Er erinnert sich noch gut an diesen Urlaub in Kolumbien. Er freundet sich damals mit einem jungen Abenteurer aus Baden Württemberg an, der eines Tages einen fatalen Fehler begeht: Er steigt ohne Badehose in einen Fluss. Ein fadendünner, mikroskopisch kleiner Wurm schwimmt in seine Harnröhre und von da aus weiter in den Körper, völlig unbemerkt. Zurück in Deutschland geht es ihm zusehends schlechter. Nach einem halben Jahr stellen die Ärzte fest, dass der Wurm zentrale Organe zerfressen hat. "Mein Kumpel Waldemar ist elendig verreckt", sagt Weiß.

Im kommenden Jahr zieht es Weiß nach Australien. Er würde gerne mit einem Pferd ins Outback reiten. Vor der Stadt Perth will er mit Walhaien schnorcheln, die noch größer sind als der Orca, den er in Alaska gestreichelt hat.

Hat er keine Angst? Fürchtet er nicht, aus einem seiner Urlaube im Leichensack zurückzukehren? Sobald ein Tier merke, dass sein Gegenüber die Hosen voll habe, werde es auch unsicher, antwortet er; und dann werde es gefährlich. "Respekt muss man haben. Respekt und ein gesundes Selbstvertrauen."

Aber Angst? Der "Wasche" grinst. "Angst und Geld", sagt er, "habe ich noch nie gehabt."